Guatemala - Land des ewigen Frühlings
Copan
Ich habe wunderbar geschlafen im grossen Zimmer mit den breiten Betten. Eines hätte auch genügt, aber ich geniesse den Luxus des Doppelzimmers, zur Alleinnutzung. Die Klimaanlage musste allerdings fast die ganze Nacht laufen, und gegen Morgen versuchte ich, den gestrigen Tag in Worte zu fassen, aber ich war noch zu müde und ausserdem ist das Netz hier im Zimmer viel zu langsam. Also höre ich beim Tageserwachen den Vögeln zu, die vor dem Fenster im blumengeschmückten Innenhof den Tag begrüssen.
Wir gehen zu Fuss zu den Ruinen von Copan.
Beim Eingang gibt uns MM René anhand des Reliefs einen kurzen Überblick. Copan hat eine Geschichte von gut 300 Jahren mit 17 Herrschern. Auf dem Höhepunkt war der dreizehnte Herrscher, sein Name war 18 Kaninchen. Seine Geschichte wird hier erzählt.
Beim Eingang zur Stätte gibt es eine Zuchtstation für Aras. Das Projekt ist zu einem grossen Erfolg geworden und die Erfahrungen, die hier gemacht werden, dienen auch an anderen Orten bei der Zucht und Wiedereingliederung dieser wunderbaren Vögel in der Natur. Trotzdem ist das erste Tier, dem wir begegnen, ein Truthahn. Kurz darauf läuft uns auch noch ein Aguti, ein Goldhase über den Weg.
Später kommt noch eine Armada von grossen schwarze Ameisen auf dem Weg zur Arbeit dazu.
Ein Aguti
Steinerne Wege führen in den Dschungel, dicke Äste breiten sich auf den Wegen aus, verwunschene Zeichen tauchen an Steinen auf. Wir folgen MM René zum ersten Tempel, wo er uns die Mayawelt erklärt.
Oben und unten gehören gleichwertig zur Mayaphilosophie. Oben die Welt der Götter, mit dem Windgott, der eine Rassel trägt in der Mitte der breiten Treppe. Unten als Zeichen der Unterwelt und Wächter zum Totenreich das Krokodil,, das sein steinernes Maul aufreisst.
Beim Altar mit den 16 Herrschern werden wir von oben beobachtet. Eine ganze Reihe grauer Totenköpfe schaut uns aus hohlen Augen an.
René erzählt, wie jeder Herrscher auf den Gebäuden seiner Vorgänger seine eigenen Tempel errichten liess. Bei einigen Tempeln hat man mehrere verschiedene Schichten von älteren Pyramiden gefunden. Zur Zeit vom 13. Herrscher, eben zur Zeit von 18 Kaninchen war die Stadt auf dem Höhepunkt.
Spätere Herrscher waren vor allem damit beschäftigt, den Standart aufrecht zu halten, genügend Ressourcen zu haben, sich gegen angreifende Gegner zu verteidigen, die Stadt war dem Untergang geweiht, Längst hatte man die Felder um die Stadt an die Grenzen des Ertrages gesteigert, das Wasser aus dem Fluss verbraucht, die Wälder rundum abgeholzt. Nach dem 17. Herrscher verschwand die Stadt aus der Geschichte.
Gott mit seiner Windrassel
Altar mit 16 Herrschern
Da scheint jemand abgeschleppt zu werden.
Der alte Mann im Wald
Während Pia und Heidi sich in den Untergrund trauen, sie gehen mit dem Guide in die Tunnels, die von den Forschern gegraben wurden und in denen man die verschiedenen Tempel, die übereinander gebaut wurden, erkennen kann, ruhen wir uns im Schatten einiger hohen Bäume aus.
Die Sonne brennt heiss vom Himmel, die Schatten sind fast verschwunden. MM erklärt, dass man sich auf dem Ballspielplatz kein Fussballspiel vorstellen sollte. Der Ball war ein schwerer Gummiball, der mit Achseln, Hüften, Ellbogen weggestossen wurde. Ziel war es einen der Papageienköpfe zu treffen. Dass der Sieger den Göttern geopfert wurde, verweist er ins Reich der Mythen. Die Spiele waren rituelle Handlungen, die Ausführenden gehörten zu den besten des Staates. Die werden sich kaum geopfert haben.
