Guatemala - Land des ewigen Frühlings

Reisezeit: April 2019  |  von Beatrice Feldbauer

Acuateca

Die Nacht war voller Geräusche. Irgendwo haben sich verschiedene Brüllaffen-Familien einen Streit um das Nachtquartier geliefert, eine Zeit lang war ihr Brüllen aus allen Richtungen zu hören. Mit der Sonne erwachten die Vögel und liessen ihre vielfältigen Schreie und Töne erklingen - zwitschern kann man es hier kaum nennen. Die Geräusche der Nacht werden mit dem beginnenden Tag von den vielfältigen Stimmen des Tages übernommen.

Nach dem feinen Frühstück mit frischem Papayasaft, Rührei, Schwarzen Bohnen, Toastbrot und Ananaskonfitüre, steigen wir in die Boote. Wir wollen dem kleinen Fluss Petexbatun weiter hinauf fahren. Doch schon nach ein paar Metern wird das Wasser in der Lagune definitiv zu niedrig für die Motoren. Jetzt heisst es Hand anlegen. Die beiden Bootsführer steigen aus und kurz darauf erhalten sie Hilfe von unseren starken Männern. Allen voran ist es Hans, der sich kurzerhand seiner Schuhe und Hosen entledigt und ins Wasser steigt.

Die Luft ist drückend heiss und der Schweiss tropft aus allen Poren. Sogar vom Zusehen kommen wir ins Schwitzen. Die Vogelkolonie, die weiter draussen im knietiefen Wasser steht, schaut uns verwundert zu.

Doch bald gibt es wieder etwas mehr Wasser, der Motor kann vorsichtig ins Wasser gesenkt werden und langsam nehmen wir Fahrt auf.

Durch den niedrigen Wasserstand hat es sehr viele Vögel am Ufer und über dem Wasser. Die Kormorane begleiten uns im Formationsflug, zeigen uns den Weg um die nächste Biegung. Ein- zweimal entdecken wir einen Eisvogel der blitzschnell über das Wasser zischt und sich sofort wieder in den Zweigen des Gebüschs versteckt.

Die Kormorane am Ufer strecken ihre eleganten langen Hälse und lassen sich von der Sonne das Gefieder trocknen.

Der Fluss schlängelt sich durch das Gras. Am Ufer gibt es niedrige Büsche und jeden Menge Schwemmholz. Wir sehen Menschen, die am Ufer waschen oder spielen, Holzarbeiter mit der Motorsäge und immer wieder kleine Boote voller Holz.

Wir gleiten vorbei, zücken unsere Kameras, winken und erhalten fast immer ein Lächeln, ein scheues Winken. Ich würde gern wissen, was die Menschen von den Touristen denken, die da mit ihren schnellen Booten vor ihren Häusern vorbei fahren. Ob das einfach interessant ist zu sehen, oder ob da auch ein wenig Neid aufkommt. Doch vielleicht ist Neid gar kein Thema, weil wir irgendwie völlig ausserhalb ihres Lebens stehen. Einmal frage ich einen Fischer, der sein Netz aus dem Wasser zieht, ob er etwas gefangen hätte. Siiii, lacht er, bastante - genug!

ein sehr ungewöhnliches Bild: Am Ufer steht ein Kinderwagen.

ein sehr ungewöhnliches Bild: Am Ufer steht ein Kinderwagen.

Im ruhigen Wasser am Ufer wachsen Seerosen. Ganze Teppiche über die kleine schwarze Vögel spazieren. Oder hell gefiederte, die wie Bachstelzen auf hohen Beinen gehen.

Und dann legen wir am Ufer an. Durch einen hellgrünen Grasteppich zieht sich ein kleiner Weg, der bis zu einer langen Holztreppe führt. Wir haben das Ziel erreicht: der Eingang nach Aguateca.

Wie niedrig das Wasser tatsächlich ist, kann man hier sehr gut erkennen. Andere Male sind wir mit den Booten bis hierher gefahren und konnten die Schiffe am grossen Wurzelstock am Fusse der Treppe anbinden.

Die Treppe ist seit dem letzten Besuch im Oktober in keinem besseren Zustand. Man muss schon gut acht geben, wo man seinen Fuss hinstellt, ob das Brett noch hält oder schon wackelt. Weiter oben sind ein paar Stufen mit grossen Schrauben wieder festgemacht worden, doch die Reparatur ist eher eine kreative Bastelarbeit, denn eine ernst gemeinte Verbesserung.

Oben an der Treppe ist das völlig verlotterte Informationszentrum. Das Dach ist längst verschwunden, die Mauern sind der Witterung ausgesetzt. Wo einmal Büroräume waren, ist jetzt eine triste Ruine.

Die drei Wächter, die die wenigen Besucher begrüssen, wohnen in einer Holzhütte nebenan. Im Besucherbuch sieht man, dass wir heute die ersten sind, gestern war eine Gruppe von 9 Personen hier, vorher ist zwei Tage niemand hergekommen. Die Stätte ist noch wenig bekannt, wurde erst 1957 entdeckt und ist ausserdem schwer zugänglich.

