Chile und Argentinien 2014
Cordoba
So. 2.2.
Morgens sehe ich, wie einer der beiden Busfahrer in einen anderen Bus steigt und sofort losfährt; offensichtlich steigt keiner zu: nach den Arbeitsbedingungen der Fahrer sind Proteste wohl tatsächlich gerechtfertigt.
Wir fahren schnurgerade Straßen, in deren Nähe kleine Ortschaften liegen, ich nehme erste Mais- und Sonnenblumenfelder wahr. Gauchos treiben in Staubwolken Rinder vor sich her.
Die Sonne wärmt die Frontscheibe schon früh auf, ich ziehe meinen Pulli aus und sehe einen leichteren Sonnenbrand an den Innenseiten der Arme. Wir kommen relativ pünktlich um 15 Uhr in Cordoba an, auf dem zentralen Platz von Nueva Cordoba befindet sich ein großer stilisierter Weihnachtsbaum, umstellt von riesigen Geschenkpaketen. Ich habe noch einmal Glück: die letzten Stunden hatte es stark geregnet, bei der Einfahrt in Cordoba hört es zu regnen auf.
Vom Busterminal nehme ich ein Taxi zum Hostel. Die Reservierung hat nicht geklappt, aber es gibt reichlich freie Betten, zu meiner Überraschung empfiehlt man mir ein günstigeres Bett im Schlafsaal statt eines Doppelzimmers. Ich bleibe auch der einzige zahlende Gast im 8-Bett-Zimmer. Nach dem Duschen bekomme ich einen kleinen Stadtplan: das Hostel und die Leute wirken nett und hilfsbereit, teilweise ist es aber auch nervig und heruntergekommen; es gibt eine Waschmaschine mit Waschmittel, aber der Trockner darüber dreht ohne zu trocknen - ein "defekt" - Hinweis fehlt, am Gasherd sind viele Kochstellen kaputt und es fehlen Zündhölzer bzw. Feuerzeug, zwei PC's für Gäste verstauben defekt am Empfang. Auch die Relation von Gästen zu Nicht-Gästen irritiert mich: ich weiß öfter nicht, ob ich es mit einem Gast, einem hier arbeitenden Studenten oder Praktikanten zu tun habe.
Sonntags ist Cordoba sehr ruhig: sogar der Kiosk, der Busfahrkarten verkauft, hat geschlossen. Ich gehe durch die Fußgängerzone zur Plaza Espana, davor steht von einem Garten umgeben ein Kunstmuseum im Haus eines Stadtgründers. Es ist das erste Mal, daß ich einen Audioguide als App über Wlan hören kann - Soundcloud war mir noch unbekannt. Die Räume sind auch in Englisch beschrieben, die Kunstwerke überwiegend nur spanisch; es geht öfter von Cordobas Geschichte zu modernerer Kunst und wieder zurück.
Ich kaufe hier eine Wertkarte in einem Kiosk, hier heißen die Stadtbusse collectivos - so wie in kleineren chilenischen Städten die Sammeltaxis. Auch hier gibt es fast nur Einbahnstraßen, wobei bei vier Spuren zwei mehr oder weniger für Taxis und Busse reserviert sind. So sehe ich oft zehn und mehr Taxis hintereinander an einer Ampel stehen. Im Laufe des Tages machen Autos und Busse 15 - 25 % des Verkehrs aus, nachts weniger. Negativ fallen v. a. Kleinlaster auf: etwa ein Viertel von ihnen fährt mit kaputtem Auspuff, sie und ein Teil der Busse machen einen großen Teil der Abgase aus.
