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Reisezeit: Juli / August 2013  |  von Julia S

Id-Festival u.v.m. - Jaipur ist ein Knaller

Jaipur, 8.8.-11.8.2013

Froh, Agra mit seinen Schleppern zu entkommen, habe ich mich um 5:05 Uhr in den Superfast-Train nach Jaipur gesetzt. Wieder sind die Indian Railways ein zuverlaessiges und angenehmen Transportmittel - ausserdem preisguenstig (fuer die Strecke Agra - Jaipur, ca. 375 km, zahle ich umgerechnet 1,26 Euro in der zweiten Klasse).

Auch in Jaipur reissen sich die TukTuk-Fahrer um mich, es scheint aber auch so, dass ich oft die einzige (westliche) Touristin bin. Moeglicherweise scheuen sich die anderen Touris vor den fruehen Uhrzeiten meiner Zuege, oder es ist einfach nicht die Hauptreisezeit fuer Indien (ich tippe auf diese Erklaerung). Professionell stuerme ich den Pre-Paid-Taxi-Booth und fahre mit Babu (sehr nett und mit exzellentem Englisch ausgestattet) fuer 40 IR zu meinem Hotel. Wer in Jaipur absteigt, dem sei das Hotel "Arya Niwas" dringend ans Herz gelegt. Hier weiss der Hotelmanager, dass man durch Sauberkeit, ein gut ausgebildetes Personal und nette Details auch ein Budgethotel zu einer wahren Wohnoase in Indien machen kann. Hier stimmt alles: Preis, Erscheinungsbild, Service, Lage! Eine gute Wahl. Mein Zimmer befindet sich ganz oben nahe der Dachterrasse, ist geschmackvoll gestaltet und blitzsauber - hier dusche ich OHNE FlipFlops. Im Erdegschoss verfuegt das Hotel ueber ein Restaurant und spektakulaererweise ueber einen gut gepflegten Garten mit Rasen und Pflanzen sowie gemuetlichen Sitzgelegenheiten. Des Weiteren faellt auf, dass permanent (unauffaellig) geputzt, gefegt, aufgeraeumt wird. Im sonst etwas chaotischen und leider zu oft vermuellten Indien eine Wohltat fuer die Augen.

Da ich aber natuerlich auch die Stadt geniessen und entdecken wollte und nicht nur im Hotelgarten lesen und sitzen und durchatmen, machte ich mich fix zu Fuss auf den Weg. Das Hotel liegt nahe der MI Road, quasi eine der Hauptverkehrsadern der Stadt. Bis zur Pink City, der Altstadt, sprich zum Ajmeri oder New Gate sind es ca. 2,5 km. Eine Frau, dazu noch eine blonde, dazu alleine und zu Fuss scheint offensichtlich ein unueblicher Anblick fuer den Inder an sich zu sein, trotzdem aber auch eine gute Moeglichkeit, sich eine indische Stadt zu erschliessen, sieht man doch mehr Details, als wenn man im TukTuk durch die Gegend rumpelt. Meinen ersten Shoppingerfolg konnte ich im GPO, im General Post Office, verzeichnen. Dort sprach keiner Englisch, aber ich habe es geschafft, 10 Briefmarken nach Germany zu erstehen. Einen Chai und mehrere Haendedruecke (?!) spaeter (man stelle sich das jetzt bitte auf einem deutschen Hauptpostamt, das gut gefuellt ist, vor), befand ich mich wieder auf der Strasse und kam beim Lassi-Wala vorbei, der in jedem Reisefuehrer schwer gelobt wird. Er verkauft seit 1942 Lassi in Tonbechern - ein Vorbild fuer Umweltschutz sozusagen. Hat man den wirklich leckeren Lassi fertig geschluerft, und fuer den Fall, dass man Inder ist, kraeftig geruelpst hat, wirft man seinen Tonbecher einfach in die dafuer vorgesehen riesige Tonne, in der erstaunlicherweise kein anderer Muell liegt. Die Scherben werden anschliessend wohl wieder fuer neue Becher verwendet (wenn ich das richtig verstanden habe). Tongefaesse statt Plastikbecher habe ich auch fuer Chai in einige Zuegen und in Varanasi erlebt, meines Erachtens eine gute Idee - und dazu hygienisch.

In der Pink City selbst (eigentlich ist das ja mehr Terracotta-Orange) habe ich mich durch die verschiedenen Basare treiben lassen. Jeder Basar hat seine eigene Ausrichtung, so kommt man vom Stoff / Textilien Basar zum Schmuckbasar, zum Basar der Eisenwarenhaendler etc. Biegt man einmal in die Seitengassen ein, laesst sich auch wieder Vieles entdecken: kleine Obststaende, Kuehe, hoch beladene Karren, Kinder, Autowerkstaetten ... das pralle Leben eben.

