Bule on tour durch Indonesiens Inselwelt

Reisezeit: Juni / Juli 2015  |  von Julia S

Java: Solo in Solo

Solo (Surakarta), 19.7. bis 23.7.2015
Endlich komme ich mal dazu ein „neues“ Fortbewegungsmittel in Indonesien auszuprobieren. Der Zug wirkt ziemlich europäisch – ein wenig wehmütig denke ich an meine geliebte indische Sleeper-Class zurück. Leider tobt im Zug nicht das pralle Leben, es geht sehr geordnet zu, alle 15 Minuten kommen bis an die Zähne bewaffnete Soldaten durch den Waggon, schauen böse und grüßen mich dann freundlich mit der Frage, aus welchem Land ich denn käme. Bei meiner Antwort „Germany“ fällt 95% der Indonesier „Bayern München“ und „Borussia Dortmund“ ein. Wie praktisch, dass ich dann immer punkten kann, wenn ich sage, dass ich aus der Nachbarstadt Dortmunds komme.

Nach vier Stunden erreiche ich mein Ziel und lasse mich samt Gepäck auf ein Becak verfrachten. Der arme Fahrer! Da die Beschreibung im Reiseführer so verlockend klang (zurecht, wie sich schnell herausstellte), lasse ich mich zum Cakra Homestay im Batik Bezirk bringen. In einer zunächst sehr unspektakulär wirkenden Straße setzt mich der Fahrer vor einem Tor ab. Freundlicherweise öffnet ein Mitarbeiter des Homestays und bietet mir einen Raum für 125.000 Rs / Nacht an. Ein guter Preis. Ich will mir den Raum zunächst ansehen – no problem! Raum ist ok, der Haken an der Sache ist das Gemeinschaftsbad. Morgen könne ich aber in einen Raum mit private bathroom wechseln. Darauf kann ich mich einlassen, ich habe auch keine Lust, mit meiner Erkältung durch die Stadt zu laufen und ein Zimmer zu suchen. Wirklich überzeugend ist aber auch das wunderschöne Anwesen des Homestays. Ca. 200 Jahre alt sind die Gebäude, der Innenhof ist phantastisch gepflegt und bepflanzt, der Besitzer ist leidenschaftlicher Antiquitätensammler und der Pool lädt auch zum Bleiben ein. Die Zimmer sollen im nächsten Jahr renoviert werden. Sie sind sauber, aber ein wenig alt!

Ich pflege mich, suche noch ein kleines Streetfood-Abendessen, halte einen Plausch mit Ferdian, dem Homestaybesitzer und gehe früh zu Bett.

Am nächsten Morgen bin ich einigermaßen wiederhergestellt und „stürme“ den Pesar Klewer, DEN Batikbasar Ost- und Zentraljavas. Hier gibt es alles an Kleidung und Stoffen, was man sich vorstellen kann mit den traditionellen Batik-Druck-Mustern. Nach einem kleinen Kaufrausch (hält sich aber alles in Grenzen) inklusive Feilsch-Training steuere ich den örtlichen Obst-und Gemüsemarkt (Pesar Gedhe) an. Hier bieten sich hübsche Fotomotive, die Fleischabteilung klemme ich mir, ist doch schon der Weg dorthin eine olfaktorische Überforderung.

Solo ist bekannt für seine freundlichen Einwohner und zeigt mir das in eindrucksvoller Weise: Als ich die Straße nach meinen Marktbesuchen entlangschlendere, hält neben mir eine Frau auf dem Motorrad und fragt mich, ob ich mich verlaufen habe. Nachdem ich das verneine und innerlich schon gefasst auf den üblichen Fragenkatalog bin, überrascht sie mich völlig mit der Anfrage, ob ich Lust und Zeit auf ein gemeinsames Mittagessen hätte, sie fände es so langweilig, alleine zu essen. Ich höre auf mein Bauchgefühl, das gibt grünes Licht und kurzerhand besteige ich als Sozia das Motorrad und wir steuern einen Warung (indonesisches Restaurant) an. Wir essen Nasi Liwet – in Kokosmilch gekochter Reis – und weil in Indonesien ja fast nichts ohne Fleisch geht, gibt es dazu natürlich Ayam (Hühnchen). Lecker! Lydia spricht ziemlich gut Englisch und wir unterhalten uns geschlagene zwei Stunden lang über ihre Tochter, unsere Berufe (sie ist Lehrerin), Religion und Politik. Wie nett doch so eine spontane Begegnung sein kann.

Nach einer Siesta am Pool erlaufe ich noch ein wenig das Viertel um den Homestay, das von kleinen und kleinsten Gässchen geprägt ist und wenig touristisch wirkt. Hier gefällt es mir gut. Abends gehe ich mit Ferdian und der Familie seiner Schwester zum Fort Vastenburg, wo es ein dreitägiges Ramayana-Festival (traditionelles javanisches Theater mit Gesang und Tanz) gibt. Hier herrscht ausgelassene Volksfest-Atmosphäre, die Mischung aus Gamelan-Musik (modernisiert durch den Einsatz von Saxophonen), musical-opermäßigen Gesang und großer Lautstärke ist eine durchaus beeindruckende Erfahrung, die Kostüme samt toller Schminke gepaart mit anmutigen Bewegungen sind hinreißend und wirklich sehenswert.