Ich komme am paseo de buen pastor (Weg des guten Priesters vorbei, wo ein größeres Kulturzentrum steht. Das Kulturzentrum ist sechs Jahre alt; wie ich später lese stand hier vorher mitten in der Stadt ein Frauengefängnis. Neben dem Kulturzentrum ist eine Kirche, bei der bewusst eine Turmspitze weggelassen wurde, um die menschliche Unvollkommenheit zu symbolisieren. Dort wird gerade gepredigt, die Kirchentüren sind offen und der Priester geht lebhaft im Altarraum umher. Hier sind die Menschen inklusive der Jugendlichen laut einer Führerin noch/wieder überraschend religiös und hören sich bei voller Kirche draußen über Lautsprecher zumindest die Predigt an. Wirklich voll sind die Bänke aber nicht, vielleicht wollen die außen und an der Seite Stehenden einfach "etwas Segen mitnehmen". Das sogenannte Kulturzentrum dient vor allem dem Konsum, um eine säkularisierte Kapelle (die ich von außen erstmal gar nicht erkenne) herum ist ein Komplex mit schicken Läden, Cafés/Bars und einem teuren Restaurant errichtet worden; als Tribut an die Bezeichnung stehen auch außen einige Skulpturen. Zu einem kommunalen Treffpunkt wird der Ort v. a. Durch die großen Wasserbecken, um die sich mehrheitlich junge Leute versammeln. Mehrmals die Stunde laufen hier auf Musikstücke abgestimmte Wasserspiele, hier haben sie sich nicht lumpen lassen.
Die Straße, die mir im Hostel wegen dem Kunsthandwerkermarkt markiert wurde, ist ca. 250 m lang, zuerst komme ich an Popcorn und Süßwarenständen vorbei, Einige packen schon ein - ich hatte mehr erwartet. Aber am Ende der Straße sehe ich dann, daß es um die Ecke weitergeht, am Kanal entlang und über Seitenstraßen und Plätze. Der Markt findet jedes Wochenende statt, verkauft werden Bilder aller Art (je nach Material), Mate-Behälter (Mate wird auch hier von vielen getrunken), Pfeifen, Keramikartikel, Taschen, Musik - natürlich auch Tand wie es ihn in deutschen Nanu-Nanas gibt, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß hier kaum auf ausländische Touristen geschielt wird, auch wenn ich im Gedränge französische, englische und deutsche Wörter höre. Auch die Lokale am Markt wirken sehr anziehend, ich setze mich auf die Dachterasse eines alten Gebäudes, trinke Wein und esse etwas.
Ich gehe am Wasserlauf entlang Richtung Hostel und höre Musik von einem erleuchteten Platz jenseits des Zentrums. Eine Frau mit Band singt die überwiegend spanische Version eines Songs, den ich eher unter Disco als Latin einordnen würde, aber es wird ausgesprochen lateinamerikanisch dazu getanzt (v. a. von den Frauen).
Mo. 3.2.
Von nun an habe ich kein Wetterglück mehr, es regnet in Cordoba reichlich. Ich gehe zur nächsten Parallelstraße San Martin, als diese vor 10 Jahren zur Fußgängerzone umgebaut wurde stieß man auf eine unterirdische Kapelle - aber die hat nur zu kulturellen Veranstaltungen geöffnet.
Mir fallen außerodentlich viele Einkaufspassagen auf, in Deutschland wurden die ja irgendwann den Immobiliengesellschaften zu teuer. Aber auch sonst, sogar in größeren Einkaufszentren, sind die Geschäfte fast nur im Erdgeschoß, darüber sind dann Studios, Büros und Praxen; ich frage mich, wie teuer hier ein Solarium sein muß, um sich halten zu können.
Ich gehe in die Kathedrale an der zentralen Plaza San Martin, in der zu meiner Überraschung meditative Musik von Panflöten bis elektronisch aus den Lautsprechern strömt. Im übernächsten Häuserblock (die Einheimischen sprechen witzigerweise wie in Mannheim von Quadraten) steht ein Weltkulturerbe: der Ursprung der 1613 von Jesuiten gegründeten Universität. In der Straße zwischen alter und neuer Universität stehen teilweise riesige Bäume.
