Kenia - Tansania: Notizen aus dem Jahr 1990
Nelkenduft - Pemba
Die schmale Insel liegt ein Stück nördlich von Sansibar und gehört zum gleichnamigen Teilstaat. Die "Tawakali" hat in Wete angelegt. Da es unsere Absicht ist möglichst rasch zur Hauptinsel Sansibar weiterzureisen, schleppen wir unser Gepäck hinauf zu einem Matatustand, um nach M'Koani zu gelangen, dem südlichen Ausgangspunkt und größten Hafen von Pemba. Auf dem Schiff bereits haben wir mit zwei Holländern Bekanntschaft geschlossen, Anneken und Wouters, außerdem lernen wir Mick, einen Engländer, näher kennen, der mir zuvor schon aufgefallen ist, weil er während der Überfahrt mit stoischer Ruhe dahockte, als sei die stürmische See nur ein laues Lüftchen. Er hatte auf dieser seiner Reise bereits den Mount Kenia bestiegen, ein harter Bursche.
Das "Hoteli ya Mkoani" ist das einzige im Ort und nicht ganz billig, macht aber einen reinlichen Eindruck, an dem auch die (einzige) Kakerlake im Badezimmer nicht nachhaltig rütteln kann. Fließendes Wasser gibt's keines, zwei gefüllte Eimer tun es auch. Die Petroleumlampen ersetzen das elektrische Licht; Strom ist Mangelware (weshalb auch der Ventilator über weite Strecken für die Katz' ist).
M'Koani hat nicht viel zu bieten. Das meiste spielt sich noch vis-à-vis des Hotels ab, wo es nach Einbruch der
Dunkelheit unvermutet lebendig wird. Öllämpchen beleuchten ein paar Stände mit Schmalzgebäck, gebackenem Fisch, Holzkohlengrills, auf denen kleine Fleischspieße zubereitet werden, die man in eine gelbe Soße tunkt, außerdem Brot, Erdnüsse und Kaffee in großen Messingkannen. Eine gute Stunde lang herrscht ein wenig Trubel, der dann aber abrupt wieder endet.
Ein Boot nach Sansibar verkehrt derzeit nicht. Es gibt kaum eine Chance die Insel auf dem Seeweg zu verlassen. Wenn man nicht allzu viel Zeit erübrigen kann, empfiehlt es sich ein Flugzeug zu nehmen. Das nächste geht am Montag, wenn auch in Richtung Dar-es-Salaam. Und gerade das ewige Fliegen wollten wir doch vermeiden!
Mit Mick zusammen fahren wir nach Chake Chake. Bei einem dänischen Ehepaar, Entwicklungshelfern, können wir hinten aufs Pickup klettern. Dort sitzen noch ein paar andere Leute, auch ein Grieche, so Ende fünfzig, gesellt sich dazu, ein Dauerredner, dessen Suada offenbar durch nichts zu unterbrechen ist. Er lädt uns zu sich in sein Büro ein, wo er ein (italienisches) Projekt zum Ausbau des kleinen Hafens leitet, der vor unserer Nase liegt. Er serviert uns Tee und erläutert dabei die Weltgeschichte aus seiner ganz persönlichen Sicht. Nach einer halben Stunde können wir uns von ihm loszueisen.
Die Überlandstraßen sind voller Schlaglöcher. Um überhaupt hier fahren zu können, braucht man ein Geländefahrzeug oder man setzt sich in einen der imposanten Busse. Sie sind (anders als auf dem Festland) soweit gut intakt, aber genau betrachtet sind es gar keine Busse, sondern aufgerüstete Lkws. Der Aufbau ist aus Holz gezimmert und erinnert an Personenwaggons aus den Urzeiten der Eisenbahn. Jede Sitzreihe hat eine eigene schmale Tür, zu der man hinaufsteigt. Am hinteren Ende sind noch zwei Längsreihen angebracht, in denen Gepäckstücke verstaut werden. Körbe bindet man seitlich an den Türen fest oder packt sie aufs Dach.
Ein Dach, das hätten wir jetzt gerne über dem Kopf, als es unterwegs heftig zu regnen anfängt. Der Däne, der am Steuer sitzt, hält an, aber Karin, Mick und ich finden's nicht weiter schlimm eine kühlende Dusche zu nehmen. Dass sie dann so lange anhält, vor allem so kräftig sein würde, hätten wir nicht gedacht. Jedenfalls sind wir hinterher noch bis auf den letzten Geldschein im Portemonnaie durchnässt und es wird buchstäblich Tage dauern, bis alle Papiere wieder trocken sind.
Chake Chake ist gewissermaßen das Zentrum der Insel, nicht nur geografisch. Außerhalb der Stadt ist der einzige Flughafen auf Pemba und dem Büro von "Air Tanzania" gilt nun unsere Aufmerksamkeit. Der Manager dort ist ausgesprochen freundlich, nimmt unsere Namen in die Passagierliste auf, will uns aber noch keine Billets verkaufen. Die, sagt er, gäbe es erst am Tag des Abflugs direkt auf dem Flughafen, wenn die Maschine "in Sicht" sei. Eine Garantie, dass sie überhaupt ankomme, gäbe es nicht. Mit diesem vagen Status sind wir gar nicht einmal unzufrieden, weil er uns die Möglichkeit offen hält, in der Zwischenzeit vielleicht doch noch ein Schiff nach Sansibar ausfindig zu machen. Um es aber gleich vorwegzunehmen, das einzige Boot, das Pemba schon bald verlässt, ist das, mit dem wir hierher gekommen sind, und es fährt nur wieder zurück nach Tanga.