Konkret ist es so, dass man bis heute nichts genaues über das Spiel und seine Regeln weiss.
Auch wenn die Geschichte Copans auf der Hieroglyphen Treppe gleich nebenan im Detail beschrieben ist. Die Treppe ist wohl das grösste Buch der Welt. Leider war es bei der Entdeckung bereits zerstört oder es wurde von den ersten Ausgrabern zerstört, jedenfalls ist der erste Teil des Textes willkürlich wieder eingesetzt worden und wird jetzt anhand von Computergrafik mühsam wieder rekonstruiert.
Auf der Treppe sitzen die Herrscher, zuvorderst der 15. der die Treppe errichten liess. Hinter ihm sitzen seine Vorgänger, wobei der 13, unser bekannter 18 Kaninchen inzwischen in den USA, in Boston im Museum steht.
Wir sehen uns noch kurz auf dem grossen Feld mit den Stelen um. Es sind hier die filigransten Stelen, die es im Mayareich gab, denn sie sind aus Lavastein gemacht, der der Witterung widerstanden hat. Alle sind in Ost-West-Richtung ausgerichtet. Osten, der aufgehenden Sonne entgegen, im Westen dem Alter und Zerfall gewidmet.
So zeigt uns René anhand von zwei aufgerissenen Schlangenköpfen auf einer Figur, die jemand einmal als ausserirdisches Motorrad bezeichnete, wie auf der einen Seite ein junges Wesen dem Rachen entsteigt auf der anderen Seite ein Greis.
MM könnte noch endlos erzählen, doch inzwischen ist es so heiss geworden, dass wir unweigerlich dem Ausgang zu streben.
Einige nehmen dann noch den Weg zum Hotel unter die Füsse, während ich mich mit den anderen per TucTuc aufmache.
Ein paar Stunden später sind wir bereit für neue Abenteuer. Ein paar sind durch das Dorf gebummelt, haben in einem der kleinen Lokale zu Mittag gegessen oder auch nur einen Kaffee getrunken, andere haben am Pool oder im Bett gelesen, noch andere, wie ich zum Beispiel, im Zimmer geschlafen. Ich war ziemlich erschöpft, hatte die letzten Nächte wegen dem Schreiben nie durchgeschlafen. Darum hatte ich die Pause einfach nötig, auch wenn dadurch der vorherige Tag textlich auf der Strecke bleibt.
Vor dem Hotel stehen zwei Fahrzeuge, ein Pickup und ein Minibus. Schnell haben wir unsere Plätze gefunden, die Fahrt kann beginnen. In Copan bestehen die Strassen aus einem groben Kopfsteinbelag aus runden Bachbettsteinen. Unterbrochen werden diese durch Senken und Löcher und andere Unebenheiten. Ausserdem sind die Strassen schmal und extrem steil. Kein Wunder blieb unser Bus am Dorfrand stehen und konnte sich nicht bis zum Dorfplatz durchkämpfen.
Doch unsere beiden Transportfahrzeuge sind von hier, sind sich diese Strassen gewohnt und schon bald sind wir ausserhalb der Stadt. Unterwegs haben wir noch eine junge Frau aufgeladen. Zur grossen Freude unserer Männer setzt sie sich hinten auf den Pickup.
Wir fahren durch kleine Weiler, mir fallen die vielen Neubauten auf, die grauen Backsteinmauern, die festen Häuser neben all den wackeligen Bretterverschlägen.
Ja, meint Oscar, unser Fahrer. Die Leute hier haben ihre Fincas, ihre Kaffeefelder. Sie haben genug zum Leben. Der Verkauf des Kaffees erlaubt es ihnen, Autos zu kaufen, neue Häuser zu bauen. Das war nicht immer so, früher lebten hier vor allem sehr arme Leute. Jetzt lassen die Kaffeepflanzen allerdings die Blätter hängen, es hat schon sehr lange nicht mehr geregnet, wir erwarten dringend Regen. Ja, tatsächlich, auch in den Ruinen ist uns am Morgen die enorme Trockenheit aufgefallen.