Ich gehe erstmal zum städtischen Museum, untergebracht in einem frühem Palacio, eingerichtet mit Sachen aus dem 17. bis 19. Jh. Im Hof ist eine Hütte, in der Sklaven untergebracht waren. Nur sehr langsam verbesserten sich ihre Lebensbedingungen, Mitte des 19. Jh. wurde die Sklaverei abgeschafft. Im Herrenhaus geht es um ganz andere Dinge wie um riesigen Haarschmuck oder um den Fortschritt durch Eisenbetten, weil sich hier weniger Wanzen halten konnten.
Es regnet schon wieder in Strömen, und ich sehe mir ein Bank-/Münzmuseum in der Nähe an, hier ist v. a. eine Schalterhalle in alter Pracht erhalten, es hat auch eine der vermutlich edelsten öffentlichen Toiletten des Landes .
Ich gehe zur im Touristen-Stadtplan verzeichneten Synagoge, die aber geschlossen hat. Als ich sie von außen fotografiere spricht mich sogar ein Polizist an, daß dies verboten sei und ich das Bild löschen soll. Im Tourismusbüro ist man nicht besonders fit - man nennt mir schließlich zwar die Telefonnummer eines Ansprechpartners der Jüdischen Gemeinde, sie haben aber offenbar keine Ahnung, wieviel Juden hier etwa leben.
Abends gehe ich wieder zum Kulturzentrum: die Wasserspiele laufen heute erstmal zu Pop statt Mozart - USAid und Queen, dann wieder Klassik.
Di. 4.2.
Ich fahre mit dem Stadtbus zum Omnibusterminal. Ich hatte mich im Hostel informiert, trotzdem ist die schiere Menge von Bussen ganz schön verwirrend, in manchen Minuten fahren 7 - 8 Busse an mir vorbei. Es gibt unzählige Busstops, die jeweils versetzt sind, manchmal sehe ich an Laternen- oder sonstigen Pfählen Busnummern, manchmal nicht, die Busse halten auch nicht zwingend an den für sie vorgesehenen Stellen, Linienpläne haben ausgesprochenen Seltenheitswert, an einer Haltebucht ist kurioserweise sogar eine elektronische Anzeige, wann die Busse - aber eben nur dieser Bucht - ankommen; immerhin sind die Leute recht hilfsbereit.
Der Bus nach Alta Gracia fährt alle 10 Minuten, für die kurze Strecke werden nicht gebundene Tickets verkauft. Insofern wundert es mich, daß am Ende die Schlange leer (die Leute stehen fast so diszipliniert wie Briten an) und der Bus voll besetzt ist. Die Fahrt dauert 50 min, Alta Gracia hat mittlerweile auch 50000 Einwohner mit vielen Haltestellen, ich steige am letzten Halt aus; während der Busfahrt hatte ich einen Wegweiser zum Che Guevara-Museum gesehen. Ich komme zuerst an großen Hotels vorbei - der Ort hat sich im 19. Jh zum Frischluft-/Kurort entwickelt, schließlich bin ich mir nicht mehr sicher und frage eine Passantin. Die junge Frau, die ein paar Brocken Englisch spricht, lebt zwar hier, ist sich aber nicht ganz sicher und geht schließlich mit mir den Weg fast bis zum Museum bevor sie umkehrt.
Hierher sind die Eltern des schwer asthmakranken Ernesto wegen des trockenen Klimas gezogen. Mit Beginn des Medizinstudiums erwachte sein Interesse an den verschiedenen Kulturen des Kontinents und an der Philosophie, er machte seine berühmten Reisen: die erste größere Reise war mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor, danach dann die im Beiwagen mit seinem Freund mit Motorrad. Nach seiner Zeit in Kuba ist er schließlich in Afrika und Bolivien gescheitert und dort in Gefangenschaft erschossen worden.
In einem Bungalow im Garten ist der Museumsshop - ohne Personal, und ich frage mich kurz, ob sich hier das antikapitalistische Erbe des Commandante zeigt.
