Weltreise

Reisezeit: August 2009 - Februar 2010  |  von Lukas Nahrgang

China Teil 1

Zwischenbericht aus dem Reich der Mitte

Um unsere Reise nicht auf das Erleben von Geschichten in verschiedenen Ländern zu minimieren möchten wir jetzt zuerst unsere Eindrücke von China, immerhin jenes Land wo mehr als eine milliarde Menschen leben und welches eine immer größere Rolle in der Welt spielt, schildern. Diese Eindrücke sind subjektiv und wir wollen sie euch hiermit weitergeben.

Wir erreichen China in der Nacht vom 12.09 auf den 13.09 und stellen in den ersten Tagen in Peking fest, dass es hier quasi garkeine Finanz- und Wirtschaftskriese gibt und gegeben hat. Die Unterschiede zu Russland, welches massiv von der Kriese betroffen ist, sind gravierend. Hier wird gebaut, die Geschäfte sind voller Menschen, alles bewegt sich und Wohnsilos schiessen aus dem Boden.

Wir fahren z.B. mit einem Kleinbus zur Großen Mauer. Auf der Straße befinden sich außer uns und ein paar anderen Bussen nur LKW´s, Kleintransporter und selbstgebaute dreirädrige Fahrzeuge die randvoll und überladen alle erdenklichen Wahren transportieren.

Hier wird uns die keineswegs nachhaltige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen immer wieder bewusst. Das Wort Ausbeutung erhält zudem in diesem Moment eine völig neue Bedeutung. Der schon angesprochene Wohnsilobau setzt sich auch hier fort. Die Gebäude haben alle mindestens 30 Stockwerke und in einem dieser Häuser hätte wahrscheinlich ganz Schröck platz.

Man könnte also vielleicht sagen, dass diese riesige Bevöllkerung pro Block wie in einem Dorf lebt. Auch alle anderen Bauprojekte wie Autobahnen, Lagerhallen und Straßen scheinen endlos zu entstehen. Auf den Straßen, in den Bahnhöfen und an Flughäfen kann man sich kaum bewegen so viele Chinesen scheint es zu geben.

Menschenmassen in einer von 12 riesigen Wartehallen am Westbahnhof in Peking

Menschenmassen in einer von 12 riesigen Wartehallen am Westbahnhof in Peking

Musterbauprojekte wie z.B das Olympiagelände in Peking sind riesig und erscheinen Perfekt.

Diese Eindrücke die sich uns in den ersten Tagen ergeben verlieren doch in jenem Moment an Glanz in welchem wir an Demokratie, Umweltschutz und Menschenrechte denken. Wir fragen uns auf welchen Schultern dieser Erfolg aufgebaut wird. Einige Punkte sind, dass der Großteil der Landbevöllkerung im Norden Chinas z.B. durch die sehr starke Zunahme der Produktion von
Billigartikeln im Süden und dem generellen Abbau von Rohstoffen ärmer als zuvor ist. Viele Kinder müssen heute deshalb wieder auf den Feldern arbeiten um die Familie zu ernähren. Die Zahl derer die ohne einen staatlichen Zuschuss zum Lohn nicht leben können wird auf 300 mio. geschätzt. Von Umweltschutz braucht man eigentlich garnicht zu sprechen. Als wir den Pekinger Bahnhofsvorplatz betreten lässt sich dies sogleich an der wie einen Feuerball rot leuchtenden, durch den Smog verdeckten, schwächer scheinenden Sonne feststellen.
In Peking mag es durch die nah an der Stadt gelegenen Kohlekraftwerke und die geografische Lage, umrahmt durch Berge, besonders schlimm sein. Man könnte aber auch sagen, dass die Luftverschmutzung hier besonders stark zum Vorschein tritt. Ein Stückchen blauen Himmels bekommen wir in der ganzen Woche nur an einem einzigen Tag zu sehen. Die Flüsse entlang
unserer Reiseroute führen alle eine Menge Schmutz mit sich und man kann sich nicht vorstellen, dass hier noch etwas leben soll. Müll wird generell überall hin geschmissen z.B. aus dem Zugfester oder dem Auto. Bei Bauprojekten scheint auf die Natur keine Rücksicht genommen zu werden.