Nach knapp einer Stunde erreichen wir die Thermalquellen Jaguar Spa. Bald sind wir alle in Badehosen und überqueren die wackelige Hängebrücke. Auf der anderen Seite erwartet uns der Weg in den Untergrund. Ein steinerner Durchgang, der auf einen Weg über das Wasser führt. Wir sind im Dschungel und überall gibt es Wasser. Es sammelt sich in kleinen Becken, fliesst über Steine in untere Bereiche, springt als Wasserfall über eine Brüstung. Ganz oben liegt die Quelle, darüber führt eine gedeckte zweistöckige Brücke. Dass die oberen Becken viel zu heiss sind, um sich hinein zu setzen, ist uns bald klar. Etwas weiter unten, dort wo man aus einem Gefäss Lehm nehmen kann, um ihn in Gesicht und Arme zu verteilen, da ist es bedeutend angenehmer. Und ganz unten im grösseren Pool mit der Höhle ist es schon sehr schön. Ein paar zieht es hinunter in den Fluss um sich abzukühlen, ich gehe zurück über die Hängebrücke zum grossen Pool, wo das Wasser zwar noch immer heiss, aber immerhin auszuhalten ist. Wir waren schon öfters in diesen Thermalbecken. Der Grund, dass es heute so heiss ist, könnte sein, dass es schon lange nicht mehr geregnet hat und das Wasser keine Abkühlung bekommt.
Hier muss ein alter Maya-Geist auferstanden sein... - direkt über der heissen Quelle
Bruno
Später gibt es Nachtessen im Pavillon des Restaurants. Unglaublich, was da alles aus der winzigen einfachen Küche geliefert wird: Bohnenmus mit Nachos, scharf eingelegte Gemüse, Trockenwurst, gegrilltes Huhn mit viel Gemüse und Kartoffeln. Dazu in verschiedenen Schälchen Reis und andere Zutaten. Es schmeckt alles wunderbar.
Und dann wird es Zeit zum Aufbruch. Zurück nach Copan über stockdunkle Strassen. Strassenbeleuchtungen gibt es höchstens bei den Weilern. Die wenigen Autos, die uns begegnen haben zum Glück alle eine Beleuchtung. Mindestens vorne oder hinten, manchmal auf beiden Seiten.
Zurück im Hotel macht René den Vorschlag, seinen Freund Thomas aus Sachsen zu besuchen. Er führt im Ort ein kleines Kellerlokal mit eigener Brauerei. Ich verziehe mich indessen ins Restaurant, wo das Internet erträglich schnell ist und mithilfe von zwei Pinacoladas entsteht der Bericht von gestern.
Fladi und Listo
Am Morgen blieben die beiden länger liegen. Sie wollten den Vormittag vor dem Fernseher verbringen, bestimmt würde irgendwo ein Match gezeigt. Ausserdem bleiben wir noch eine Nacht in diesem Hotel, da passt das ganz gut. Und Tote Steine würden ihn eh nicht interessieren, piepste Fladi noch.
Doch kurz nachdem wir zurück waren, waren sie weg. Jemand fand noch Spuren im frisch ausgebrachten Beton, doch die beiden waren verschwunden. Abgehauen.
Erst als wir am Abend von den Thermalquellen zurück kamen, waren sie wieder da. Ziemlich aufgewühlt.
Fladi hatte bei unseren Erzählungen etwas von 18 Kaninchen aufgeschnappt und wollte sich selber erkunden, was es damit auf sich hatte. Dass er einen Verwandten mit einem so grossen Namen und Einfluss hatte, liess ihm keine Ruhe. Dass dieser aber dann auf dem Höhepunkt seines Lebens nach Quirigua fuhr und nicht mehr zurückkam, hat ihn ziemlich aufgewühlt. Er wollte sich in den Ruinen vergewissern, ob er nicht doch wieder zurück gekommen sei. Doch er fand keine Antwort auf all seine Fragen. Listo war in dieser schwierigen Zeit natürlich an seiner Seite.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich die beiden der Gruppe anschlossen, die in einem kleinen Bierkeller noch auf einen Schlummertrunk gingen. Ob sie dabei in ihrem Kummer doch etwas zu tief ins Glas geschaut hatten, kann ich nur vermuten, jedenfalls sprechen die Bilder, die mir zugespielt wurden, eine deutliche Sprache.
Aufbruch: | 04.04.2019 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 21.04.2019 |
Honduras