6 Städte in 14 Tagen - Tour de force durch Europa
Fáilte Baile Átha Cliath
25.04.2014: Mein großer Besichtigungstag für "Baile Átha Cliath" - das ist gälisch/irisch und bedeutet "Dublin". Kein Mensch außerhalb Irlands kann das aussprechen... Ich erspare es mir, euch die Geschichte Dublins zu erzählen, aber bezüglich der Sprache habe ich heute Verwunderliches gelernt: Die meistgesprochene Sprache Irlands ist englisch, an 2. Stelle steht polnisch (!) und erst an 3. gälisch/irisch. Das ist erstaunlich und eine Entwicklung der 1990er Jahre, als Irland plötzlich wirtschaftlich boomte und zu einem Einwanderer-Land wurde, obwohl es ansonsten aus der Geschichte heraus ein reines Auswanderer-Land war. Was an den großen Hungersnöten zwischen 1845 und 1852 und wieder 1879 lag. Die Kartoffelfäule raubte den eh schon bettelarmen Iren die Grundnahrung und killte Millionen Menschen, die schlicht verhungerten. Wer irgendwie konnte, schleppte sich auf ein Schiff Richtung Nordamerika. Shit, jetzt erzähle ich ja doch die Geschichte Irlands...Naja, ein wenig Hintergrundwissen muss man doch schon haben, sonst kapiert man auch nicht, wie dieses super-sympathische Volk so tickt... Iren habe ich als weltoffen, fröhlich, freundlich, extrem kommunikativ, sehr hilfsbereit und wahnsinnig witzig kennengelernt mit einem großen Schuss schwarzen Humors.
Ich sitze schon im roten Doppeldeckerbus für die Sightseeing-tour durch Dublin. Das ist das altehrwürdige Shelbourne Hotel.
Ich habe heute morgen nicht gefrühstückt - kein Hunger. Ich will irgendwie sofort los. Aufgrund Baustelle ist die Bushaltestelle für den Bus verlegt, aber ich finde sie und steige ein. Und wie geil ist das denn ? Es sitzt ein älterer Ire direkt im Bus und kommentiert die Tour live ! Das bekommt man nur noch selten weltweit geboten, dass Studenten oder Rentner so eine Tour live kommentieren. Ich hatte das zuletzt in New York und in Toronto, es war immer um 1.000 % besser, als vom Band.
Tja, aus dem Doppeldeckerbus fotografiert, da ist dann auch schon mal ein Stück Baseball-Käppi (leider) mit drauf...
Die Bustour führt u.a. durch das Regierungsviertel Dublins, durch ein Viertel mit wunderschönen viktorianischen Wohnhäusern, vorbei an der Statue von Oscar Wilde, entlang des Parks St. Stephen´s Green und überall gibt es humorvoll erzählte Anekdoten mit viel wissenswertem Hintergrund dazu, einfach herrlich !
hinein in die State Apartments, die bis heute für offizielle Anlässe genutzt werden. Der Eintritt kostet - glaube ich - 8 EUR.
Mehr oder weniger gleich um die Ecke gelange ich zur älteren der beiden mittelalterlichen Kathedralen Dublins - der Christ Church - gegründet wohl schon um 1038 als Holzkirche am Ufer des Liffey und hier an Ort und Stelle als Steinkathedrale ab wohl 1172 erbaut. Die Christ Church ist auch Erzbischofssitz und Sitz der römisch-katholischen Kirche Irlands. Nun sind Iren ja wirklich noch heute ziemlich gläubig und streng-katholisch, wenngleich auch alles wesentlich lockerer gesehen wird, als noch vor 100 oder 200 Jahren. Deswegen überraschen mich ein paar Umstände im Zusammenhang mit der Christ Church und auch der St. Patrick´s Cathedral sehr...