Ich kann mir Solo gut erlaufen, auch wenn das mal wieder zu völligem Unverständnis bei Ferdian und seiner Mannschaft führt. Ich gehe zum Batikmuseum (interessant) zum Wayang Orang Theater, genieße die entspannte Stimmung, die hier in Solo herrscht und biete eine kleine Comedy-Einlage, indem ich mich tierisch vor einem (angeketteten wie ich auf den zweiten Blick feststellte) Affen, der ungefähr Herr-Nilsson-Format hatte, erschrecke und einen Riesensatz mache und auch noch einen kleinen Sturz drehe. Nachdem ungefähr 15 Indonesier hilfsbereit herbeigestürzt kommen und dann feststellen, dass mir nichts passiert ist, lachen wir gemeinsam herzlich über meinen unfreiwilligen Stunt. Der Affe ist übrigens auch mit dem Schrecken davongekommen.
Nach der Siesta am Pool – Backpacker-Alltag eben – breche ich mit einer Schweizerin und zwei Franzosen zum Abendessen und Ramayana-Konzert auf. Es wird ein netter Abend, der damit endet, dass ich mit Ronald, dem Kumpel von Ferdian, eine Motorradtour für den nächsten Tag ausmache und spontan noch eine Nacht in Solo verlängere. Eine sehr gute Entscheidung!

Am nächsten Morgen geht es um 9 Uhr los. Ron steht mit seiner Honda und einem viel zu großen Helm bereit. Ist ja nicht schlimm, Helme macht man sowieso auch nicht zu, dann müssen sie auch nicht gut sitzen. Ein bisschen Vertrauen ist da einfach nötig. Ca. 90 Minuten fahren wir: zunächst noch durch die Ebene, dann geht es in die nebelige Sommerfrische der umliegenden Berge. Wir klettern mit der Maschine auf 1490 m / NN. Die Kurven und steilen Abschnitte sind nicht von schlechten Eltern! Ron erweist sich als guter, flotter, vorsichtiger Fahrer. Außerdem spricht er sehr gut Englisch und hat zu vielen Themen eine individuelle Meinung, was unsere Unterhaltung differenzierter als den üblichen Smalltalk werden lässt. Wir besichtigen zwei hinduistische Tempelanlagen aus dem 15. Jahrhundert. Der javanische Hinduismus unterscheidet sich in der künstlerischen Darstellung ziemlich vom indischen, die wichtigsten Protagonisten (Hanuman, Ganesha, Krishna und Co.) kann ich aber identifizieren. Sehr ansprechend finde ich die Umgebung, die von Teeplantagen (irre) und Gemüseanbau geprägt ist. Mitten in den Teeplantagen trinken wir – natürlich – Tee (Fassungslosigkeit bei den Indonesiern wenn ich „tidak gula“, ohne Zucker, bestelle). Super zum Wärmen, es ist doch reichlich frisch, wenn man von 35 Grad in Solo auf ca. 20 Grad in den Bergen switchen muss. Unser nächstes Ziel ist ein Wasserfall. Schon der Parkplatz verspricht Besucher in Hülle und Fülle, schließlich muss man die letzten Tage der Ramadhan-Ferien familientechnisch nutzen. Ich bin die einzige „bule“ (Weiße), bin begehrtes Fotomotiv, gerne auch mit der ganzen Familie („Misterrrr, can you take picture with us?!“ … die Ansprache „Misterrrr“ hat wohl nichts mit burschikosem Aussehen meinerseits zu tun, es ist einfach die Vokabel, die man als Indonesier mit basics in Englisch besser kann.). Der Wasserfall ist schön, wir schauen dem Trubel eine Weile zu, machen auch die obligatorischen Touri-Fotos und lassen uns dann inmitten hunderter indonesischer Familien zum Mittagessen an einem Warung neben dem Wasserfall nieder. Ich kann zwischen Kaninchen- oder Hühnchen-Saté wählen. Dazu gibt es Reis und Gemüse. Es schmeckt super! Mit dem Motorrad geht es zurück nach Solo. Ron entführt mich noch in einen Park in Solo, wo ein wenig Damwild herumläuft, das sich brav streicheln lässt. Auch hier absolviere ich wieder einige Fototermine, dann geht es zum Hotel. Der Pool ruft. Wir verabreden uns für den Abend mit Ferdian auf ein Bier und zum Tanzen.

Um 21 Uhr startet die Sause! Mit Ferdians Auto kutschieren wir zu einer Bar mit Live-Musik, die alles draufhat, was man zu einer Party braucht. Natürlich kann man als Gast der Bar Wünsche äußern UND live singen. Wunderbar, dass Ron nach einem deutschen Song fragt und die Band „99 Luftballons“ hervorzaubert. Ratet mal, wer singen musste. 20 Sekunden lang war mir die Chose SEHR peinlich, dann habe ich mich darauf eingelassen und fand es einfach nur oberwitzig. Ich hoffe, dass Ferdian das Video mal sendet. Bis zum frühen Morgen wird gefeiert und es ist ein wirklich schönes Erlebnis! Das macht den nahenden Abschied von Solo nicht einfacher.
Trotzdem kümmere ich mich mit Ron um die Weiterreise nach Yogya, vor allem aber um die Weiterreise nach Jakarta, die sich mehr als kompliziert gestaltet, weil am Wochenende die Ferien enden und gefühlt alle Indonesier Richtung Jakarta müssen. Naja, meine lokalen Kontakte sind ja jetzt gut, irgendetwas bekommen wir schon hin!

Bis zum nächsten Bericht aus Yogya! Julia / Jule / Juju

© Julia S, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird der Rucksack wieder gepackt ... Südostasien is calling again!
Details:
Aufbruch: 28.06.2015
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 30.07.2015
Reiseziele: Indonesien
Der Autor
 
Julia S berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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