Chile und Argentinien 2014

Reisezeit: Januar / Februar 2014  |  von Markus Blackmar

Ushuaia

Fr. 24.1.
Der Bus fährt wieder über Punta Delgada; nach der Überfahrt sind die Scheiben auf einer Seite verdreckt vom Wasser der Magellanstraße. Grob gesagt die östliche Hälfte von Feuerland gehört zu Argentinien. An der chilenischen Grenzkontrolle haben die Busfahrer die Idee, die Pässe einzusammeln und zusammen den Zöllnern vorzulegen - eigentlich müssen alle ihre eigenen Pässe abstempeln lassen. Hier prallen leider mehrere Sturköpfe aufeinander: drei Passagiere wollen ihre Pässe nicht abgeben, die Busfahrer wollen vom geplanten Prozedere nicht abweichen und dann schaltet sich die sture chilenische Polizei noch ein, schlägt sich auf die Seite ihrer Landsleute und lässt die "rebellischen" Passagiere schmoren - dadurch verzögert sich die Weiterfahrt um über eine Stunde. Zwischendurch fehlen dann auch noch Pässe - ob die Busfahrer schlicht überfordert waren oder es durch die Auseinandersetzungen erklärbar ist ist mir letztlich wurscht, die verspätete Ankunft ist einfach ärgerlich. Wobei der Ärger in Ushuaia noch andere Gründe haben wird: nicht nur daß an diesem Abend natürlich keine Fähre nach Puerto Williams mehr geht, am anderen Tag erfahre ich dann auch, daß man sich einen Tag vorher anmelden muß und an Sonntagen keine Fähre geht.
Zunächst muß ich also dringend eine Unterkunft in dieser Stadt suchen, die bekannt ist für knappe Unterkunftsmöglichkeiten in der Hauptsaison - ich gehe mit der Hoffnung auf die Suche, zumindest ein provisorisches Matratzenlager zu finden. Ich klappere ein paar Hostels ab und suche schließlich die Adresse eines anderen, welches mir als Möglichkeit genannt worden ist. Ich frage eine Einheimische, und der erste Kontakt ist positiv: die Verständigung ist zwar erstmal schwierig, aber sie ist sehr hilfsbereit und tatsächlich finde ich in dem Hostel ein Bett, wenn auch die Besitzerin erst eine Weile suchen muß - ich bin erleichtert. Als ich das Hostel betrete sitzen und stehen viele gleichaltrig junge Leute auf Möbeln um den zentralen Empfang, einer erzählt gleich von seinem deutschen Großvater, an den er sich erinnert. Etwa als die (argentinische) Herbergsmutter mich auf Hebräisch anspricht dämmert mir, daß außer mir alle Gäste Israelis sind, die gerade mit der Armee fertig geworden sind.

Das hängt mit dem niedrigen Preis der Herberge zusammen: nach dem Ende des Wehrdienstes wollen sehr Viele eine größere Reise machen und versuchen daher mit wenig Geld auszukommen - das Bett hier kostet nur etwa 7 Euro; am Rande bekomme ich dabei mit, daß die Währung in Argentinien gerade in einer Krise ist. Ein Gast spricht mich gleich auf deutsche Philosophen an, hat aber dann doch Anderes zu tun als sich mit mir darüber zu unterhalten. Die Küche ist sehr groß, aber nicht ansehnlich: in einem Spülbecken bilden Nudeln einen Bodensatz; in der Mitte steht ein großer, über 60 Jahre alter Gasherd - wenn man sich mit ihm nicht auskennt läuft man Gefahr, sich zu verbrennen - der schon sichtlich lange nicht gereinigt wurde und den ich auch für viel Geld nicht öffnen würde, er erinnert an eine verrufene Frittenbude. Ein Ultraorthodoxer mit Schläfenlocken und schwarzem Mantel läuft durch die Küche zum Ausgang und ich frage mich, ob ultraorthodoxe Juden "Vergnügungsreisen" machen dürfen oder ob die Erscheinung Show ist. Im Laufe des Abends unterhält sich noch eine größere Gruppe am Empfang und wie meistens tut es der Atmosphäre nicht sehr gut, wenn eine nationale Gruppe sich dermaßen sammelt - dazu kommt für mich noch die Empfindung, daß Hebräisch eine unangenehm klingende Sprache ist.