Welche Umstände mich so überraschen: Es kostet Eintritt ! Und das finde ich gut so, denn es muss Unsummen kosten, die Kirchen in diesem Zustand zu erhalten und so halte ich es absolut für angemessen, 4 EUR zu kassieren. Für alle, die sich darüber ärgern, für einen Kirchenbesuch Eintritt zu zahlen, steht vor der Kasse ein unübersehbares Schild, auf dem sehr nett erläutert wird, warum das hier so sein muss.
In der riesigen Krypta der Kirche befindet sich eine Ausstellung mit Kirchenschätzen, diesen Kostümen und - was mich wiederum sehr überrascht - ein Café ! Man kann hier unten in etwas spukiger Atmosphäre Kaffee trinken und Kuchen essen ! Finde ich absolut cool.
Katze jagt die Kirchenmaus. Dummerweise wurden sie hinter der Orgel eingeklemmt und verendeten dort. Mumifiziert wurde das kuriose Ensemble irgendwann viel später hinter der Orgel gefunden und ist nun in einem Schaukasten in der Krypta zu bestaunen. Die "Kirchenmaus" dürfte allerdings eher eine Kirchenratte gewesen sein...
Die St. Patrick´s Cathedral ist von der Christ Church nicht weit entfernt, also hänge ich die nächste Kirchenbesichtigung gleich hintendran. Auch hier wird Eintritt verlangt (4,50 EUR), auch hier erklärt ein Schild, warum das so sein muss. Ein geistig behinderter junger Mann namens Michael nimmt mich in Empfang, nachdem ich mein Ticket bezahlt habe, drückt mir einen Flyer mit dem Kirchenplan in die Hand und fragt, ob ich irgendwelche Fragen hätte, die könne ich ihm gerne stellen ! Wieder eine sehr positive Überraschung. UND: St. Patrick´s hat kein Café, dafür aber einen gut bestückten Souvenirshop am hinteren Ende des Kirchenschiffs ! Sehr pragmatisch und praktisch gedacht, Kirche und Kommerz derartig zu verbinden. Ich find´s gut.
St. Patrick ist der Nationalheilige Irlands. Dennoch ist St. Patrick´s Cathedral, obwohl auch größer als die Christ Church, nicht der Sitz des Erzbischofs. Dennoch ist St. Patrick´s die größte Kirche Irlands. Sie beherbergt das Grab des irischen Schriftstellers Jonathan Swift (Gulliver´s Reisen), Oliver Cromwell benutzte sie als Pferdestall und sie war immer die Kathedrale des Volkes in Irland. Erbaut wurde sie wohl irgendwann zwischen 1191 und 1270. Aber sie kam im Laufe der Jahrhunderte ziemlich herunter, daher finanzierte Sir Benjamin Guinness eine Renovierung der Kirche in den 1860er Jahren und somit habe ich die perfekte Überleitung zu meinem nächsten Programmpunkt ...
Direkt vor der St. Patrick´s Cathedral steige ich in den Bus und werde kutschiert zum Guinness Storehouse. Ein Museum, das sich auf 7. Etagen befindet, die einem pint Guinness nachempfunden sind im Inneren eines 1904 fertiggestellten Gebäudes, in dem früher der Fermentationsprozess stattgefunden hat = Hinzufügen der Hefe zum Biersud.
Nun bin ich persönlich mal wirklich sehr gespannt, ob mich das vom Hocker hauen wird ! Warum ? 1. Ich bin kein Biertrinker, 2. Ich habe noch nie in meinem Leben ein Guinness getrunken und 3. ich habe schon einmal eine Brauereibesichtigung gemacht in meiner Heimatstadt Flensburg, die mit dem Flensburger Pilsener auch ein recht ordentliches Bier herstellt. Das ist zwar ein Bier, das ich nicht mag, weil es so bitter schmeckt, aber den Herstellungsprozess der ganzen Chose habe ich schon kennengelernt. Was soll da bei Guinness großartig anders sein ??? Außer, dass das Bier fast schwarz ist (warum eigentlich) ???
Hinein da ! Ich zahle 15,50 EUR Eintritt, was etwas reduziert ist, weil ich das City-Sightseeing-Bus-Ticket vorweisen kann. Wartezeit: Keine 15 Minuten. Erstklassig.