Der Weg zum Stadtzentrum ist dann recht einfach, hier ist die Jesuiten - Estáncia aus dem 17. Jh, gegründet als Missionsposten und um den Wohlstand des Ordens zu vermehren, diese Niederlassungen hatten eine größere Autonomie und gehörten quasi zum Jesuitenstaat des 17. und 18. Jh. Je nach Quelle unterscheiden sich die Beschreibungen: teilweise wird es als autoritäres Patriarchat dargestellt, aber vermutlich wurde hier auch das übliche Verhalten gegenüber Indios und Schwarzen hinterfragt: bei den Jesuiten (die die Farm ja nur leiteten) hatten Schwarze und v.a. Indios wohl mehr Rechte als bei den gemeinen Landräubern, dies war wohl auch ein Grund für das Verbot des Ordens in Südamerika. Der Hof ist schön anzusehen, die Ausstellung ist mir allerdings kaum in Erinnerung geblieben. Nach der Pizza zu Mittag hat die Kirche der Estancia schon geschlossen, nach den Bildern von innen habe ich da aber nichts versäumt.
Zurück in Cordoba sehe ich mir ein kleines Museum für moderne Kunst an: es ist von vielbefahrenen Straßen umgeben und ohne Klimaanlage, daher sind die Fenster geöffnet; damit ist es eines der lautesten Museen, die ich kenne (abgesehen von solchen mit blödsinnig lauten Videoinstallationen). Die Ausstellung an sich ist interessant, mit relativ vielen Skulpturen (was mir bei abstrakter Kunst besser gefällt als Bilder). Kurz nachdem ich das Museum verlassen habe regnet es wieder, rasch wird es zu einem ausgedehnten Wolkenbruch.
Schließlich nehme ich an einer Führung im Jesuitenkolleg teil. Die Führerin erzählt von der für alle offenen Universität von Cordoba; aber auch von der Verleugnung der argentinischen Geschichte: vor 30 Jahren wurde den Kindern beigebracht, daß Schwarze und Indianer irgendwann aus Argentinien verschwunden seien und sie alle aus Spanien kämen - was sie nicht damit unter einem Hut bringen konnte, daß ihre Großmutter die indigene Sprache Quechua sprach; nach neueren Untersuchungen wurden zu 30 % nichteuopäische Gene in den Einwohnern gefunden. Nachdem die Jesuiten vertrieben wurden, wurde die Uni von Franziskanern weitergeführt. Stolz ist die Uni auch auf ihre umfangreiche historische Bibliothek, die allmählich digitalisiert wird.
Ich wundere mich über manche Geschäfte hier: so gibt es einen Laden für deutsche Möbel und offensichtlich eine Ladenkette "Schuhe und Café", und ich wundere mich, wie viel es regnet... nur wenige Leute benutzen einen Regenschirm, obwohl bei jedem Regen fliegende Händler diese anbieten. Tatsächlich ist ein Problem, daß durch die Kombination von Wind und Regen bzw. durch das Wasser, daß so schnell nicht ablaufen kann und öfter größere Pfützen bildet, fast immer die Hosen und Füße nass werden. Irgendwie schauen die Leute wohl auch gerne in den Regen, wenn ich mir die vielen Menschen unter den Hausvorsprüngen ansehe. Die Läden kommen mir leerer als sonst vor und auch an der Kathedrale sammeln sich die Leute vor dem Kirchentor und nicht etwa drinnen. Noch mehr überrascht mich ein vollkommen leeres Museum bzw. Kulturzentrum (ich sehe nicht mal Aufsichtspersonal) nahe dem Stadtplatz. Laut dem Namen des Museums ist es für Kunst von Frauen, aber auf einem Gruppenfoto sind offensichtlich auch männliche Künstler. Mit der Renovierung des edlen Hauses ist man aber entweder noch nicht fertig (wobei dann die Reihenfolge falsch war) oder man hat an der falschen Seite gespart: das Regenwasser dringt an mehreren Stellen ein, in einem Raum auf der Straßenseite liegen über den anscheinend neuem Boden als Tritthilfen zusätzliche Bodenplatten, die auf dem Wasser schwimmen(!). Um den Hinterhof scheinen Ateliers zu liegen, evtl. unterliegen dann auch die Ausstellungsräume der Verwaltung der Künstler.