Anneken und Wouters bringen diese Nachricht gerade aus Wete, woraufhin sich Mick, der einen Freund in Dar-es-Salaam zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen will, kurzfristig entschließt diese (im Gegensatz zum teuren Flug günstigere) Gelegenheit wahrzunehmen. Ebenso die beiden Holländer, mit denen wir eine Weile durch die Gegend spazieren, und wohl auch die meisten anderen Traveller, die sich noch auf der Insel aufhalten. Fast nur wir blieben dann noch zurück.
Wir ziehen nach Chake Chake um. Das hiesige Hotel ist eine exakte Kopie der beiden anderen in Wete und M'Koani. Wir beziehen sogar das gleiche Zimmer (mit einer etwas schlechteren Matratze und ohne Kakerlake).
Das Städtchen hat nur wenig architektonische Reize. Die auf Sansibar und seinen Nachbarinseln bekannten arabesken Holzportale stecken in geflickschusterten Häusern und wirken darin wie anatomische Fremdkörper. Auf dem Markt dominieren das Rot der Tomaten und das Braun der Bohnenkörbe, der Markt ist wie überall der eigentliche Anziehungspunkt.
Die Menschen sind von einer unaufdringlichen, dennoch fast rührenden Herzlichkeit. Grüßen und Gegrüßtwerden wird zu einer Lieblingsbeschäftigung. Und immer mit: Wie geht es Ihnen? Und Ihnen? Willkommen, haribu, besten Dank, asante sana. Und dieses Brevier meist so halb im Vorübergehen.
Auf einer Wiese, die kleinere Erhebungen hat, findet ein Fußballspiel statt. Sie wird von einem Trampelpfad wie von einer Traversale in zwei Hälften geteilt. Das einzige Tor, das zur Verfügung steht, ist aus Leitungsrohren zusammengebastelt. Trikots gibt es zwar, aber nicht zwei Spieler einer Mannschaft tragen das gleiche. Schuhe sind Mangelware, die meisten Jungs spielen barfuß. Dafür gibt es einen Schiedsrichter und es stehen sich korrekt jeweils elf Männer gegenüber. Ein paar Dutzend Zuschauer machen etwas Stimmung, aber so wichtig scheint das Spektakel nicht zu sein, denn die vorüberwandernden Leute benutzen wie jedes Mal ganz ungestört den besagten Pfad.
In Konde am nördlichen Zipfel schnuppern wir Landluft. Der Chief eines Dörfchens spricht uns an, lädt uns zu seinem Haus ein und holt eigens zwei Kokosnüsse von einer Palme. Die eine trinken wir aus, die andere drückt er uns für den Rückweg in die Hand. Das Dorf besteht einzig aus seiner großen Familie. Man bewirtschaftet ein paar Felder, pflanzt Reis, Kartoffeln und Weizen an. Natürlich ist das Leben sehr bescheiden, Armut aber herrscht keine.
Ein Augenschmauß, gerade aus dem Wasser gezogen.
Die Inselbewohner haben das Glück einen fruchtbaren Boden beackern zu können. Und sie bauen Gewürznelken an. Wer auf der Landstraße unterwegs ist, hat ihr Aroma ständig in der Nase. Überall sind Matten ausgebreitet, auf denen sie zum Trocknen liegen. Ihr Geruch erinnert an reife Kirschen. Das kleine Pemba zählt zu den Hauptexporteuren von Gewürznelken auf der Welt.
Ich schaue einer Frau zu, wie sie Reiskörner in einem Mörser zerstampft. Das Mehl spielt in der lokalen Küche (für Reiskuchen) eine wichtige Rolle. Die Frau amüsiert meine Neugierde. Rasch kommen Kinder herbeigelaufen, sie machen ihr eigenes kleines Fest aus einer solchen Begegnung. Und jedes Mal kramt Karin dann etwas aus ihrer Tasche, Luftballons, Glasmurmeln oder ein Döschen für Seifenblasen. Oft entsteht dann eine kleine Verlegenheitspause: Was ist das? Was macht man damit? Karin macht's vor und nun dauert es nicht mehr lange, bis die Kinder nur noch mit sich selbst und ihrem Spiel beschäftigt sind. Schade, dass wir uns sprachlich so unzureichend verständigen können.
Andere Bilder: die Karren mit den davorgespannten Buckelrindern, Holzkohleöfen mit dicken irdenen Töpfen, eine Moschee, von außen kaum als solche kenntlich, im Innern aber mit einer türkischen Moschee bemalt, einer Art Bildtapete.
Zum Schluss, nachdem Anneken, Wouters und Mick schon längst wieder gen Tanga tuckern (diesmal am Tag), bleibt nur noch der Weg zum Flughafen. Dem Bus dorthin platzt der Reifen, aber wir kriegen einen Lift. Der Fahrer will uns mit 600 tansanischen Schillingen abkassieren, hundert immerhin bekommt er dann.
Mit "Fly the Difference" wirbt die Fluggesellschaft für sich. Das Ausschreiben der Tickets nimmt weit mehr Zeit in Anspruch als der Flug selbst, und als alle endlich in der kleinen Maschine Platz genommen haben, verwandelt der freundliche Herr aus dem Büro sich in einen strengen Feldwebel. Dreimal wird durchgezählt, zweimal von ihm, einmal von der Stewardess. Schön ist nach dem Start der Blick aufs Meer. Selbst aus der Luft kann man noch bis auf den Grund der Korallenriffe blicken.
Aufbruch: | Juni 1990 |
Dauer: | circa 4 Wochen |
Heimkehr: | Juli 1990 |
Tansania