Ein kölsches Mädsche unter Schweizern
Städtetouren: Neuchâtel
Da hier nach einer Woche Regen und Schnee seit gestern endlich wieder die Sonne scheint, habe ich die Zeit genutzt, auch mal hier in Neuchâtel etwas "Sight-Seeing" zu betreiben. Das Ergebnis: Das Städtchen mag ja recht klein und überschaubar sein, aber hat für Interessierte durchaus mehr zu bieten, als nur die schönen Gässchen und den traumhaften See.
Was bei einem Bummel durch die Stadt direkt ins Auge fällt: Nicht nur die Hauptstadt Bern hat schöne Brunnen, auch Neuchâtel kann mit einigen dieser Sorte aufwarten. Allen voran der "Fontaine de la Justice", der Gerechtigkeitsbrunnen, den man im Zentrum der Innenstadt findet. Dieser wurde zwischen 1545 und 1547 von Laurent Perroud gemeisselt. Die Figur der Justizia - mit Augenbinde, Waage und Schwert ausgestattet - dominiert das achteckige Becken, zu ihren Füßen versinnbildlichen vier Köpfe die verschiedenen Regierungsformen der damaligen Zeit: ein Papst, ein Schultheiss, ein Kaiser und ein Sultan.
Quasi um die Ecke findet man den "Fontaine du Banneret", den Bannerherr-Brunnen. Er gilt als der älteste Brunnen Neuchâtels und diente - ursprünglich außerhalb der Stadtmauern gelegen - als Tränke für Kühe und Pferde. Später wurde er vergrößert und 1581 verlieh ihm ebenfalls Laurent Perroud sein heutiges Aussehen.
Auf der "Rue du Château", nahe dem Bannerherr-Brunnen - hier ist ja alles relativ nah beieinander - steht der Greifenbrunnen, der "Fontaine du Griffon". Um ihn mit Wasser zu versorgen, erhielt die Stadt 1649 das Übermaß des für das Schloss bestimmten Wassers. 1664 wurde der Brunnen schließlich fertiggestellt, wovon das Schild, das der Greif in seinen Fängen hält, heute noch zeugt. Kleines Schmankerl am Rand: Charles-Paris d'Orléans und sein Bruder ließen anlässlich eines Besuchs im Jahre 1668 bei Volksfesten Wein anstatt Wasser in den Brunnen fließen - sehr nett
Der letzte erwähnenswerte Brunnen der Stadt, findet sich schließlich auf dem Rathausplatz. Er ist im Stil Louis XVI erbaut; das große Brunnenbecken wurde aus einem einzigen Felsquader gehauen und zwei kleinere Becken sowie eine Säule vervollständigen das Bild.
Highlight jeder Besichtigungstour ist natürlich das Château, dessen Ursprung auf das 12. Jahrhundert zurückgeht. Ein Rundgang, der an den Außenseiten des Schlosses entlang führt, gibt einen Überblick über die verschiedenen Gebäudeteile, die sich um einen großen und einen kleinen Schlosshof gruppieren. Das Westportal aus dem späten 15. Jahrhundert stellt ein imposantes Festungswerk dar. Zwei Türme umrahmen hier den zentralen Teil mit ausgehauenem Spitzbogentor, darüber befinden sich Fenter mit steinernen Fensterkreuzen. Der große Schlosshof vermittelt trotz der Baustile aus verschiedenen Epochen den Eindruck einer starken, uneinnehmbaren Einheit. Hier möchte man wirklich kein Gefangener sein
Das Schloss von Neuchâtel ist übrigens heute noch Sitz der Kantonalen Verwaltung. Während der Sommermonate werden hier kostenlose Führungen angeboten, bei denen man den Rittersaal und andere wichtige Räumlichkeiten zu sehen bekommt.
Direkt an das Schloss grenzt die Stiftskirche, deren Bau Ende des 12. Jahrhunderts begann und die schließlich 1276 eingeweiht wurde. Gegenüber des Schlossportals fallen vor allem drei Bögen durch ihren romantischen Baustil ins Auge. Des weiteren findet sich hier ein ebenfalls in jenem Stil erbauter Kreuzgang.
Eine weitere Sehenswürdigkeit Neuchâtels ist das "Hôtel DuPeyrou", ein von prachtvollen Gärten umgebener Herrschaftssitz im Stil Louis XVI, der in den Jahren 1765-1770 von dem Berner Architekten Erasmus Ritter für Pierre-Alexandre DuPeyrou erbaut wurde. Dieser war übrigens ein enger Freund Jean-Jacques Rousseaus und veröffentlichte 1788 in Genf, nach dem Tod des Dichters, die erste vollständige Ausgabe seiner Werke.
Auch einen Besuch wert ist das Rathaus der Stadt, das zwischen 1784 und 1790 gebaut wurde. Auf dem östlichen Giebeldreieck sieht man die Göttin Minerva, das Freiheitssymbol und natürlich das Wappen Neuchâtels. Auf der Westseite hingegen symbolisieren zwei geflügelte Figuren den Handel und Überfluss. Im Inneren des Gebäudes ist außerdem ein durchaus sehenswerter Modellbau der Stadt aus dem 18. Jahrhundert ausgestellt.
Falls dem interessierten Besucher nach so viel Kultur nun langsam der Sinn nach einer Verschnaufpause und einer Tasse Kaffee steht, ist er auf dem Marktplatz richtig aufgehoben. Hier finden sich nicht nur viele kleine Cafés, sondern auch sehr schöne Häuserfassaden aus dem 18. Jahrhundert. Das auffälligste Gebäude des Platzes ist das "Maison des Halles", die Markthalle. Einst Kornspeicher und Stoffmarkthalle wurde es zwischen 1569 und 1575 von Laurent Perroud (Ja, dieser Herr hat so einiges in Neuchâtel getan ) gebaut und reichlich mit Renaissance-Ornamenten ausgestattet. Heute findet sich hier ein Restaurant.
Tipp: Jeweils Dienstag-, Donnerstag- und Samstagvormittag wird zudem ein Markt auf dem Platz abgehalten.
Direkt neben dem Marktplatz findet sich dann der zweite große Platz der Stadt, der "Place Pury", der nach David de Pury, einem besonders großzügigen Gönner der Stadt, benannt wurde. Er vermachte Neuchâtel sein gesamtes Vermögen und ließ mehrere der heute historischen Gebäude errichten.
Alles in allem, bietet das kleine, beschauliche Neuchâtel doch viele Sehenswürdigkeiten, auch wenn diese vielleicht nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sind. Aber wer sich die Mühe macht, ein bisschen zu suchen, wird sicherlich dafür belohnt werden Also: Viel Spaß dabei!
Auf der "Rue du Seyon", einer der Haupteinkaufstraßen der Stadt, erinnert dieses künstlich angelegte Bächlein an eben jenen Fluss Seyon, der früher mitten durch die heutige Innenstadt floss.
Aufbruch: | 05.03.2007 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 02.07.2007 |
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