Sa 25.1.
Ich liege nicht nur abends eine Weile wach im Bett (das Zimmer ist direkt neben dem Empfang und das Stockbett knarzt etwas) sondern auch morgens: erstmal bin ich wohl nicht darauf gefasst, daß es schon vor fünf Uhr hell wird und dann macht Ushuaia seinem lauten Image alle Ehre: schon frühmorgens lassen die lokalen Halbstarken auf auffrisierten Zweirädern die Motoren auf den Straßen bergwärts aufjaulen. Außerdem fallen, die unbedingt Allen ihren Musikgeschmack aufdrängen wollen und mit geöffneten Scheiben fahren, auf Parkplätzen stehen auch Autos mit Touris, die offensichtlich ihre nächtliche Party noch nicht beendet haben. Ansonsten ist die Stadt noch sehr leer, immerhin hat um halb neun schon ein kleiner Laden offen, der Tortilla verkauft.
Am Hafen sagt man mir, daß um halb zehn ein Katamaran nach Puerto Williams fährt. Um die gleiche Zeit öffnen auch endlich die Kioske der Reisevermittler neben dem Hafen. Dort erzählt man mir dann erst von den merkwürdigen bürokratischen Bestimmungen für die Fahrt nach Chile. Ich bin sauer. Offensichtlich will man die Reise in den Süden schwermachen, um den verlogenen Slogan von Ushuaia als südlichem Ende der Welt etwas Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Noch dazu ist man im Touristenbüro nicht sehr hilfreich wegen der Zimmervermittlung; immerhin bekomme ich ein ganz schönes Zimmer mit Aussicht auf den Beagle - Kanal. Ich stelle mich auf die neue Lage ein und gehe in ein nettes französisches Café und sehe mir die Stadt an, die doch nicht soo häßlich ist.

Ich gehe ins ehemalige Gefängnis. Im 19. Jh hatte sie zuerst auf isla de los estados 20 km östlich von Feuerland ein Gefängnis für Schwerverbrecher gegründet, das dann nach Ushuaia verlegt wurde. Es sollte quasi nach australischem Vorbild dazu dienen, die Gegend zu kolonisieren; jetzt sind hier verschiedene Museen und Ausstellungen. Es gibt viele Schiffsmodelle, u. a. das des ersten in Feuerland gebauten Schiffes: es wurde zur Rettung von Passagieren eines verunglückten Schiffes gebaut und wegen der Enge darin erstickten einige mutmaßlich Gerettete. In einem Trakt des Sternbaus wird die Geschichte des Baus und der Gefangenen erzählt; die traurige argentinische Geschichte hat auch reichlich politische Gefangene bewerkstelligt, die dann hierher kamen - manche hatten das Glück, nur in die Verbannung außerhalb des Gefängnisses geschickt zu werden. Die Zellen waren mehrheitlich 1,80 m x 1,80m groß, die etwas größeren (2m x 2m) wurden dann zu Doppelzellen. Es gibt Kunstausstellungen mit Bildern und Pinguinen nach Art so vieler bemalter Symbolfiguren, durchaus auch kitschig. Dann sind natürlich auch Antarktis - Expeditionen dokumentiert, es gibt einen kleinere Ausstellung zu den verschiedenen Pinguinarten, und auch Fotos von Gefängnismuseen aus aller Welt fehlen nicht (dabei sind auch KZ's). In Ushuaia sehe ich mir noch ein Museum zur Geschichte der Indianer an; abends finde ich ein gutes Lokal mit Seehecht, das um 21 Uhr noch nicht voll ist (auch in Argentinien wird eher spät gegessen).