In so einer Seitengasse gerate ich auf einmal in groessere Festivitaeten - und habe das Gefuehl, dass nur noch Maenner um mich herum sind. Ein Feuerwerk geht los, laute Musik schallt durch die kleinen Gassen, ich bekomme Kusshaende zugeworfen und werde angestarrt. So richtig wohl ist mir nicht bei der ganzen Sache und ich sehe zu, dass ich wieder auf die Hauptstrasse komme. Dann faellt es mir wie Schuppen von den Augen - hier in Jaipur ist es sehr muslimisch, das Id-Festival, das Ende des Ramadan (Happy Bayram!), wird hier gefeiert, ausserdem ist Freitag! Na Prima - sicherlich eine feine Sache, wenn man in (maennlicher) Begleitung ist, aber indischem Strassenfeuerwerk traue ich nicht so richtig ueber den Weg, also bleibe ich auf den Hauptstrassen.

Am Hawa Mahal spricht mich Waseem an und lotst mich auf die Terrasse seines Onkels. Von dort hat man einen wirklich schoenen Blick auf den Palast der Winde, ich mache Fotos, wir trinken einen Chai (na klar!) und unterhalten uns in einem wilden Mix aus Englisch, Hindi, Franzoesisch und Spanisch. Waseem scheint sprachlich ganz schoen fit und moebelt meine eher rudimentaeren Hindi-Kenntnisse netterweise auf. Er zeigt mir anschliessend einen alten Tempelkomplex, der versteckt in einem Hinterhof liegt, ganz in der Naehe des Hawa Mahal. Eine tolle Architektur - die Mischung verschiedener Stile, vor allem aber die orientalischen Einfluesse, machen hier "den Kohl richtig fett"! Ich bin begeistert. Wir ueberbruecken den ungefaehr eine Stunde dauernden Monsunschauer mit Gewitter unter dem Vordach des Tempels und unterhalten uns gut. Tatsaechlich mal ein Inder, der ein Thema (sprachlich) tiefgehender behandeln kann. Interessant. Eines unserer Themen ist der Wandel der indischen Gesellschaft bezueglich der westlichen Einfluesse durch die Medien und das Thema Love-Marriage oder arrangierte Hochzeit. Wir beschliessen, am naechsten Tag zusammen mit ein paar von Waseems Freunden ins Kino, ins beruehmte Raj Mandir, zu gehen und dort den momentan angesagten Bollywood-Streifen "Chennai Express" mit Shah Rukh Khan anzusehen. Dieses Kino kannte ich ja bereits vom letzten Mal, es war schoen, in einer lustigen Truppe dort noch einmal einen Film zu sehen und das Kinoerlebnis der indischen Art mitzumachen.

Ich habe mir auch das Museum in der Albert Hall angesehen, die restlichen Besichtigungspunkte hatte ich ja vor sieben Jahren schon abgehakt. Ein etwas merkwuerdiger Mix aus Stadtgeschichte, Textilmuseum und Sammlung von Merkwuerdigkeiten. Auf die unglaublich hohe Kameragebuehr habe ich diesmal verzichtet - es gibt also keine Fotos von diesem Kuriositaetenkabinett.

Auf eigene Faust kann ich Jaipur dieses Mal richtig geniessen und in meinem Tempo entdecken. Ich bin schon im indischen Shanti-Shanti-Modus - mein Besichtigungstempo ist nicht mit dem zu vergleichen, dass ich in europaeischen Grossstaedten an den Tag legen kann. Hier sauge ich lieber alles langsam und genuesslich auf, um auch in Deutschland lange davon zu zehren!

Mein Fazit nach sieben Jahren: Jaipur ist gewachsen und Shopping-Malls scheinen ein ganz grosser Trend zu sein. Zum Glueck liegen diese architektonisch nicht immer gelungenen Kloetze ausserhalb des wunderbaren Altstadtkerns, so dass man sie getrost ignorieren kann. Alles in Allem eine faszinierende Stadt! Ich komme gerne ein drittes Mal wieder.

Unweigerlich naehert sich die Indienreise schon ihrem Ende, aber zum Glueck habe ich einen meiner heimlichen Hoehepunkte ans Ende gelegt. Ich mache mich nach Pushkar auf - meine gefuehlte Zweitheimat!

Shanti Om und liebe Gruesse, Jule/ia

Motorcycle City - Jaipur

Motorcycle City - Jaipur

LECKER

LECKER

Familienrat?!

Familienrat?!

Waseem vor dem Hawa Mahal

Waseem vor dem Hawa Mahal

© Julia S, 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach sieben Jahren Sehnsucht nach der "Faszination Indien", teste ich nun den Monsun! Meine Ziele werden vermutlich im Nordwesten liegen (Amritsar, Chandigarh, Valley of Flowers), Pushkar will ich wiedersehen, evtl. bekommt Jaipur eine zweite Chance und möglicherweise zieht es mich nochmal nach Agra zum Taj ... Änderungen nicht ausgeschlossen. Ich freue mich auf Menschen und Eindrücke während meiner Reise ... mal sehen, was mich diesmal so anspringt und mich berührt!
Details:
Aufbruch: 23.07.2013
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 16.08.2013
Reiseziele: Indien
Deutschland
Der Autor
 
Julia S berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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