Von Mexiko bis Argentinien
Hinauf in die Anden
Cochabamba, unsere neue Heimat für 2 Monate
Die nächste Zeit (Ende Oktober bis Anfang Januar) wollen wir in Bolivien sein, davon ca 8 Wochen in Cochabamba. Die Stadt liegt auf einer Höhe von 2550 Metern in den östlichen Anden und hat ein ganzjährig angenehmes frühsommerliches Klima (wer in Deutschland lebt, weiß dies besonders im November und Dezember zu schätzen). Wichtiger noch ist die Höhe. Während es in La Paz mit über 4000 Metern anfangs sehr unangenehm sein kann (schon das Anheben des Koffers versursachte Schwindelgefühle) gelingt es in Cochabamba besser, sich langsam an die Höhenverhältnisse zu gewöhnen. Sozusagen ein Trainingslager in einer Höhe von 2500m, von dem man behauptet, dass der Körper auch bei der Rückkehr ins Flachland noch möglichst lange von dem positiven Effekt (Fitness) profitiert, wir sind gespannt. Der eigentlich Grund für den längeren Aufenthalt in Cochabamba ist jedoch mitnichten das Höhentraining sondern unser Volontariat im Projekt. Vermittelt durch Johanna, einer früheren Vonlontärin, unterstützen wir das Projekt Hilando Sueños (in etwa: "gesponenne Träume") für Kinder aus extrem armen Familien, deren Eltern sich kaum (oder gar nicht) um die Erziehung und Bildung ihrer Kinder kümmern können, da sie den ganzen Tag unterwegs sein müssen, um das nötigste Geld für den Lebenserhalt zusammen zu bringen. Das Projekt befindet sich Santa Vera Cruz, einem sehr armen Stadtteil im Süden Cochabambas. Die Verantwortlichen der Fundación Hilando Sueños, Delina, Lidia und Eduardo, leisten hier eine unglaublich wichtige und gute Arbeit. Aktuell werden sie dabei unterstützt von Carolina und Nina, die über Weltwärts in das Projekt vermittelt wurden, und, in den nächsten sieben Wochen, von uns. Das bringt für uns einen anderen Tagesablauf mit sich. Nach dem Frühstück geht es mit dem Trufi, das sind Kleinbusse für ca. 9 Personen die in großer Zahl durch die Stadt fahren, auf Handzeichen anhalten, für 2 Bolivianos (ca. 0,25 Euro) in den Süden der Stadt. Die Fahrt ist spannend, führt sie doch mitten durch die Cancha, einen Markt, der sich über zahlreiche Straßenzüge und Plätze erstreckt. Er ist sieben Tage die Woche geöffnet und einer der größten Straßenmärkte in Südamerika. Ein unübersichtliches "Gewusel" aus Geschäften, Ständen, Verkäufern mit einigen wenigen Produkten, Essständen und kleinen Lokalen am Straßenrand, dazwischen die Busse, Trufis, Pkws, Motorräder, Füßgänger. Beim ersten Durchqueren mit dem Trufi dachten wir, dass wir niemals aus diesem Markt wieder herauskommen würden. Nach 30-60 Minuten Fahrt kommen wir in der Fundacion an. Einige der Kinder warten bereits auf den sandigen (Spiel)Platz in der Nähe und begrüßen uns freudig. Die Fundacion selbst befindet sich in einem Flachbau und besteht aus drei "Salas", zwei Toiletten (für die Kinder und die Mitarbeiter), einer "Küche" und einem Hof, der zum Teil mt einem Segeltuch überspannt ist und etwas Schatten bietet.
Im Hauptraum, sozusagen Büro und Unterrichtsraum 1, stehen 3 Computer und 1 Drucker zur Verfügung. In der Küche gibt es einen Kühlschrank und einen Herd. Ein Waschbecken gibt es nicht. 2 größere Wannen im Hof werden zum Spülen benutzt.
Lernen, spielen und mehr.
