Chile und Argentinien 2014
Chiloe
Mittwoch 15.1.
Ich fahre morgens mit einem Kleinbus nach Puerto Montt; mein Plan ist, mit Lokalbussen mit Umsteigen nach Ancud zu kommen, um dort mehrere Stunden verbringen zu können bis mein regulärer Bus aus Puerto Varas dort ankommt und mich nach Castro bringt. In Puerto Montt fährt ein Bus nach Maullin: bis zur Abfahrt von der "Autobahn" dort sind es zwei Drittel des Weges zur Insel Chiloe. Ich lasse mich an der Haltestelle dort absetzen. Anders als erwartet fahren hier anscheinend keine Lokalbusse, aber immerhin kommen nach kurzer Zeit zwei Männer, die auch nach Chiloe wollen; nach einer dreiviertel Stunde Wartezeit hält zu meiner Überraschung ein Cruz-del-Sur Bus, der nach Ancud fährt. Die Busse halten überraschend oft und das System mit nicht reservierten Fahrten ist wohl, daß man für etwas weniger Geld einen Stehplatz bekommt.
Ich habe also Zeit, mir die Holzstabkirche in Ancud anzusehen. Diese Art Kirchen hier sind zur Hälfte Weltkulturerbe, obwohl sie natürlich nach 100 - 150 Jahren bzw. nach Bränden teilweise komplett erneuert werden mussten. Diese Kirche hier dient als Museum, hier sind viele alte Fensterrahmen, Kreuze und v. a. halboffene Modelle von vielen Kirchen der Insel zu sehen. Ich gehe noch zum Hafen und zum Stadtplatz, auf letzterem sind viele mythische Gestalten der Insel als Skulpturen dargestellt, mit einigen Sätzen zu ihrer jeweiligen Geschichte. Nebenan ist eine größere, relativ moderne Markthalle mit viel Textilien und Kunsthandwerk - man ahnt, daß hier übers Jahr relativ viel Touristen sind, wenn auch jetzt mittags fast keine zu sehen sind. In einem Café gewinne ich auch das Gefühl, daß ich mich hier durchaus ein paar Tage wohlfühlen könnte. Aber ich nehme den Bus weiter nach Castro, wo über eine kleinere Webseite eine Unterkunft gebucht habe - das wäre aber nicht nötig gewesen: hier gibt es keine klassische Hauptsaison, und ich hätte vor Ort auch günstige Zimmer bekommen, wenn die Preise im Internet auch höher als im Guide waren. So habe ich in einem Hostel gebucht, daß von der Küste und Innenstadt doch etwas abgelegen ist und suche erstmal an der falschen Stelle, weil es eine Unterkunft ähnlichen Namens gibt. Anschließend buche ich eine Bustour für den folgenden Tag zum Nordosten Chiloes. In der Touristeninfo blättere ich noch in Prospekten und lese über eine Tour in den Tautanca Nationalpark, die mich reizt. Ich esse in einem Restaurant mit Meeresblick und großer Karte: der Fisch, den ich bestelle, ist leider als eine Art Eintopf passiert, schmeckt aber gut. Erstmals hier wie später im Laufe dieser Reise stosse ich ein paar Mal auf wirklich tolle, meist pikante Soßen; auch der Wein ist gut.
Donnerstag 16.1.
Das Frühstück hier entspricht dem Durchschnitt - nur lässt sich die Dame des Hauses mit den Rühreiern soviel Zeit, daß ich schon vermute, sie hat sie vergessen und das Marmeladenbrot vorher esse. Außer dem älteren Paar arbeitet ein 27jähriger Angestellter hier, den ich eine Weile irrtümlich für den Sohn der beiden halte. Er frägt bei dem Veranstalter der Tour, die mich noch interessiert, für mich nach den Einzelheiten.
Die heutige Tour hat mehr Teilnehmer als erwartet, es fahren ein mittlerer und ein größerer Bus. Da aber an den jeweiligen Stops verschiedene Sachen zu besichtigen sind verteilt sich die Menge doch ganz gut. Zuerst machen wir in Dalcahue Halt, einem Städtchen mit knapp 5000 Einwohnern, Es gibt hier eine Mischung aus Lebensmittelmarkt und Restaurant, die recht modern wirkt, so etwas Ähnliches (weniger chic) hatte ich mal an der Nordsee gesehen, evtl. auch in Kanada. Es gibt einen größeren (Kunsthandwerker-)Markt in einem Zelt und viele kleinere Läden mit Souvenirs - ich kaufe dort einen Pullover - auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob er wirklich aus Vikunjahaaren ist (die meisten Chilenen benutzen die Begriffe Llama und Vikunja als Synonyme).