Ushuaia liegt am Beagle Kanal, südlich ist noch ein Stück Chile. Praktisch alle Antarktika - Kreuzfahrtschiffe machen hier Halt.

Ushuaia liegt am Beagle Kanal, südlich ist noch ein Stück Chile. Praktisch alle Antarktika - Kreuzfahrtschiffe machen hier Halt.

Wie nicht anders zu erwarten verrotten hier natürlich auch ein paar Boote.

Wie nicht anders zu erwarten verrotten hier natürlich auch ein paar Boote.

Es bleibt bis 22 h Uhr hell.

Es bleibt bis 22 h Uhr hell.

So 26.1.
Um halb neun werde ich vom Tourveranstalter abgeholt, vorher trage ich noch mein Gepäck zum Hostel um die Ecke - witzigerweise ist es hier noch näher zum Hotel als die beiden Unterkünfte in Punta Arenas. Die gruppe im Kleinbus ist wieder bunt gemischt: zwei aus England, zwei aus Argentinien, eine aus Uruguay und 3 aus USA (davon eine Italienerin); der Fahrer, die Führerin und ihr neuer Kollege kommen alle aus Buenos Aires.
Wir fahren 45 min zum See im Nationalpark, wo das südlichste Postamt steht, und wandern dann drei Stunden.

Wie so oft in Patagonien und Feuerland sieht man an den Bäumen die vorherrschende Windrichtung.

Wie so oft in Patagonien und Feuerland sieht man an den Bäumen die vorherrschende Windrichtung.

Bei einem Halt gibt es lecker Kokostrüffel mit Tee. Dann gibt es reichhaltiges Essen auf einem Campingplatz bevor wir zur Kanufahrt aufbrechen. Die andere Hälfte der Gruppe hat dabei größere Probleme, dreht sich oft und läuft auf Kiesbänken auf - witzig anzusehen; in einem wilderen Stück werden wir auch von der Strömung über Steine hinweggeschoben; das Ende ist der schwierigste Teil über den windigen Beagle - Kanal, der verlangt Kraft.

Danach erwarteten uns dann Füchse am Ende der Panamericana (Ruta 40).

Nachdem es morgens wieder stärker geregnet hat sind der Nachmittag und Abend sehr schön, ich genieße die Sonne. Das Hostel ist recht groß und hat mehrere Küchen, eine davon im Flur, auch hier sind wieder Israelis und Schweizer.
Da am anderen Morgen mein Bus nach El Calafate schon um fünf Uhr geht gehe ich früh zu Bett.

Mo 27.1.
Als ich morgens auf das Handy sehe ist es kurz vor halb sechs und ich könnte mich in den A... beissen: es ist mir jetzt zum zweiten Mal auf dieser Reise passiert, daß ich vergessen habe, den "fertig"-Button am Wecker zu drücken
zudem bin ich schon mal wachgeworden, als es vermutlich noch früh genug war, und hatte mich entschieden, nicht nach der Uhrzeit zu schauen
Ich stelle den Wecker auf eine spätere Zeit, aber ab etwa 6.00 Uhr meldet sich wie zum Hohn der Hahn, der wenige Meter neben meinem Fenster krähen muß (also iiich bin pünktlich aufgestanden). Ich stehe schließlich auf und suche auf dem Gäste-PC des Hostels nach einem Flug nach El Calafate, zumal die Zimmerreservierung dort ausgesprochen schwierig war. Ich buche schließlich auf einer deutschen Seite den letzten angezeigten freien Platz noch heute nach El Calafate.
Ich gehe dann nochmal ins französische Café und fahre um 11 Uhr zum Flughafen.

© Markus Blackmar, 2014
Du bist hier : Startseite Amerika Argentinien Ushuaia
Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Santiago de Chile ganz in den Süden nach Ushuaia und dann in den Norden nach Buenos Aires.
Details:
Aufbruch: 08.01.2014
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 12.02.2014
Reiseziele: Chile
Argentinien
Großbritannien
Der Autor
 
Markus Blackmar berichtet seit 10 Jahren auf umdiewelt.