Hilando Sueños ist für ca. 45 Kinder ein Ort, an dem sie sicher sind, wo sie versorgt werden, wo man sich mit ihnen beschäftigt, mit ihnen arbeitet, wo sie als Kinder angenommen werden. Dies ist leider bei vielen der Kinder hier außerhalb des Geländes nicht der Fall. Längst nicht alle Kinder besuchen die Schule, einige sind sogar gänzlich unversorgt, d.h. sie verbringen den Tag auf der Straße, weil die Eltern nicht (mehr) anwesend sind. Aber auch jene Kinder, deren Eltern mit ihnen gemeinsam leben, müssen den Alltag oft alleine bewältigen oder bereits in jungen Jahren zum Lebenunterhalt (z.B. "Autowaschen" an der Schnellstraße) beitragen. Die Menschen, die hier wohnen, sind meist zugewandert, haben sich auf den Hügeln Häuser oder Hütten erbaut, z.T. ohne Strom- und Wasserversorgung und versuchen sich durch Gelegenheitsjobs am Leben zu halten. Ein Arbeiter der, mangels Berufsqualifikation, lediglich seine Arbeitskraft anbieten kann, verdient hier 15 Bolivianos (knapp 2 Euro) am Tag. Das reicht knapp zum (Über)Leben.
Viele der Eltern sorgen sich sehr um ihre Kinder, sie sind aber dennoch nicht in der Lage, mit Ihnen zu lernen, sie zu unterstützen und zu schützen. Wir hatten Gelegenheit, 16 Mütter und einen Vater bei einer Reunion (eine Art Elternversammlung) kennen zu lernen.
Mittlerweile arbeiten wir bereits zwei Wochen in Hilando Sueños und fühlen uns dort schon fast zu Hause.
Jeden Vormittag kommen zwischen 09:00 und 12:00 Uhr bis zu fünfundvierzig Kinder (so viele sind angemeldet) zwischen vier und 12 Jahren, um bei Delina und Lidia ihre Schularbeiten zu machen, in Ruhe zu frühstücken, zu spielen und manchmal auch zu duschen und Haare zu waschen.
Unsere Mitarbeit wurde gleich am ersten Tag sehr begrüßt, und Delina bat uns schon bald, uns insbesondere um vier kleine ErstklässlerInnen zu kümmern, die vom schulischen Stoff so gut wie nichts mitbekommen.
Diese individuelle Förderung macht sehr viel Spaß; die Kinder sind sehr anhänglich, sehr dankbar für Zuwendung und (mit Einschränkungen) auch lernwillig.
Die Hauptschwierigkeit ist eigentlich die, dass wir kaum mal fünf Minuten alleine in aller Ruhe konzentriert mit diesen vier Kindern arbeiten können, da wir immer gleich von vielen anderen umringt werden, die unbedingt auch mitüben wollen.
Manchmal gelingt es, die anderen auf zehn Minuten später zu vertrösten, manchmal allerdings auch nicht.
Die drei Stunden vergehen wie im Fluge.
Ende November beginnen in Cochabamba die großen Ferien zum Schuljahresende. Geplant ist, dass die Kinder dennoch in die Fundacion kommen, und dass sie einerseits mit uns schreiben, lesen und rechnen üben, andererseits an verschiedenen Ferienaktivitäten teilnehmen. Da wird unsere Phantasie gefragt sein.
Die Kinder gehören alle zu den Ärmsten der Armen, doch auch in dieser Schicht lassen sich schon nach wenigen Tagen Abstufungen ausmachen. Einige werden von Müttern oder Großmüttern gebracht, haben in ihrem Schulrucksack Hefte und Bücher, andere sind den ganzen Tag auf der Straße, weil die Mutter im Knast und der Vater auf der Arbeit ist; wieder andere gehen zwar vom Projekt aus nach Hause, sind jedoch dort ganz auf sich gestellt.
Aber ausnahmslos alle Kinder, die wir bislang kennenlernten, sind aufgeschlossen für unsere Anregungen.
Ach, ich vergaß zu sagen, dass die Schule im Schichtbetrieb funktioniert, das heißt, dass die älteren Kinder (ab ungefähr 13 Jahren) am Vormittag Unterricht haben und ‚unsere‘ Kinder am Nachmittag in der größten Hitze in die Schule gehen.
Aufbruch: | 27.09.2017 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | 11.02.2018 |
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