Da eine klassische Brauereibesichtigung hier verständlicherweise allein aufgrund der Größe logistisch unmöglich ist, gibt es das Guinness Storehouse und hier erfährt man - auf sehr moderne Weise gestaltet - wirklich alles über Guinness
Gebäude von 1904, komplett entkernt und 2000 als 7-stöckiges Pint wieder eröffnet und seitdem beliebteste Sehenswürdigkeit ganz Irlands
Wie gesagt: Top-modern wird die Geschichte von Guinness erzählt mit allem Drum und Dran, die Familiengeschichte, das Bierbrauen, die Zutaten, die Werbung, die Logistik, die Mitarbeiter, die Technik - und das Bier selbst. Kein Thema kommt zu kurz.
Eine der wichtigsten Zutaten, das Wasser. Dargestellt durch den spektakulären Wasserfall. Alle Besucher spielen hier wahnsinnig gerne herum, so auch ich...Hier
Guinness unterhielt früher eine eigene Flotte für den Transport des Bieres in alle Welt. Bis heute hat Guinness noch eigene Schiffe für den Transport nach England, wo heutzutage das meiste Guinness gesoffen wird
Der eigentliche Herstellungsprozess wird nicht anhand aktueller Anlagen gezeigt, aber es wird schon veranschaulicht, was dazu gehört und wie es geht.
Einige Mitarbeiter und Familienmitglieder sprechen in richtig gut gemachten Videos zu einem. Es ist fast interaktiv, was hier geschieht.
Witzige Zeitreise anhand eines jeweils typischen, kleinen Wohnzimmerausschnittes, ab den 1960er Jahren liegt auch immer ein Exemplar des Guinness Buches der Weltrekorde irgendwo bei. Es wurde 1955 ins Leben gerufen.
Der Besuch im Guinness Storehouse fasziniert mich total. Es ist wirklich super interessant. Man kann auch zwischendurch mal etwas essen, was ich nutze, weil ich ja ohne Frühstück losgezogen bin. Tja, und dann kommt der große Moment der Bierverkostung. Natürlich machen die das witzig ohne Ende hier. Es wird gefragt, ob jemand dabei sei, der noch nie ein Guinness getrunken habe. Na, klar - das hätten sie wohl gerne ! Ich melde mich nicht und auch kein anderer, sonst wäre ich wohl sicherlich zum Anschauungsobjekt der amüsierten Truppe um mich herum geworden. Nein, ich lerne ganz für mich alleine, dass man Guinness nicht schlückchenweise konsumieren sollte, sondern immer einen ganzen Mund voll trinken sollte, weil anderweitig das Aroma nicht so herauskommt. Bei der Verkostung bekommt man nur so einen ganz kleinen Plastikbecher voll Bier gereicht. Es reicht mir aber, um festzustellen: Das Zeug schmeckt wirklich !
Durch das Gebäude bewegt man sich per Treppen, Rolltreppen oder den beiden gläsernen Aufzügen. Der Aufzug in die 7. Etage ist immer voll besetzt, denn da befindet sich die Gravity Bar mit 360-Grad-Blick auf ganz Dublin und hier bekommt man ein volles Pint Guinness ausgeschenkt. Ist im Eintrittspreis enthalten. Aber ich verzichte drauf, wie gesagt - ich bin kein Biertrinker - und werde es auch bei Guinness nicht werden...
Es geht ins Grüne ! In den riesigen Phoenix Park mit Rehwild, Polo-Feld, Wellington Monument, Dublin Zoo und Präsidentenpalast.
