Rundreise durch Guatemala
Blumen
Inder Nähe von Quetzaltenango, in Almolonga gibt es einen Gemüse-Grossmarkt. Hierher kommen Händler auch aus dem Ausland, um Gemüse aus dem Hochland einzukaufen. Dieser markt ist heute unsere ziel. Allerdings werden heute vor allem Blumen angeboten, denn diese werden heute und morgen zum Schmücken der Gräber benötigt. Viele gelbe und weisse Chrisanthemen, dunkelrote samtene exotische Blüten, grüne Palmblätter, vereinzelte rote Rosen und ganz viele farbige Blätter. Es herrscht ein unglauliches Gedränge. Frauen hocken auf dem Boden hinter Bergen von Blumen. Andere balancieren ihre Einkäufe auf dem Kopf und schreiten durch das Gewusel.
Und immer wieder Kinder dazwischen. Auf dem Rücken der Mutter oder an deren Rock hängend. Fleisch hängt offen am Haken, da drüben formt eine junge Frau Würste, dort werden abgepackte Lebensmittel an einem Stand verkauft, und daneben gibt es einen Getränkestand. Hinter dem Gemüsestand rüstet eine Frau Peperoni und Karotten zu kleinen Würfeln und mischt sie zusammen mit Erbsen. Es gibt getrocknete Paprika in allen Farben und Formen, verschiedene Gewürze, Piniennadeln, Palmblumen in den langen braunen Hüllen. Wir haben uns längst aus den Augen verloren und treffen an irgendeiner Ecke plötzlich wieder auf ein vertrautes Gesicht.
Unser Bus hat uns zum Friedhof hinauf gebracht und wird uns unten beim Eingang des Dorfes wieder erwarten. Darum verlassen wir den Friedhof und schlendern über die steile Dorfstrasse hinunter ins Zentrum. Immer wieder begegnen uns Leute, ganze Familien auf dem Weg hinauf zum Friedhof. Auf dem Kopf tragen die Frauen Blumenbündel, auf dem Rücken ein kleines Kind und an der Hand ein anderes. Und alle in ihren farbigen Kleidern.
Wir treffen uns dort auf dem Platz wieder, bei den blauen Telefonen, hat René gesagt. Blaue Telefone? Ja hier gibt es sie tatsächlich noch, die öffentlichen Telefone.
Nach zwei Stunden fahren wir weiter. In Zunil besuchen wir den Friedhof. Er liegt ganz oben, hoch über dem Dorf und ist schon von weitem erkennbar an seinen weissen und blauen Gräbern. Heute ist er voller Menschen. Sie schmücken die Gräber ihrer Verstorbenen mit den Blumen und Palmblättern, die sie auf dem Markt gekauft haben. Ganze Familien sind da.
Während die Erwachsenen kleine Häuser mit Palmblättern über den Gräbern konstruieren und mit Blumengestecken verzieren, lassen die Kinder ihre Drachen steigen. Manchmal fragt uns jemand, woher wir kommen, freut sich über unser Interesse, erzählt, wer da begraben ist. Vater, Mutter oder Tanken und Onkel. In ein paar Gräbern liegen auch Kinder, das können wir aufgrund der Inschriften und Daten erkennen.
Wir kommen durch einen Markt. Hier werden Gemüse und weitere Blumen angeboten. Es ist der Dorfmarkt, Touristen findet man hier kaum. In einem Haus entdeckt René den San Simon. Dieser eigenartige Heilige, ein Überbleibsel aus der Zeit der Eroberer. Eine Mischung von Spanier und Einheimischem. Er wir in einigen Dörfern verehrt. Er wohnt jeweils für ein Jahr in einem Haus der Kongregation, die sich um sein Wohl kümmert. Er macht einen unheimlichen Eindruck, mehr wie ein Gangster, denn wie ein Heiliger. Geopfert wird ihm Geld, Zigaretten und Schnaps. Bei letzterem hilft er beim Verzehr mit. So steckt auch jetzt eine angezündete Zigarette zwischen seinen trockenen Lippen und manchmal flösst ihm jemand ein paar Schlucke Schnaps ein.
Auf dem Dach des Hauses findet eine Zeremonie statt. Zwei Schamanen unterhalten verschiedene Feuerstellen, die sie mit Gebeten und Sprüchen beschwören. Dazu geben sie immer wieder Kerzen in verschiedenen Farben dazu. Jede Farbe hat ihre Bedeutung. Es geht um Liebe, Geld, Gesundheit, die ewig gleichen Anliegen der Menschen. Einer der beiden Männer hat noch etwas anderes ins Feuer gelegt und macht Zeichen, dass wir uns etwas vom Feuer entfernen sollten, es könnte gleich knallen. Und tatsächlich, mit einem lauten Knall explodiert eines der Feuer und hüllt alles in weissen Rauch. Eine schraurig-unheimliche Sache. Ich merke, dass ich von der Gruppe die einzige bin, die geblieben ist und den Finger auf dem Drücker gehalten hat. Bin gespannt, wie die Explosion auf dem Video wirkt.
