Guatemala - Land des ewigen Frühlings
Chichicastenango
Im Hotelgarten entdeckt: Granatäpfel
Letzter Morgen am Atitlansee. Es heisst Abschied nehmen von David, der noch einmal gekommen ist, um die letzten Kugelschreiber abzuliefern. Das Boot bringt uns zurück nach Panajachel, wo uns Antonio mit dem grossen Bus erwartet.
Wir fahren die steile Strasse wieder hinauf bis zum Kraterrand. Denn auch wenn es nicht auf Anhieb ersichtlich ist, der Atitlansee liegt in einem riesigen Krater, der von den Vulkanen gestaltet und zu seiner heutigen Form kam. Steil geht die Strasse hinauf und verlangt in den engen Kurven die volle Aufmerksamkeit unseres Chauffeurs. Wir fahren durch Solola, wo wir noch vorgestern über den Markt geschlendert sind, passieren die grosse Kreuzung Los Encuentros und fahren dann Richtung Chichicastengango.
Durch Dörfer, vorbei an vielen unterschiedlichen Kirchen, was René zum Anlass nimmt, über Religionen in Guatemala zu erzählen. Ursprünglich von den Spaniern, die versuchten, die alten Mayagötter zu vertreiben, katholisch getrimmt, wenden sich heute immer mehr Menschen den anglikanische Kirchen zu, die die spirituellen Bedürfnisse der Leute besser befriedigen können. Die Menschen sind sehr religiös, glauben an Gott, der ihnen in schwierigen Situationen hilft. Wenn Versicherungen und andere soziale Auffangnetze fehlen, bleibt nur der Glaube an einen gütigen Gott. Im Alltag zeigt sich das, indem viele Menschen sich bekreuzigen, wenn sie an einer Kirche vorbei kommen. Briefe oder Emails werden oft mit ‚que Dios te bendiga‘ eröffnet oder geschlossen – Soll Gott dich segnen. Und bei grossen Problemen wendet man sich nicht selten an einen Schamanen, der an verschiedenen Orten Zeremonien veranstaltet. Zwar oft vor Kirchen, aber meistens ist da mehr Mayakultur, als christliches Gedankengut vorhanden. Die Menschen verstehen es seit jeher hervorragend, ihre alten Gebräuche mit den Vorgaben der Eroberer zu mischen.
Einer dieser Kultorte ist Chichigastenango. Auf der alten Kultstätte wurde die heutige Kirche gebaut. Da der Ort sehr zentral liegt und das Umland fruchtbar ist, findet hier auch jeden Sonntag und Donnerstag ein riesiger Markt statt.
Dieser ist das Ziel unserer jetzigen Fahrt.
In Chichi angekommen, zeigt uns René zuerst unseren Treffepunkt, das Hotel Santo Tomas mit dem schönen Innenhof und den Papageien und dann führt er uns in die Markthalle. Oben auf der Galerie hat man einen wunderbaren Überblick auf das bunte Treiben. Bestimmt wurde so der Mal-Stil der Vogelperspektive erfunden. Von hier oben sieht man nur die Köpfe mit den glänzend schwarzen Haaren über bunten Kleidern zwischen dem frischen Gemüse wandeln.
Dann drängen wir uns in den Einheimischenmarkt unter dem Wellblechdach. Was jetzt abläuft lässt sich kaum mehr beschreiben. Wir werden geschupst und gestossen, benutzen Ellbogen und Hüften, um ein paar Zentimeter vorwärts zu kommen. Durch das ganze Gewühl drängen sich Frauen in ihren bunten Trachten mit Babys auf dem Rücken, kleine Kinder verkaufen farbige Flöten, Männer schleppen schwere Kisten und in Tücher eingewickelte Waren auf dem Rücken, während die Frauen ihre Einkäufe nicht selten auf dem Kopf tragen. Oder in ein Tuch eingeschlagen auf dem Rücken. Falls den Platz nicht bereits ein Baby eingenommen hat.
Das Angebot ist riesig. Eigentlich alles was man zum Leben braucht. Frisches Gemüse und Früchte, Getreide, Maismehl, Gewürze, aber auch Kleider, Messer, Kosmetik, Unterwäsche. Auch bunte Garne für die Stickereien der Textilien fehlen nicht, und frisch gekochte oder fritierte Hühnchenteile, wie Hühnerbeine oder Köpfe Daneben liegt getrockneter Fisch in Körben und an Stangen hängen halbe Tierkörper.
