Rundreise durch Guatemala
Süsser Fluss
Am Morgen erwarten uns zwei Boote unten am Wasser. Wir verlassen die Karibik und fahren auf dem Rio Dulce, dem Dschungelfluss.
"Fühlt Euch wie die Eroberer", meint René, denn genau auf diesem Weg haben diese Guatemala entdeckt". Über den Süsswasserfluss, der sich zuerst in engen Kurven zwischen den überwucherten Kalksteinfelsen hindurchmäandert und sich dann zu einem breiten Gewässer vergrössert, um schliesslich zum Lago Izobal zu werden, der grösser als der Bodensee ist.
Doch bevor wir losfahren, will uns Eduardo, unser Bootsführer noch etwas zeigen. Gut versteckt in einem Gebüsch sitzen zwei Leguane. Sorgfältig manöveriert er das Boot in die Nähe, so dass alle einen Blick auf das reglose Tier werfen können. Ich bin immer wieder überrascht, wie die Einheimischen einen Blick für die Natur haben und Tiere anhand einer Unregelmässigkeit in den Ästen oder einer ungewöhnlichen Bewegung der Blätter erkennen.
Wir sind uns nicht klar ob das ein Baumpelikan auf einem Baum, oder ein Pelikan auf einem Pelikanbaum ist...
Wir tuckern los. Der Fluss schlängelt sich hier in grossen Kurven durch den grünen Dschungel. Auf beiden Ufern überbordendes Grün in allen Schattierungen. Hohe Bäume, zum Teil völlig überwachsen mit Schlingpflanzen, Bromelien hängen an den Stämmen. In den Àsten sitzen da und dort Silberreiher, Pelikane oder andere grosse Vögel.
Manchmal gibt es kleine Häuser am Ufer, Wösche hängt an der Leine, ein farbiges Boot ist davor angebunden. Die Menschen hier leben vom Fischfang. Einmal begegnen wir einer ganzen Gruppe kleiner Boote, die jeweils von ein bis zwei Leuten besetzt sind. Auch Mädchen und Frauen beteiligen sich an diesem Schwarmfischen. Wie die Technik funktioniert, erschliesst sich mir nicht.
Einmal sehen wir ein Boot mit einem Zahnmännchen. "Schau mal, sieht aus wie beim Zahnarzt", meint jemand. "Das ist der Zahnarzt", erklärt Renè. Das Boot ist eine schwimmende Praxis, ein Projekt der Rotariert. Es gibt hier auch ein sehr grosses Schulprojekt. Unterhalten von privaten Spendern, vorwiegend aus den USA wird hier am Fluss eine Schule geführt, in der die Kinder einen richtigen Abschluss machen können. Sie machen auch Praktikums, im eigenen Laden, wo Handarbeiten verkauft werden, oder zum Beispiel im Hotel, wo wir letzte Nacht abgestiegen waren.
"Heute kann man das Projekt mit dem Laden leider nicht besuchen, denn heute werden die Zertifikate erteilt, da kommen Honorationen aus der Hauptstadt, der Handarbeitsladen bleibt geschlosen."
Ich staune wieder einmal, wie René solche Dinge wissen kann. Jemand hat schon gemeint, er hätte wohl Wikipedia komplett studiert, oder gar in seinem Kopf abgespeichert.
Doch so wild ist es diesmal nicht. Er hat gestern mit Manfred, dem Hotelmanager gesprochen und der hat ihm erzählt, dass er heute zur Abschlussfeier im Colegio eingeladen sei.
Bei einem kleinen Imbisstand halten wir an. Eigentlich wollten wir frische Kokosnüsse besorgen, aber der Besitzer bedauert, im Moment hat er keine reifen Früchte. Aber er hat eisgekühtes Cola und Bier. Und ausserdem einen kleinen Laden mit Handarbeiten.
Die Kinder freuen sich über die Gäste und geben bereitwillig Auskunft, wie sie heissen, wie alt sie sind und wie sie miteinander verwandt sind. Es sind Geschwister und Cousins, der Laden gehört der Familie. Nach dem Ablegen machen wir noch einen kleinen Abstecher zu den Wasserlilis, die sich in einem ruhigen Seitenarm befinden, dann geht die Fahrt weiter.
Am Schluss des Flusses, oder wohl genauer, am Anfang, liegt der kleine Ort Rio Dulce mit seinem grossen Segelhafen. Überall in privaten Liegeplätzen sehen wir grosse Motorjachten, Segelboote und moderne schönen Villen. Der Ort ist ein beliebter Platz für Segler, Jachtbesitzer und Weltumsegler. Es ist ein sicherer ruhiger Hafen mit einem schnellen Zugang zum Meer. Ausserdem ist es günstig hier, sein Boot eine Weile einzustellen. Florida ist gerade mal gut zwei Flugstunden entfernt.
Am Eingang zum Lago Izobal liegt das kleine Fort San Felipe, das von den Spaniern erbaut wurde, um den Handel und Betrieb hier am Ende des Flusses zu kontrollieren. Es wirkt pittoresk, hier in Mittelamerika eine europäische Burg zu sehen. Der Ort ist ein Touristenziel, aber auch die Einheimischen kommen oft hierher, denn es lädt mit einem gepflegten Park mit hohen Bäumen und grossen Rasenflächen zum Familienpicknick am Wochenende ein.
Für uns ist in einem Restaurant unten am Fluss der Tisch gedeckt. René hat für die, die Fisch uns Meeresfrüchte mögen, eine Tapado Garifuno bestellt. Die Spezialität wird mit viel Kokosmilch, Garnelen, Bananen, einem Fisch und einem Krebs gemacht. Vor allem der Krebs macht den Meisten etwas Mühe, denn es ist kaum etwas essbares daran zu finden. Die Suppe schmeckt fein, die Portionen sind allerdings viel zu gross.
Dann steigen wir in den Bus, der uns hier erwartet und fahren in den Norden, hinunter ins Tiefland Guatemalas. Zuerst fahren wir noch durch bewohntes Gebiet mit grossen Kuhherden, dann übernimmt immer mehr der Dschungel das Szepter. An einer Tankstelle in der Hälfte der Fahrt machen wir eine kurze Rast. Es scheint hier, dass zum Tanken auch gleich eine Vollwäsche dazu gehört. Jedenfalls werden die Wagen von einer ganzen Equipe von Angestellten mit Bürsten, Tüchern, viel Schaum und Wasser auf Hochglanz gebracht.
Hier käme ich auch gern mal zum Auftanken vorbei.
Zum Sonnenuntergang erreichen wir unser heutiges Ziel, das Hotel Villa Maya, an der Lagune Petenchel. Kurz nach Zimmerbezug treffen wir uns an der Bar und dann zum gemeinsamen Nachtessen, bevor wir uns in die schönen Zimmer zurück ziehen.
Wieder liegt ein voller Tag hinter uns.
Aufbruch: | 22.10.2018 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 09.11.2018 |