In Chiloe ist nur eine Nord-Süd-Verbindung geteert, auf dem Weg zum nächsten Ort wird die Piste zunehmend holpriger. Ich werde mir zum ersten Mal bewusst, daß ich erkältet bin und vermisse meine Medizin. Dazu kommt dann noch, daß ich vor der Bootsfahrt zur Insel Mechuque nicht an den Fahrtwind denke und mein Sweatshirt im Bus lasse - auf der Rückfahrt ziehe ich dann sogar eine Rettungsweste an um es etwas wärmer zu haben. Man sieht die Vulkane vom Festland in 50 - 60 km Entfernung. Unter den Touristen sprechen einige französisch, neben mir sitzt eine Argentinierin mit ihrem Sohn, die Englisch studiert hat und schon viel in Südamerika gereist ist. Sie kommt aus Buenos Aires: positive Berichte über die Bewohner dieser Stadt habe ich meist eher skeptisch betrachtet - die Stadt scheint mir einfach zu sehr Moloch, um für nette Menschen wohnlich zu sein - aber die beiden wirken angenehm.
Auf der Insel wohnen im Sommer etwa 500 Menschen, die Elektrizität liefern Generatoren; offensichtlich ist die Stromversorgung auch hier mittlerweile zentralisiert, leider mit dem üblichen hässlichen Gewirr von Überlandleitungen auf etwa 3 m Höhe.
Der berühmte chilotische Curantao wird zubereitet: auf Kohlen werden in Schichten Meeresfrüchte (viel Muscheln), verschiedene Kartoffelarten, Fleisch und Würste aufgelegt, getrennt von den großen Blättern eines regionalen Strauches.
Während das Essen gart ist Zeit, sich das Dorf näher anzusehen: erstmal fällt mir das Segelboot vor einem privaten Museum auf, es gibt hier tatsächlich eine internationale jährliche Regatta. Der Eigentümer des Hauses hat es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, hier sein rührend-chaotisches. Sammelsurium, v. a. von Gebrauchsgegenständen aus seiner Lebenszeit den Besuchern zu zeigen, so etwa fünf alte Nähmaschinen, ein etwa 50 Jahre altes Cassettenradio oder auch den Schrank, in dem er früher seine Kleider hängen hatte. Ein zweites Museum ein paar Häuser weiter ist kleiner und handelt mehr vom Meer, ist aber auch nicht wirklich systematisch. Beim Essen frage ich die Argentinierin nach Psychoanalytikern: tatsächlich wimmelt es in Buenos Aires auch in der Wirtschaftskrise noch von deren Praxen, auch bedingt durch die hohe Scheidungsrate, und immer noch seien es quasi ausschließlich Freudianer (wobei der Franzose Lacan auch sehr bekannt ist) - ohne Psychoanalysen hätte sie sich auch mehr/größere Reisen leisten können. Vor und nach dem Essen spielt eine Musiklehrerin aus Santiago Volkslieder, die hier zwei Tage die Woche unterrichtet und damit anscheind ihr Pendeln fianziert.
Nach der Besichtigung der Insel fahren wir mit dem Bus zu einem Wasserfall mit eiskaltem Wasser, zwei deutsche Mädchen schwimmen trotzdem kurz darin. Am Parkplatz des Wasserfalls ist ein Café, in dem es ein karpfenartiges Gebäck und Tee gibt.
In Castro esse ich dann in einer Rincon (soviel wie Eckkneipe) am Stadtplatz Fisch; wohl durch die zentrale Lage hebt sich das Lokal doch deutlich von einer durchschnittlichen Rincon ab, ist etwas größer und ich vermute Touristen werden vom Chef bedient; der Hecht ist tatsächlich gut, 1200 Peso für zwei Tassen Tee aber etwas viel (am Wasserfall kosteten die 500 Peso).
Freitag 17.1.
Die geplante Tour in den NP im Süden Chiloes klappt und ich stehe früher auf. Zum Frühstücken werde ich in die Küche eingeladen, mein Husten wird auch hier bemerkt und ich bekomme Paracetamol angeboten.