Ostersonntag 1979 hat Papst Johannes Paul II. eine open-air-Messe im Phoenix Park in Dublin gelesen. Mehr als 1 Mio. Menschen versammelten sich damals hier in diesem Park, um den Papst zu sehen (bei einer Gesamtbevölkerung ganz Irlands von ca. 3,5 Mio. damals), d.h. ein Drittel der Bevölkerung des gesamten Landes war hier, um den Papst zu sehen ! Es gab damals noch eine Besonderheit: Es war das erste und einzige Mal, dass ein Papst eine andere Airline benutzte, um an sein Ziel zu kommen, als Alitalia. Alle Päpste - seitdem sie denn überhaupt Flugzeuge benutzen - fliegen immer und ausschließlich mit Alitalia. Johannes Paul II. machte für Irland 1979 die Riesen-Ausnahme und flog mit der irischen Air Lingus. Und die machten wiederum eine Riesen-Ausnahme und kreisten vor der Landung einmal über dem Phoenix Park, bevor sie am Dubliner Flughafen landeten. Das ist echt Nischen-Wissen, das man eben nur aus den Kommentaren und Anekdoten Einheimischer erfährt, wenn man an Bord eines mit einem eloquenten Dubliner Rentner bestückten Sightseeing-Bus unterwegs ist. Gott, habe ich diese Tour durch Dublin genossen !!!
Ich sehe tatsächlich ein paar Rehe. Den Zoo erspare ich mir, aber aus dem Dublin Zoo stammt ein ganz berühmter Löwe: Der MGM-Löwe kommt tatsächlich aus Irland.
Sieht fast aus, wie das Weiße Haus in Washington, nur der Präsident ist nicht so schick, wie Kollege Obama. Ziemlich klein, Mr. Michael D. Higgins. Und auch echt nicht so schön und viel älter, hoffentlich aber auch weiser...
Ah, "floozie in the jaccuzzi". Nochmals wiederholt: Iren haben Humor ! Eigentlich ist das moderne Kunst, eine Frauenskulptur in einem kleinen Park-Teich, der auch einen kleinen Springbrunnen auf der Rückseite der Skulptur hat. Keine Ahnung, wie das Teil wirklich heißt oder von welchem Künstler es ist. Interessiert die meisten Dubliner bestimmt auch nicht und deswegen wird die Dame so genannt: Ich übersetze es mal ganz böse "Schlampe im Whirlpool".
Was könnte man sich in Dublin nicht noch alles angucken ? Irre viel. Museen, das ehemalige Gefängnis Kilmainham...
Die 123 m hohe Edelstahlnadel steht seit 2003 hier anstelle des von der IRA gesprengten Nelson Monumentes und ist ein Wahrzeichen der Stadt Dublin. Sie heißt "the spire" Die Spitze.
Nach Daniel O´Connell - der hier als Denkmal verewigt ist - ist der Prachtboulevard und gleichzeitig eine der breitesten Straßen ganz Europas benannt. Er war ein berühmter irischer Politiker des 19. Jahrhunderts.
Hier tobt das Nachtleben Dublins und davon werde ich unfreiwilligerweise diese Nacht etwas mitbekommen
Es ist später Nachmittag geworden, mir qualmen die Socken, ich kann nicht mehr laufen, habe Hunger und Durst und bin müde. Ich finde ein kleines italienisches Restaurant in Temple Bar und schnabuliere hervorragende Spaghetti Carbonara zu einem sehr günstigen Preis. Die gehören definitiv auf meine best-of-list, und zwar auf Platz 3. Zugegebenermaßen habe ich in letzter Zeit auch den Überblick auf die aktuelle Liste verloren... Ich glaube, meine Mutter rangiert aktuell auf Platz 2, denn die weiß mittlerweile, wie ich es mag. Platz 1 noch immer ungeschlagen "La bella Napoli in Phokhara, Nepal".
Ja, und es wird laut ! Musik und je später der Abend, desto mehr Gegröle von der Straße. Wer ein ruhiges Hotelzimmer haben möchte, sollte nicht in Temple Bar absteigen. Mich stört es eher weniger, ich schlafe trotzdem irgendwann ein. Aufstehen muss ich brutal früh um 04.00 Uhr morgens, mein Taxi ist für 04.30 Uhr bestellt.
Aufbruch: | 12.04.2014 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 26.04.2014 |
Lettland
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Niederlande
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Spanien
Irland