Während es weiter regnet trinke ich in einem Café einen Tee mit Milch, dazu bekomme ich ein Kännchen heiße Milch. Der Service ist in Argentinien sehr unterschiedlich, was nur begrenzt an äußeren Merkmalen zu erahnen ist und auch nur teilweise mit den Preisen korrespondiert.
Ich gehe noch in die Ausstellung des Kulturzentrums General Paz, die mir gut gefällt - Bilder mit Schraffierungen, manche auch etwas kitschig mit Sepiaeffekten und knallbunten Farben im Vordergrund, in eher verspielt-anachronistischen Räumen.
5.2. Verwunderliches
Mein letzter Tag in Cordoba, deshalb nochmal was zum Hostel: in meinem Zimmer war noch Einer, der wohl am gleichen Tag wie ich hierhergekommen ist; er studiert Jura und macht hier ein Praktikum (?), wie er sagt. Ich sehe ihn öfter über seinen Studienunterlagen sitzen, manchmal bekommt er auch eine Aufgabe hier zugeteilt; die Nacht verbringt er teilweise im Hof, teilweise im Bett. Direkt über meinem Bett hängt eine Klimaanlage - ich vermutete, daß sie nicht funktioniert, zumal der Handy - Akku an dieser Steckdose nicht aufgeladen hatte. Irgendwann mitten in der Nacht hat der Junge die Klimaanlage eingesteckt und bis zum Anschlag aufgedreht und dazu noch das Fenster aufgerissen, während oder kurz bevor es kräftig gewitterte. Ich bemerke die Kälte im Schlaf irgendwie und versuche sie zunächst zu ignorieren, schließlich wache ich vor Kälte zitternd auf. Ich bin wütend und überlege, den Jungen anzuschreien, lasse es aberdann doch. Zum Glück erkälte ich mich nicht nochmal, kurz nachdem ich von einer Erkältung, an der eine Klimaanlage großen Anteil hatte, genesen bin.
Ich frühstücke im Café an der Plaza San Martin, hier trinken viele aus den Büros der Umgebung ihren Kaffee, besser ist es deswegen aber nicht unbedingt, die Toilette ist mal wieder eine Enttäuschung: eine Treppe führt ins Obergeschoß, das nur aus der beiden winzigen Toiletten und einem Waschbecken davor besteht, auf dem Herren-WC ist der Wasserkasten defekt. Ich frage am Tresen sitzend nach den Schlangen vor den Bankautomaten; ich hoffe, daß es nur daran liegt, daß das Gehalt auf dem Konto angekommen ist und sich nicht etwa ein krisenbedingter Bankrun abspielt. Man kann oder will meine Frage aber nicht beantworten.
Eine Straße weiter ist eine Agentur, die Tickets aller Art verkauft (stand im Reiseführer), zum gleichen Preis wie der Busbetreiber. Die Verkäuferin kann meinen großen Schein nicht wechseln (was öfter mal vorkommt) und ich sage, daß mein Kleingeld nicht ganz reicht, etwa 15 Peso (etwas über 1 Euro) fehlen. Sie fordert mich auf, es ihr zu geben, druckt mein Ticket aus und nimmt mein Geld, ohne es zu zählen - ich bin sprachlos.
Das nahe Museo San Alberto steht direkt neben dem Jesuitenblock und gehört zum Konvent der barfüßigen Karmeliterinnen, laut Anschlag sind vormittags Führungen. Als ich klingele öffnet eine Nonne ein Gucktürchen und als ich nach einer Führung frage kommt nach kurzer Zeit eine junge Frau und lässt mich herein. Zu meiner Überraschung arbeitet diese nach ihren Angaben nicht für das Kloster sondern für die Stadt. Sie spricht praktisch kein Englisch, erklärt aber sehr langsam und lässt mir viel Zeit für Fragen - hier merke ich mal, daß ich doch zuletzt etwas mehr Spanisch gelernt habe.