Im Zentrum besuchen wir noch die schön verzierte gelbe Kirche und kommen dann zurück zum Bus. Es ist nicht weit bis zu unserem nächsten Halt, doch die Strasse führt steil hinauf. Eine sehr schlechte Strasse, die an manchen Stellen ausbegessert wird. Das ergibt Baustellen, Zirkeln über Schotterpiste, Schlaglöcher. Unser Chauffeur braucht sein ganzes Geschick und der Blick aus dem Fenster hinunter in die Tiefe braucht manchmal etwas Mut.
Fuentes Georginas heissen die Thermalquellen, die wir anpeilen. Einfache Becken in der Natur, mit einem offenen einfachen Restaurant daneben, ein paar Umkleidekabinen, Toilletten. Es kommen wenige Ausländer hierher, aber die Leute die hier sind, kommen aus dem ganzen Land. Aus dem Süden, erzählen mir die kichernden Mädchen, die vor der Toillette Schlange stehen und sie wollen wissen, woher wir kommen. „Suiza? Ist das weit?“ Und der junge Mann im Wasser, der ebenfalls wissen möchte, woher wir sind, fragt: „Wie ist es in der Schweiz? Ist es da auch so schön?“ Er kommt aus Guatemala City.
Manchmal ist es ein kleines Abenteuer, an einem unbekannten Ort in ein trübes Wasser zu steigen, doch dann kann man es einfach nur geniessen. Die Wärme, die Dämpfe, das Unbekannte, das Abenteuer. Und dann gibt es im Restaurant eine feine Spargelcremesuppe, bevor wir die abenteuerliche Bergstrecke wieder zurück fahren.
Wir erreichen Huehuetenango beim Einnachten. Hier hat René vier Jahre gelebt und man merkt, wie die Erinnerungen zurückkommen, wenn er vom Leben in der Stadt erzählt. Es sollte ein Sprachaufenthalt von ein paar Monaten sein und dann sind es Jahre geworden. Und das Land wird ihn nie mehr loslassen.
Untergebracht sind wir im Hotel Ruinas Resort, einem neueren Hotel in der Nähe des Hauptplatzes.
Heute ist Fiesta in der Stadt. Auf dem Hauptplatz würden Mariatchi-Musiker unterwegs sein, die für einen kleinen Obolus singen und spielen würden, erzählt René. Zuerst gehen wir aber gemeinsam in einem Restaurant in der Nähe des Hotels zum Nachtessen. Schon hier gibt es Musik. Zwar ist es nur ein älterer Mann, der zur Unterhaltung der Gäste singt. Ein mexikanischer Mariatchi-Sänger sei das aber noch nicht, meint René.
Nach dem Essen zeigt er uns, wo der Hauptplatz ist und empfiehlt uns, uns unter die Leute zu mischen und die Stimmung zu geniessen. Doch von den versprochenen Musikern ist nicht zu spüren, auf einer grossen Bühne spielen drei Musiker in aller Lautstärke. Der Platz ist voller Leute. Es gibt Imbissstände, Ballonverkäufer, Verkäufern mit eingepackter Zuckerwatte, Eisverkäufer, viele Junge Leute, Familien mit Kindern, Gruppen von jungen Mädchen. Die Stadt dröhnt. Auf dem Weg zum Hauptplatz ist uns ein Auto mit offenem Kofferraum begegnet. Da drinnen konnte man eine ganze Batterie von Lautsprechern erkennen und aus allen dröhnte ein ungeheurer Sound. Mir fehlen die Worte, hier widerzugeben, was in dieser Stadt abgeht. Es ist ein ungeheurer Lärm, ein Dröhnen aus unzähligen Lautsprechern. Ich ziehe einmal eine Runde um den ganzen Platz und gehe dann zurück ins Hotel. Hier treffe ich auf drei Schönheitsköniginnen der Stadt. Eine ist die Kulturkönigin, was es mit den anderen auf sich hat, kann ich nicht erkennen. Strahlend posieren sie für mich auf der imposanten Treppe im Entre, dann verziehe ich mich endgültig aufs Zimmer. Auch hier ist die Musik noch sehr gut zu hören, doch ich bin müde genug und schon bald eingeschlafen.
Aufbruch: | 22.10.2018 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 09.11.2018 |