Ich habe mich entschlossen, die Wanderung nach Aguateca nicht mitzumachen und bleibe gleich bei Veronico, der hier seine kleinen Holzarbeiten verkauft, um seinen Verdienst etwas auszubessern. 20 Tage bleibt er jeweils hier, dann kann er 8 Tage nach Hause, zu seiner Familie in El Remate bei Flores.

Sein Tagesverdienst beträgt 80 Quetzales, seine Kollegen haben 60 - 70 pro Tag (10 Quetzales = Fr. 1.20). Damit muss er auch sein Essen bezahlen und die monatliche Fahrt nach Hause mit dem Bus. Viel bleibt da nicht zum Leben übrig.

Er hat 5 Kinder, die älteste Tochter ist 23, die jüngste 14. Er ist sehr stolz, dass sein einziger Sohn in der Cafeteria eines Italieners in Tikal arbeiten kann. Er musste dafür eine kleine Lehre für 2000 Quetzales machen, aber jetzt hat er eine sichere Stelle. Der Italiener, Don Marco, lebt in El Remate, so wie viele andere Ausländer, denen die angenehme Lage am See gefällt.

Veronico erzählt, dass er ein grosses sehr schönes Grundstück besitzt, das er gern verkaufen möchte. Mit wunderbarer Aussicht auf den See. Vielleicht hat jemand von deiner Gruppe Interesse. Oder vielleicht weisst du sonst jemanden, der gern hier leben möchte, oder gelegentlich her kommen will. Das Grundstück ist gross, man kann darauf machen, was man will. Und es kostet nur 400'000 Quetzales. Es ist ihm ernst mit dem Angebot. Er schreibt mir seinen Namen und Telefonnummer auf.

Ob er denn für seine Kinder auch noch Land habe, will ich wissen. Ja, genügend, jedes bekommt ein Stück Land. Es ist nur so, dass wir kein Geld haben, um selber etwas darauf zu bauen. Ein Haus zum vermieten zum Beispiel, so dass man sich ein Einkommen schaffen könnte.

Veronico erzählt von den Möglichkeiten, die man in den USA hätte. Es ist schwierig dahin zu kommen, ich weiss das. Viele schaffen es nicht, viele müssen zurück oder sterben auf dem Weg dahin. Aber wenn sie es geschafft haben, können sie die Schulden, die sie zu Hause während Jahren gedrückt haben, in zwei Jahren abzahlen.

Ich spüre, wie schwierig die Entscheidung für ihn ist. Er würde gern gehen, doch dann müsste er seine Frau und die jüngste Tochter im Stich lassen.

Ich kaufe ihm einen Schlüsselanhänger ab und eine Halskette.

Inzwischen ist auch Susi zurück gekommen und Veronico überlässt uns die beiden Hängematten bei der Hütte der Wärter und hat jetzt ein paar wichtige Dinge zu erledigen. Wahrscheinlich wird in der Hütte gekocht, es ist Zeit für's Mittagessen. So geniessen Susi und ich die Geräusche des Dschungels in der Hängematte, die Vögel, die sich ihre Botschaften durch die Bäume zurufen, die Brüllaffen die irgendwo ihre Fehden austragen und die Insekten, die unentwegt ihr Sirren ertönen lassen.

Während wir unter den hohen Bäumen faul in den Hängematten dösen, sind die anderen hinauf gestiegen. Bis zur Akropolis und dem Palast.
Bestimmt hat ihnen MM René von den letzten Schlachten, den letzten Auseinandersetzungen der Mayas erzählt. Noch sind die Forschungen noch nicht so weit, dass man es ganz genau weiss, aber man vermutet, dass die Herrscher ihre Reiche ausbreiten wollten, dass sich dabei der Herrscher von Tikal und der von Aguateca in die Quere kamen. Es müssen harte Kämpfe gewesen sein, die hier in den Wälder ausgetragen wurden. Vielleicht auch Verhandlungen, vielleicht Kämpfe.

Jedenfalls ging das Mayareich in dieser Gegend, auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung zu Ende. Der letzte Herrscher zog sich um 830 hierher zurück, musste aber mitsamt seinem Hofstaat unter Zurücklassung all seiner Besitztümer fliehen.

Zum Abschluss der Tour hat René noch einen ganz besonderen Vorschlag: Wer wagt mit mir den Abstieg durch die Schlucht? Die Schlucht war der natürliche Schutz der Stadt gegen Feinde.

Wir haben eine sehr sportliche Gruppe, die Hälfte geht mit, die anderen kehren mit mir zurück zu den Booten. Allerdings entlässt er sie nicht einfach so: Nehmt Eure Uhren ab, geht in euch, hört auf die Stimmen des Waldes, fühlt die Kraft der alten Stadt - und dann kehrt zurück zum Wächterhaus. Das ist die Anweisung, die René mitgibt, bevor er mit der Abenteuer-Gruppe in die Schlucht einsteigt.