Die Fahrt dauert über drei Stunden, es ist also anders als erwartet keine Trekkingtour, was aber angesichts meiner Erkältung vermutlich auch ganz angebracht ist. Richtung Süden fahren wir zum Großteil auf einer geteerten Straße, hier wird überraschend viel Straße aufwendig neu angelegt; in Quellon, der südlichsten Stadt der Insel, endet der westliche Zweig der Panamericana, von hier geht es westlich auf einer Sandpiste weiter - wobei Piste eigentlich schon übertrieben ist: der Untergrund ist oft sehr locker und es geht immer wieder steil bergauf und bergab, der Jeep ist hier wirklich angemessen.Leute, die hier entlanggehen, sind dankbar, wenn sie auf der Ladefläche des Jeeps mitgenommen werden. Wir sehen Schwärme bunter Sittiche im Graben oder auf Bäumen sitzen. Zwei Rinder, die mit einem Joch geführt werden, erinnern an frühe Zeiten bzw. an weniger entwickelte Länder, auf dem Rückweg sehen wir tatsächlich welche Bäume aus dem Wald ziehen. Der Führer erzählt, die häufigsten Nutztiere auf Chiloe sind Schafe, dann Schweine und Rinder.
Nach dem Eingang des Naturparkes wird der Weg noch etwas rutschiger, bleibt aber breit und es geht noch ca. 50 min bis zu einem Infozentrum und Campingplatz.
Der Nationalpark beherbergt recht unterschiedliche Landschaften, der erste Weg, den wir gehen, führt durch eine unerwartete: vor 70 Jahren hat es hier gebrannt, und immer noch sind hier alle 20 bis 40 m Baumgerippe zu sehen, die teilweise 10 m in die Höhe ragen. Das bizarre Aussehen dieser Bäume wird verstärkt durch Löcher von 20 - 30 cm, durch die man hindurchsehen kann; merkwürdigerweise ist die neue Vegetation mit wenigen Ausnahmen niedriger geblieben, die spanisch-englische Begründung des Führers verstehe ich nicht - gut möglich, daß hier auch illegal Holz geschlagen wurde. Vor 20 Jahren hatte ein Amerikaner hier Land gekauft und wollte die Wälder abschlagen. Als er dafür keine Genehmigung bekam kaufte ihm der chilenische Milliardär und Politiker Pinèra das Land ab. Die Wege sind zu einem großen Teil mit Rundhölzern bzw. Latten überraschend gut ausgebaut, teilweise geht man auf moosigem (federndem) Untergrund. Es gibt hier außerordentlich große Pferdebremsen, die sehr beharrlich bzw. angriffslustig und damit lästig sind; ihre Stiche schmerzen nicht sehr, können sich aber öfter entzünden, wie der Führer sagt, deshalb sprüht er mich auch reichlich mit seinem Spray ein - größeren Abstand halten die Brummer deswegen aber nicht und mancher findet schließlich auch eine freie Stelle, in die er stechen kann. Es gibt auch größere seltene Tiere, die hier ihre letzte Zuflucht haben, sich aber leider nicht blicken lassen: wir entdecken weder den Darwin-Fuchs noch den Pudu-Hirsch. Die kleinste Hirsch-Art wäre aber tatsächlich vielleicht eine Enttäuschung gewesen, sie hat tatsächlich nur Pudel-Größe und wäre von Weitem kaum zu identifizieren gewesen. Höhepunkt des ersten Teils sind die Aussichten über den von Wald umgebenen See; dann geht es noch 20 min durch ein Feuchtgebiet, wo die Vegetation schon dichter ist. Wir essen am Bootssteg Lunchpakete, es gibt hier reichlich Boote für die Camper und der Führer holt Paddel. Wir fahren ein schönes Stück über den See; dann fahren wir ein Stück zu einem Wald mit großen Bäumen, richtig zauberwaldmäßig mit viel Flechten, der auch an einen zweiten See grenzt.
In Castro esse ich diesmal in einem einfachen Lokal, das nur tagsüber geöffnet hat, dort bekomme ich einen großen Teller Suppe und eine kleine Flasche Wein für zusammen 3000 Pesos.
In der Herberge sitze ich noch eine Weile in der Küche, wo die Eigentümer auf die typische Weise Mate trinken, indem sie immer ein wenig heißes Wasser nachschütten.
In einem Teil davon sieht man immer noch die Folgen eines Waldbrandes von vor 60 Jahren.
Im Naturpark ist ein Campingplatz mit einem See, dort paddle ich mit meinem Führer.
Im
Aufbruch: | 08.01.2014 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 12.02.2014 |
Argentinien
Großbritannien