In der Mitte des Marktes liegt der Verpflegungsbereich. Hier wird gekocht und gebrutzelt, Gemüse gerüstet, Fleisch gehackt und Suppe gekocht. Natürlich fehlen auch die allgegenwärtigen Tortillas nicht.
An einem Stand mit typischen Trachten erklärt uns René die Kleidung der Frauen, die aus einem reich bestickten Oberteil und einem Wickerock besteht. Die Teile sind teuer und so eine Tracht kann ohne weiteres ein Drittel eines Monatslohnes ausmachen. Kein Wunder werden die Kleider immer getragen. Egal wie die Temperaturen sind.
Als nächstes besuchen wir die beiden sich gegenüber liegenden Kirchen. In der kleineren Calvarian-Kapelle werden die grossen Schreine für die kommenden Prozessionen aufgebaut und geschmückt.
Davor unterhalten zwei Männer ein kleines Feuer und opfern Kerzen. Eine Schamanenzeremonie.
Die grosse weisse Treppe vor der Kirche Santo Tomas ist eigentlich für Fremde tabu. Doch das scheinen die beiden Touristinnen nicht zu wissen, jedenfalls sitzen sie mitten zwischen den Blumenfrauen und geniessen die Aussicht über das bunte Markttreiben.
Im Inneren ist fotografieren verboten. Ausser man spricht ein wenig mit den Leuten, die gerade dabei sind, die Heiligen für die Prozession fit zu machen. Mit viel Blumen, farbig glänzenden Papierschnipseln und Folien werden die Figuren geschmückt. Auch Geld wird ihnen in die Kleider gesteckt.
So kommt es, dass ich für ein paar Quetzales dann doch ganz legal ein Foto schiessen darf. Zwar spricht mich ein junger offiziell gekleideter Mann noch an, und erklärt, dass Fotografieren verboten sei, doch als ich versichere, das ich meinen Obolus in das bereit gestellte Körbchen gesteckt und der daneben hockende Mann das bestätigt, darf ich ein Foto machen. Das ist heute ganz besonders interessant. Noch nie habe ich so viele Kerzen auf den niederen Altaren brennen sehen. Menschen zünden sie unter Gebeten an, streuen Blumenblätter dazwischen und giessen oder spritzen Alkohol dazu.. Dann knien sie nieder und beten inständig zu ihrem Gott, der ihnen in ihrer Not helfen soll.
Daneben schmücken Mitglieder einer Kirchgemeinde ihre Heiligenfiguren. Diego, der Präsident einer der Kongregationen erzählt, dass bereits gestern eine Prozession durch das Dorf gezogen ist. Auch erzählt er, dass er einen grossen Parkplatz am Eingang des Dorfes besitzt und dadurch oft Kontakt mit Ausländern hat.
Nach diesem interessanten Besuch finde ich die Gruppe beim Mittagessen in einem Restaurent im zweiten Stock eines Hauses mit Aussicht auf das Treiben auf der Strasse und dann kehren wir zurück zum Hotel. Flirten noch ein wenig mit den Papageien im Garten und dann geht die Fahrt weiter ins Hochland.
Wir fahren über den Alaska-Pass und kommen fast bis auf 3000 Metern wo Nebelschwaden über Strassen und Wälder ziehen.
Bei der grossen Kreuzung Cuatro Caminos legen wir einen kleinen Halt ein. Einfach einen Moment an der Kreuzung stehen und sehen, was da so abläuft.
Laut hupend fahren die farbigen Busse aus allen Richtungen vor. Der Adjudant springt aus dem Bus, sucht Passagiere, holt das Gepäck vom Dach. Der Adjudant eines anderen Busses hilft sofort, dieses wieder auf einem anderen Dach festzuzurren, holt Gäste fast aus dem ausrollenden Bus, um sicher zu sein, dass sie ihm nicht von einem anderen, der die gleiche Strecke fährt, abgeworben werden. Es ist ein ständiges Hupen, Rennen, losfahren und doch noch einmal anhalten und dann endlich doch wegfahren. Falls aber 20 Meter weiter noch jemand an der Strasse steht, der mit will, wird gleich wieder angehalten.
An der Tankstelle spricht eine Frau René an. Sie wurde soeben aus dem Bus gestellt, weil ihr das weitere Fahrgeld gefehlt hat. René hilft ihr mit ein paar Quetzales, so dass die Frau heute noch nach Hause kommt.
Bald danach erreichen wir das Dorf San Andres mit seiner pittoresken Kirche, auf der sich in naiver Malerei christliche und mystische Figuren ein Stelldichein liefern.
Die Männer, die mit einem Auto, aus dem Musik über den Platz dröhnt, die Strasse heraufkommen, bilden keine Prozession, sondern Wahlpropaganda für ihren Kandidaten.
