Kenia - Tansania: Notizen aus dem Jahr 1990

Reisezeit: Juni / Juli 1990  |  von Peter Kiefer

Savannenklänge - der Weg nach Mikumi

Man braucht nicht viel drumherum zu reden: Dar-es-Salaam ist eine schmutzige Stadt voll schlechter Luft. Was es einmal an baulichem Charme aus der Kolonialzeit besessen haben mag - und in einigen der Straßen können noch ein paar Reminiszenzen wach werden - heutzutage ist es, uncharmant ausgedrückt, bloß ein Pisspott. Das sagt nun allerdings lediglich etwas über die Funktionstüchtigkeit dieses Landes aus, nicht über die Freundlichkeit seiner Menschen.
Selbst die, die sich als "Schwarzen Markt" bezeichnen, in Wirklichkeit aber bloß Betrüger sind, bleiben nach einer Reihe blödsinniger Geschichten, die man erzählen könnte, aber nicht muss, eher stumm und betroffen zurück, als wir ihnen, in einem Hausflur stehend und noch eine Weile ihre Gleich!-gleich!-Beschwichtigungen mehr hoffend als glaubend bereit sind abzunehmen - als wir ihnen also endlich sagen, dass wir die Nase gestrichen voll haben und zähneknirschend zu einem besseren Hotel trotten, das einen schlechteren Kurs anbietet.
Dort begegnen wir einem merkwürdig seifigen Österreicher. Er arbeitet in irgendeinem Business und wohnt mit seiner exotischen Frau und einem Kind in diesem Hotel. Im Lauf eines kurzen, aber zähen Gespräches wird deutlich, dass Frau und Kind, seit sie in der Stadt sind, noch zu keinem Zeitpunkt das Hotel verlassen haben, seit Wochen schon nicht.
Unser Hotelzimmer ist famos. Nur wegen des Waschbeckens allerdings: In der Mitte ist ein großes Stück herausgebrochen und darunter steht ein Eimer. Dafür gibt es allerdings keinen besonderen Grund, denn Wasser läuft auch nicht. Schlaf ist ebenfalls Mangelware, weil auf der Straße gegenüber eine Chips-Bude steht, wo auch Musikkassetten verkauft werden. Sie krächzen einem 24 Stunden bei voll aufgedrehtem Lautsprecher ins Ohr.

Wir wollen die Stadt baldmöglichst wieder verlassen und haben uns - einzig aus zeitlichen Gründen - entschlossen nicht mehr mit dem Boot zur Insel Sansibar zu fahren. Das kleine Büro der Busgesellschaft liegt auf dem Kariaku-Markt, dort wo unter anderem die Kleiderhändler vor dicken Säcken auf Holzemporen stehen und ihre Ware versteigern. Sie stammt wohl durchweg aus europäischen Kleiderspenden.
Im Innern einer Markthalle, durch die wir schlendern, geht es vergleichsweise ruhig zu. Erstaunlich das große Angebot an Gemüsen und Gewürzen. Erstaunlich auch immer wieder die Hilfsbereitschaft der Menschen. Ein Halbwüchsiger, den wir nach dem Weg fragen, erklärt nicht viel, sondern bringt uns auf einem Zehn-Minuten-Gang gleich selbst zum Ziel. Und er weigert sich hinterher beharrlich ein kleines Geschenk dafür anzunehmen.
Der Bus ist, wie nicht anders zu erwarten, vollgestopft bis knapp unterhalb des Erstickungstods. Im Gegensatz zu denen, die im Mittelgang zu Klump zusammenkleben, haben wir immerhin einen Sitzplatz ergattert. Aber was heißt das schon? Die Sitze sind dermaßen schmal und unbequem, dass es ziemlich egal ist, auf welche Art man leidet (siehe Tanga).
Am Abend kurz vor Einbruch der Dunkelheit sind wir in Morogoro angelangt. Ein Hotel ist schnell gefunden, im Zimmer liegt sogar eine Bibel bereit. Morogoro ist ein angenehmes Städtchen. Wir genießen die blaue Stunde und sehen uns - was wohl? - den Markt an. Allerwege lächelnde Gesichter, grüßende Menschen. Vor den riesigen blühenden Bäumen am Ausgang der Stadt steht man fassungslos und beglückt.
Die Nacht verläuft jedoch ähnlich schlimm wie zuvor in Dar-es-Salaam. Es ist das aufgedrehte Radio der Bar, das mit eruptiver Gewalt in die Zimmer des oberen Stockwerks dringt. Mir fällt es nicht ganz leicht mich an den tansanischen Lautstärkepegel zu gewöhnen. Wenn das Programm spät in der Nacht endet, drückt niemand auf das Aus-Knöpfchen, so dass alles mit dem Beginn des Frühprogramms wieder weitergeht. Auffällig, dass kaum Musik gespielt, sondern in der Hauptsache geredet wird.

Wenn alle sich Mühe geben, hält bestimmt bald ein Buschtaxi an.

Wenn alle sich Mühe geben, hält bestimmt bald ein Buschtaxi an.

Wir suchen ein Vehikel, das uns nach Mikumi bringt. Mikumi liegt inmitten des gleichnamigen Wildreservats. Ein Fußmarsch ist nötig, weil aus Morogoro heraus kaum Überlandbusse in diese Richtung fahren. Erst wenn man wieder, vorbei an einer Tabakmanufaktur, die große Verkehrsstraße und dort eine bestimmte Kreuzung erreicht hat, behauptet jemand, kann man sein Glück versuchen. Nach zwei Stunden Warten hat sich aber noch nichts getan. Kein Wunder, denn wir stehen, wie uns nun jemand verrät, gar nicht an der richtigen Stelle. Die liegt noch ein Stück weiter unter einem schattigen Baum. Etliche Leute haben sich dort bereits eingefunden und wenig später hält dann ein Fahrzeug an, das uns nach Mikumi bringt.
Es ist ein kleiner Pickup und ein weiteres Mal - wann lernen wir endlich, dass immer etwas geht? - fragen wir uns, wie alle diese vielleicht fünfundzwanzig Leute auf der kleinen Ladefläche Platz finden sollen. Ich mache mich stark dafür, auf dem Dachgepäckträger des Fahrerfonds sitzen zu dürfen. Dem stünden die Vorschriften im Wege, behauptet man. Okay, wir quetschen uns also mit in den Pulk der Fahrgäste, haben aber Glück. Denn kaum ist der Straßenposten der Polizei passiert, hält der Fahrer kurz an und sagt, wir könnten nun doch auf dem Dach sitzen.
Bestens. Nicht wegen der drei Quadratmillimeter mehr Komfort, sondern wegen der Aussicht. Heia Safari!

© Peter Kiefer, 2005
Du bist hier : Startseite Afrika Tansania Savannenklänge - der Weg nach Mikumi
Die Reise
 
Worum geht's?:
Vor ein paar Wochen habe ich mehrere verschollen geglaubte Reisetagebücher wiederentdeckt. Eines davon dokumentiert diese Reise aus dem Jahre 1990, die durch Teile Kenias und Tansanias führte und mit sehr einfachen Mitteln bestritten wurde. Karin und ich haben ausschließlich lokale Verkehrsmittel benutzt, auch unsere kleinen Safaritouren haben wir außerhalb allen Reisebürotourismus abgewickelt.
Details:
Aufbruch: Juni 1990
Dauer: circa 4 Wochen
Heimkehr: Juli 1990
Reiseziele: Kenia
Tansania
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors