Ein kölsches Mädsche unter Schweizern

Reisezeit: März - Juli 2007  |  von Janine Gruschwitz

Städtetouren: Genf

So, nachdem der Bericht über Luzern so lang und detailreich geworden ist, werde ich mich bemühen unseren Besuch in Genf zügig und sachlich abzuarbeiten...aber ich kann für nichts garantieren Jede einzelne Stadt hier in der Schweiz ist einfach zu schön und einmalig, als dass ich nicht beim Schreiben ganz unbewusst ausschweifen und ins Schwärmen geraten würde - sorry!

Also: Genf ist mit seinen 168.000 Einwohnern nun mal wirklich eine Großstadt...jedenfalls für Schweizer Verhältnisse Sie ist Hauptstadt des gleichnamigen kleinen Kantons und lebt nicht nur aufgrund ihrer geographischen Lage in enger Nachbarschaft mit dem französischen Ausland, sondern ist vielmehr die wohl am stärksten international orientierte Stadt der Schweiz. Hier findet sich nämlich nicht nur der europäische Sitz der UNO (etwas kurios meiner Meinung nach, da die Schweiz ja gar kein Mitglied der Vereinten Nationen ist...aber gut!) und der EFTA (der Europäischen Freihandelsassoziation), sondern auch viele weitere internationale Organisationen. Daher überrascht es auch nur wenig, dass der Ausländeranteil in Genf bei ungefähr 30 Prozent liegt und so ziemlich alle Nationalitäten hier vertreten sind, was bei einem Bummel durch diese fast schon kosmopolitische Stadt sofort auffällt. Andererseits schafft es Genf dennoch seinen Charme zu bewahren und wird nicht umsonst oft "Klein-Paris" genannt. Bei einem Blick auf den Lac Léman (besser bekannt als "Genfer See"...wir erinnern uns, dass wir diesem schon bei unserem Besuch in Lausanne begegnet sind...) und den glitzernden Montblanc in der Ferne, weiß man dann auch warum...

Stadtgeschichte - diesmal auch wirklich ganz kurz: Die frühesten Siedlungsspuren in dieser Gegend reichen sogar bis in die Steinzeit zurück. Im 4. Jahrhundert christianisiert, kam der Ort 443 unter die Herrschaft der Burgunder, später ging er an die Franken und 1032 schließlich an den deutschen Kaiser. 1532 erfasste die Reformationsbewegung die Stadt an der Rhone und Jean Calvin machte sie zum Zentrum des neuen Glaubens. 1584 wurde der erste Bund mit Bern und Zürich geschlossen, 1798 besetzten die Franzosen Genf und nach dem Sturz Napoleons wurde die Stadt 1815 als 22. Kanton in die Eidgenossenschaft aufgenommen.

Am Bahnhof angekommen führte uns der erste Gang wie immer zur Information, um uns einen Stadtplan zu organisieren. Da dieser allerdings ausnahmsweise mal keine Touristenroute vorschlug, haben wir uns unsere eigene Tour gebastelt...hat auch funktioniert
Zuerst haben wir den nördlichen Teil der Stadt erforscht und fernab der Altstadt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten, ein paar andere nette Plätze entdeckt. Allen voran den Park "La Perle du Lac", der seinem Namen mit wunderschönen Bepflanzungen und einem tollen Ausblick auf den See wirklich alle Ehre macht.
Oberhalb schließt sich quasi direkt der botanische Garten Genfs an, in dem man außergewöhnliche Pflanzen und Bäume aus der ganzen Welt findet. Darüber hinaus beeindruckt die Anlage mit Teichen, Wasserfällen, einem tropischen Gewächshaus, einem Steingarten, Vogelvolieren und einem Rehgehege - einfach nett zum Verweilen!

La Perle du Lac

La Perle du Lac

Botanischer Garten

Botanischer Garten

Da fühlt man sich ja wie im Zoo...

Da fühlt man sich ja wie im Zoo...

Auf dem Weg zurück Richtung Innenstadt kommt man zur "Cité International", wo die erwähnten, rund 200 Organisationen ihren Sitz haben. Mittelpunkt ist hier das "Palais des Nations", das 1929-1937 als Sitz des Völkerbundes erbaut wurde und heute den Vereinigten Nationen als europäisches Zentrum dient.
Direkt gegenüber befindet sich außerdem das Internationale Museum des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds, das über die Arbeit der in Genf gegründeten Hilfsorganisation informiert.
Noch ein Stückchen weiter südlich stößt man auf den "Place des Nations", wo neben weiteren internationalen Organisationen auch ein überdimensionaler Stuhl zu finden ist - das musste einfach erwähnt werden

Besagter Stuhl

Besagter Stuhl

Ganz schön international hier...

Ganz schön international hier...

Schließlich sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer Route, dem Bahnhof, angekommen und setzen unseren Erkundungsgang im südlichen Stadtteil fort. Angefangen mit der eindrucksvollen Basilika "Notre Dame" (aber kann mir mal bitte einer erklären, warum die alle gleich heißen...), der römisch-katholischen Hauptkirche Genfs, die erst Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde.
Danach geht es zum ersten Mal auf die andere Flussseite, wo sich fast alle wichtigen Sehenswürdigkeiten Genfs befinden. Günstiger Ausgangspunkt für den Stadtbummel ist der "Pont de l'Ile", der die Rhone überspannt. Durch die im 19. Jahrhundert einheitlich und mit vielen Flaggen gestaltete "Rue de la Corraterie" - eine der elegantesten Geschäftsstraßen der Stadt - gelangen wir auf den "Place de Neuve", den wohl wichtigsten Platz des Genfer Kulturlebens, um den sich das "Grand Théâtre" (das 1879 nach Pariser Vorbild gestaltete Opernhaus), das Musikkonservatorium, das Konzerthaus der Stadt und das "Musée Rath" gruppieren.

Notre Dame

Notre Dame

Place de Neuve

Place de Neuve

An den "Place de Neuve" schließt sich direkt der "Parc des Bastions" an. Früher der botanische Garten der Stadt, heute ein hübscher Park, der mit seinen schattigen Alleen, Denkmälern und Brunnen zu gemütlichen Spaziergängen einlädt. Besonders erwähnenswert ist hier das "Monument de la Reformation" von 1917, das man linker Hand an der Treille-Mauer findet. In der Mitte der etwa 100 Meter langen, bewusst schlicht und schmucklos gestalteten Wand heben sich die Bildnisse der 4 Glaubenskämpfer Farel, Calvin, de Bèze und Knox in wuchtiger Größe ab. Gegenüber, auf der anderen Seite des Parks steht - mitten im Grünen - die heutige Universität, eine von 1868-1872 errichtete, klassizistische Dreiflügelanlage, die aus einer von Calvin gegründeten Akademie hervorging.

Parc des Bastions

Parc des Bastions

Reformationsdenkmal (darf ich vorstellen: Farel, Calvin, de Bèze und Knox)

Reformationsdenkmal (darf ich vorstellen: Farel, Calvin, de Bèze und Knox)

Uni

Uni

Wie verweilen jedoch nicht noch länger an diesem schönen Fleckchen Natur, sondern heben uns unsere wohl verdiente Verschnaufpause für den folgenden Ort auf. Oberhalb des Parks befindet sich nämlich eine wahre Attraktion Genfs: die mit 126 Metern längste Sitzbank der Welt - das ist doch mal was! Im Schatten von unzähligen Kastanienbäumen lässt es sich hier fernab des Großstadtlärms herrlich pausieren
Eine weitere Anekdote am Rande: Seit 1818 wird das Aufbrechen der ersten Knospe am Baum als Beginn des Frühlings gedeutet. Diese Beobachtungen konzentrieren sich seit 1929 auf eine besonders alte, schräge Kastanie.

Boah, ist die lang

Boah, ist die lang

Die 2 unermüdlichen Touris

Die 2 unermüdlichen Touris

Und, ist denn schon Frühling?

Und, ist denn schon Frühling?

Weiter geht es zum Rathaus, das hier in Genf - wie in allen bisherigen Schweizer Städten auch - ein sehenswertes und zudem komplexes Bauwerk ist, das in mehreren Etappen zwischen 1440 und 1707 gebaut wurde. Bemerkenswert ist die gepflasterte Rampe in der Art einer Wendeltreppe in einem eckigen Turm, auf der früher die hohen Beamten zu Pferd in die oberen Stockwerke gelangten (@ Claudia: Déjà-vu...das erinnert mich irgendwie an den Giralda in Sevilla ). Außerdem findet sich hier der Alabama-Saal, in dem 1864 das erste Abkommen des Roten Kreuzes, die erste Genfer Konvention, unterzeichnet wurde.

Rathaus

Rathaus

Ein paar Meter weiter gelangt man auf den "Place du Bourg-de-Four", den ältesten Platz Genfs und Mittelpunkt der Altstadt. Rund um einen Brunnen (nett, aber eben kein Gerechtigkeitsbrunnen...) aus dem 18. Jahrhundert sind zahlreiche kleine Antiquitätenläden und Bistros angesiedelt, die den Platz zu einem beliebten Treffpunkt machen.

Place du Bourg-de-Four

Place du Bourg-de-Four

In unmittelbarer Nähe befindet sich dann eine der wichtigsten und imposantesten Sehenswürdigkeiten Genfs. Auf dem höchsten Punkt der Altstadt steht die "Cathédrale de St-Pierre", eine dreischiffige Basilika, deren Bau 1160 begonnen, aber erst 1232 fertiggestellt wurde. Das ursprünglich romanische Innengewölbe erhielt später einen gotischen Ausbau. Außerdem wurden im 18. Jahrhundert - vom Pantheon in Rom inspiriert - ein Frontgiebel mit griechisch-römischen Säulen und eine Kuppel hinzugefügt. Im Inneren sind - laut Reiseführer - vor allem der "Stuhl Calvins" sowie das Grabmal und die Mamorstatue des Herzogs von Rohan, Anführer der Hugenotten zu Zeiten Heinrich IV. Und Ludwig XIII. Außerdem führt eine Wendeltreppe mit 157 Stufen auf den Nordturm, von wo aus man einen einzigartigen Rundblick über die Stadt haben soll. Selbst gesehen haben wir dies alles, sowie die angeschlossene Ausgrabungsstätte, aber leider nicht, weil wir uns zu lange in den schönen Parks aufgehalten und deswegen außerhalb der Öffnungszeiten (bis 17 Uhr) an der Kathedrale ankamen. Ein Grund mehr, Genf noch einen zweiten Besuch abzustatten!
Dasselbe galt auch für das "Maison Tavel", das älteste, noch erhaltene Privathaus der Stadt aus dem 12. Jahrhundert. Seit 1986 befindet sich hier passenderweise auch das Altstadtmuseum, das über die Geschichte und den Alltag der Genfer Bevölkerung vom 14.-19. Jahrhundert informiert.

Cathédrale de St-Pierre

Cathédrale de St-Pierre

Anschließend bietet sich ein gemütlicher Bummel über die "Grand Rue" an, wobei man nicht am Geburtshaus Rosseaus (Hausnummer 40, mit einem kleinen Museum im Inneren) vorbeikommt, sondern auch historische Häuserfassaden aus dem 15.-18. Jahrhundert bewundern kann. Automatisch gelangt man dann wieder zum Wasser und kann seinen Weg auf der schönen Promenade entlang des Genfer Sees fortsetzen. Allein die unzähligen Boote im Hafen sind jeden weiteren Schritt der mittlerweile müden Füße wert. Schafft man es sogar bis zum etwas außerhalb gelegenen "Parc La Grange", wird man erneut mit viel Grün, einem Rosengarten, Überresten einer römischen Villa und einer schicken kleinen Orangerie belohnt.

Rousseaus Geburtsthaus

Rousseaus Geburtsthaus

Sooo viele Schiffe

Sooo viele Schiffe

Eingang zum "Parc La Grange"

Eingang zum "Parc La Grange"

Puh, das war mal wieder ein schöner, aber anstrengender Tag! Und weil wir erneut so tapfer durchgehalten und (fast) alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt haben, hat uns auch Genf - wie schon Lausanne - mit einem wunderschönen Sonnenuntergang verabschiedet:

Es tut mir ehrlich leid, denn kurz ist der Bericht auch diesmal wieder nicht geworden, dafür aber hoffentlich interessant und nett zu lesen!? Alles Liebe und à bientôt

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Erasmus machts möglich: Schweizer Gelassenheit, französische Sprache und kölsche Lebenslust treffen aufeinander - c'est la vie!
Details:
Aufbruch: 05.03.2007
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 02.07.2007
Reiseziele: Schweiz
Italien
Zürich
Der Autor
 
Janine Gruschwitz berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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