Ein am Strassenrand abgestelltes Auto, das offensichtlich noch im Verkehr ist, erregt die Aufmerksamkeit unserer Männer. Immerhin sind ein paar Garagisten dabei.
Ob sich wohl ein Aufpolieren noch lohnt?
Jetzt ist es nicht mehr weit bis Quetzaltenango, im Volksmund Xela genannt. Hier ist einiges los.
Im Parque herrscht Volksfeststimmung. Verschiedene Verkaufsstände bieten allerlei Klimbim und natürlich jede Menge Verpflegung an. An einer Ecke zeigt ein Marionettenspieler seine Kunst und ein schwarz gekleideter Clown mit kurzem Taftröckchen unterhält die Leute mit seinen improvisierten Spässen. Dass diese eigentlich immer auf Kosten eines Freiwilligen gehen, der sich in die Fänge des Clowns begibt, stört niemanden. Auch uns nicht, als er anfängt, die auffallenden Ausländer mit Sprüchen aus der Reserve zu locken. Am Schluss muss er aber aufgeben, denn German, nein, Deutsch spricht er nicht.
Nach dem Besuch der modernen Kathedrale, die nach einem Erdbeben wieder aufgebaut wurde und auch schon wieder Risse aufweist, fesselt ein Demonstrationszug unsere Aufmerksamkeit.
Es scheint eine Studentendemo zu sein, die auf witzige Art Politiker und Geschehnisse aufs Korn nimmt. Dazu tanzen Mädchen mit Bannern und hübsche Majoretten mit einer als Skelett verkleideten Figur und vermummten schwarzen Gestalten zu den Klängen einer Blaskapelle. Worum es geht, entzieht sich unserem Verständnis.
Als der Zug von einem Polizeiauto gestoppt wird, befürchten wir, mitten in eine Auseinandersetzung zu geraten, doch das Missverständnis löst sich schnell. Der Tod nickt verständnisvoll mit seinem weissen Schäden und der Zug hält an. DIe Polizei hat nur Platz gemacht für die Prozession, die jetzt aus der anderen Richtung kommt. Traditionell gekleidete Mädchen schreiten bedächtig des Weges, gefolgt von Männern in schwarzer Kleidung und einem Schrein, auf dem hoch oben Christus mit dem Kreuz schwankt. Dahinter folgt auch hier eine Blaskapelle, die uns wie die eben gehörte eher an eine Guggenmusik erinnert.
Wir lassen die Prozession vorbei ziehen und gehen dann in ein Restaurant zu einem Kaffee.
Und dann überlassen René und ich die Gruppe. Heute ist freier Ausgang. Auf dem Heimweg passieren wir noch einmal den Hauptplatz, wo inzwischen das Fest weiter geht mit lauter Musik und Tanz und knalligem Feuerwerk.
Auf mich wartet mein bequemes Bett und der Laptop. Ich muss dringend versuchen, die vielen verschiedenartigen Eindrücke dieses Tages, in Worte zu fassen.
Fladi und Listo
Unsere beiden Helden hatten heute die Nase vorn. Sie sassen hinter der Windschutzscheibe und kommentieren laufend was sie sahen. Die Busse, die uns abenteuerlich überholen, und kaum waren sie vorn, wieder anhalten, um einen am Strassenrand wartenden Passagier einsteigen zu lassen. Die Bodenschwellen, über die sich unser Bus ächzend und stöhnend kämpft, die Strassenhunde, die gar nicht daran denken, aus dem Weg zu gehen, sondern nur langsam zur Seite trotten, wenn ein Fahrzeug sich nähert.
Während wir den Markt con Chichi besuchten, machten sie ein ausgiebiges Mittagsschläfchen aber beim Besuch in San Andres stiegen sie auch aus. Sie suchten sich den bequemsten Träger, respektive Trägerin und hatten danach nur Unfug im Sinn. Die farbige Fassade gefiel ihnen ganz besonders gut, da konnten sie sich fast unsichtbar verstecken und fast wären sie mit einem Pickup, der auf dem Parkplatz stand, abgehauen.
Im Bus sassen sie dann aber auf getrennten Sitzen und schienen ungestört sein zu wollen.
Sobald wir aber im Hotel ankamen, übernahm Fladi das Checkin, während sich Listo an den Wasserspender hängte.
Wohin sie sich dann verzogen, weiss ich nicht, hoffe nur, dass sie nicht der Prozession gefolgt sind...
Aufbruch: | 04.04.2019 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 21.04.2019 |
Honduras