Wir machen uns mit dem ersten Boot auf die Rückfahrt und diesmal trifft es Kobi, der dem Bootsführer helfen muss, das Boot durch die seichte Stelle zu stossen.

Bald nach uns erreichen auch die anderen die Lodge. Ein Himmelreich für eine kühle Dusche! Bald sind alle wieder frisch und voller Freude über das Erlebte. Das Mittagessen schmeckt doppelt so gut und dann heisst es leider schon Abschied nehmen. Abschied von den freundlichen Gastgebern, den beiden Köchinnen, die es geschafft haben, leichte Gerichte aus ihrer einfachen Küche auf den Tisch zu bringen.

Noch einmal fast zwei Stunden auf dem Fluss, noch einmal bei der Fähre vorbei, dann erreichen wir den kleinen Hafen. Und selbstverständlich steht bereits Antonio mit dem Bus da. Es klappt einfach alles wie am Schnürchen.

Eine Stunde später heisst es Abschied nehmen von Antonio. Er hat uns sicher durch das Land gefahren. War immer zur Zeit zur Stelle, nie mussten wir auf ihn warten. Der grosse Bus ist uns fast ein wenig heimelig geworden, wenn wir von Booten oder Pickups wieder einsteigen durften.

Antonio hat einen grossen Applaus verdient und ein schönes Trinkgeld. Er wird jetzt noch Richtung Süden fahren, denn seine Familie wohnt in der Nähe von Coban, Guatemala. Übrigens fährt auch das gelbe Monster mit ihm mit, das sich als freundlicher Pluto erwiesen hat und seiner kleinen Tochter bestimmt Freude machen wird.

Wir sind am Flughafen von Peten angekommen. Jetzt werden Koffer und Handgepäck flugtauglich gemacht. Wir checken ein und müssen zum ersten Mal auf dieser Reise wirklich warten. Bis der Flug aufgerufen wird, bis wir einsteigen können. Starten zu unserer letzten Etappe, zu den letzten Tagen in Antigua, der alten Hauptstadt, wo wir nach einer halben Stunde Flug und einer Stunde Busfahrt eintreffen.

Wir haben einen neuen Chauffeur. Ismail heisst er und mit seinem grossen Hut und dem breiten Grinsen kommt er uns vor wie ein echter Strassencowboy.

Nach dem Zimmerbezug haben wir freien Ausgang. Zu zweit oder in Gruppen schwärmen wir aus.

Ich mache einen Rundgang auf dem nahen Hauptplatz und treffe dann auf Bruno und Silvana. Zusammen finden wir auf der Dachterrasse eines nahen Lokales mit vielen Jungen und lauter Musik einen etwas ruhigeren Platz für ein kleines Nachtessen. Dann ist es auch für mich Zeit, zu schlafen. Es war der Tag der Gegensätze. Aus der ruhigen Dschungellodge direkt in das quirlige Antigua, das sich für die grossen Karfreitagsprozessionen bereit macht.

Fladi und Listo

Sie kamen mit auf die Tour nach Aguateca. Ja, sie machten gar die ganze schwierige Schluchttour mit. Kletterten über Steine, genossen die Aussicht vom Aussichtspunkt und versuchten den Ausführungen von René über die Mayas zu folgen.

Auf der Rückfahrt fand es Listo aber nicht sehr cool, dass er beim Stossen des Bootes mithelfen musste, und als beim Eintreffen in der Lodge auch noch die Hängematte von Pluto besetzt war, war seine gute Laune vorbei.

Ich konnte ihn grad noch abhalten, der Rettungsflugwacht oder dem Tierschutz zu telefonieren, um ihn hier rauszuholen, denn er befürchtete schon, er müsse jetzt hier bleiben. Vielleicht haben wir auch etwas zu viel darüber spiintisiert, dass wir jetzt wie Robinson auf uns angewiesen seinen, vor allem wenn das Wasser weiter zurück ginge.

Zum Glück liess er sich dann aber beruhigen, weil ich ihm erklärte, dass wir nach dem Mittagessen zurück in die Zivilisation fahren würden.

Ayuto, ayuto, ich bin Listo, holt mich hier raus!

Ayuto, ayuto, ich bin Listo, holt mich hier raus!

Im Flugzeug wurden Fladi und Listo von der Stewardess freundlich empfangen, Fladi studierte danach sorgfältig die Sicherheitsbestimmungen. Nachdem sie sich zusammen auch noch im Cockpit umgesehen hatten, sassen sie beruhigt auf ihrem Sitz und genossen den Flug.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Knapp drei Wochen werde ich auch dieses Jahr wieder mit ein paar Freunden durch Guatemala reisen. Farbige Märkte, fröhliche Menschen, Vulkane, Maya-Pyramiden im Dschungel zwei Ozeane und noch vieles mehr steht auf dem Programm. Reisen Sie mit uns ins Land des ewigen Frühlings.
Details:
Aufbruch: 04.04.2019
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 21.04.2019
Reiseziele: Guatemala
Honduras
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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