Die Karmeliterinnen leiten hier schon lange eine (Internats)Schule: anfangs zu einem großen Teil für Waisen, jetzt v. a. aus schwierigen Verhältnissen: wenn die Eltern sie nicht mehr erziehen können oder wollen/die Kinder schon Probleme mit der Polizei hatten... Früher hatten das Kloster größere Einnahmen durch die Familien der Novizen, die für die Aufnahme ihrer Töchter wohl durch Geschenke bezahlen mussten - heute werden sie froh sein, daß sie überhaupt geenügend Nachwuchs bekommen, Geschenke wurden verkauft, es gibt aber z. B. noch eine Musikwalze aus dem frühen 18. Jh. Ich bekomme auch die Gruft zu sehen, die einfachen Nonnen wurden hier viele Jahrzehnte in einer Grube übereinandergelegt. In der Kapelle sieht man einen Hügel, der die Bodenplatten hochdrückt: bevor der Bach von Cordoba kanalisiert wurde floss er unterirdisch und suchte sich immer wieder mal einen neuen Weg. Die ältesten erhaltenen (Keller)räume beherbergten die Druckerei der Universität, dazu gehörte auch ein spezielles Belüftungssystem.
Es gibt noch ein großes Museum für moderne Kunst in Cordoba, in einem architektonisch auffallenden modernen Gebäude. Von einem niederländischen Maler sind Bilder zu "Alice im Wunderland" zu sehen. Neu für mich sind bewegliche Konstruktionen aus rohem Holz und PC-Bauteilen, die durch Zeitschalter bzw. Bewegungsmelder starten und recht laut sein können. Unter den Werken sammelt sich Rinde von Ästen bzw. Sägemehl. Ein Saal ist Gewinnern eines bestimmten Preises gewidmet, das einzige Video hier verstärkt mal wieder meine Ablehnung dieser Kunstform: in dem Clip wiederholt eine Frau ausschließlich laut redend bis schreiend die Titelzeile eines populären chilenischen Liedes - die Produktion kommt mir infantiler wie der blöde Junge in dem Bus nach Cordoba vor, dazu ist der Monitor in keinster Weise abgeschirmt und das Geschrei hört man in zwei Sälen. Im Museumscafé esse ich meine bisher beste Forelle in angenehmer Atmosphäre, dazu läuft Musik von Yann Thiersen.
An der angrenzenden Plaza Espana stadtauswärts ist der große Stadtpark, mit einem Fluß, großen Bäumen und schönen Enten. Ich sehe, wie der Himmel dunkel wird - langsam wird mein Gefühl für die Wetterumschwünge hier besser und tatsächlich hellt es nochmal auf, ich verabschiede mich langsam von Cordoba.
Die Situation am Busterminal ist verwirrend: es stehen 10 - 20 Busse in den Haltebuchten, davon fährt etwa ein Drittel (verschiedene Busgesellschaften und verschiedene Klassen) nach Buenos Aires, die Busse können sich jeweils in ihrem Drittel eine von 10 Haltebuchten aussuchen, es gibt keine Busnummern. 10 Minuten vor meiner Abfahrtszeit hält ein Bus vor mir, der nicht im Ticketverkauf auftauchte, mein Bus kommt mal wieder als Einer der wenigen zu spät (5 Minuten). Um 22.30 h sitze ich schließlich im Bus, für die Nachtfahrt habe ich mir eine bequeme Klasse mit weit nach hinten gehender Rückenlehne und dickem Polster ausgesucht (nur die Beinpolster sind verbesserungswürdig); schon nach 15 min geht das Licht aus. Leider fühlt sich offensichtlich ein dummdreistes jugendliches Pärchen hinten im Bus dadurch bevormundet und spielt aus Trotz überlaute Handyspiele; dank meiner Ohrstöpsel schlafe ich ein.
Aufbruch: | 08.01.2014 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 12.02.2014 |
Argentinien
Großbritannien