Das Bild der Wirtschaftsmacht China, die hemmunglos ihre Natur zerstört wandelt sich zumindest International immer mehr. Voller Hoffnung sind wir über die vom chinesischen Staatschef kürzlich getätigten Aussagen vor der UN nun als Klimaretter voran zu schreiten...
Als wir durch die riesigen Einkaufsmeilen der Städte gehen können wir nicht glauben, dass
wir uns in einem kommunistischen Staat befinden. Es gibt jede erdenkliche Marke und die dazu passende Fälschung zu kaufen. Fastfoodketten vervollständigen das Bild. Das Antlitz Harland David Sanders schimmert uns schwarz weiß von jeder straßenecke Chinas entgegen.
Der Begründer der Fastfoodkette KFC scheint das Monopol in seinen faltigen Händen zu halten.
Nur wenige Schritte weiter jedoch begegnet man dem ersten Soldaten, Polizisten oder
Ordner, welche zwar sehr freundlich sind aber Bilder eines Überwachungsstaates und eines zum Großenteil nur durch Kontrolle legitimiertes Systems in uns hervorrufen. Die Internetzensur trift z.B. auch youtube und facebook!

Wir fragen uns wann und was passieren wird wenn die Bevöllkerung die Demokratie will. Sicherlich wird in Zeiten hoher ein- und zweistelliger Wachstumsraten wenig Revolutionsgeist in der Bevöllkerung vorhanden sein. Was jedoch danach?
Die Vollksrepublick China verfügt über die zahlenmäßig größte Armee (wehrfähige zwischen 18 - 49 ca. 300.000.000 ) und ist bisher auch nicht gerade zimperlich mit Regiemkritikern umgegangen. Hier ist natürlich der Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 und die generelle Unterdrückung von Meinungsfreiheit und - führern außerhalb des politischen Kaders der einzigen Partei zu nennen.

Um das Auflisten der ersten Eindrücke und den Versuch einer Meinugsbildung zu beenden sei gesagt, dass China ein tolles Land zum Reisen ist, da die schon früh hoch entwickelte Kultur und mit ihr die Kaiserzeit an vielen Orten eindrucksvoll besichtigt werden kann und auch die Landschaft im ganzen gesehen einmalig ist. Viele Menschen sind sehr hilfsbereit und der Staatsapperat ist zu uns Europäern recht zuvorkommend.

Nun zum Reiseverlauf:

Wir kommen nach einer langen und sehr spaßigen Nacht im Zug mit unseren mitreisenden Schweizern Pipo und Cyrill in Peking an und verabschieden uns mit der Verabredung uns morgen unter dem Abbild Mao Zedongs am Platz des Himmlischen Friedens zu
treffen.

Wüste Gobi

Wüste Gobi

Eine Zugfahrt die ist lustig eine Zugfahrt die ist schön....

Eine Zugfahrt die ist lustig eine Zugfahrt die ist schön....

Tor des Himmlischen Friedens

Tor des Himmlischen Friedens

Das Hostel liegt sehr zentral und wir erreichen Mao am nächsten morgen zu Fuß. Auf dem Platz, welcher im übrigen 1 mio Menschen fasst und durch das Tor quälen sich wie auch gestern schon auf dem Bahnhofsvorplatz unfassbare Menschenmassen.

Platz des Himmlischen Friedens

Platz des Himmlischen Friedens

Während der Besichtigung fällt es uns recht schwer uns in die damalige Zeit hinein zu versetzen, was zum großen Teil daran liegt, dass der Rest der Besucher wie uns scheint nur auf der Suche nach dem perfekten Platz für ein Foto war. Aber abgesehen davon ist es schon total unglaublich welche Macht von diesem Punkt einmal ausging, welche Intrigen im Palast geführt wurden und was ein Mann alles auf sich nehmen musste um überhaupt hier arbeiten zu können. Nicht nur das er zum Eunuch werden musste sondern auch noch, dass er das was er vor dem Palast abgeschnitten bekommen hatte sein ganzes Leben aufbewahren und mit ins Grab nehmen musste.

Verbotene Stadt mit ein bisschen Smog

Verbotene Stadt mit ein bisschen Smog

Zwei Tage später besichtigen wir mit unseren neu gewonnenen schweizer Urlaubsfreunden die Große Mauer. Wir hatten uns gemeinsam entschlossen eine weiter von Peking weg gelegene Stelle aufzusuchen um dort eine 10km lange Wanderung auf der Mauer in Angriff zu nehmen. Weil die Mauer hier nur gering restauriert ist und somit weniger Besucher anzieht kann man die sehr steilen Felsen und die gigantisch lange Mauer wunderbar besichtigen und die Eindrücke in Ruhe auf sich wirken lassen. Auch lässt sich besser nachempfinden warum die Chinesen dem Irrglauben anhängen, dass dieses einmalige Bauwerk aus dem Weltall zu sehen sein müsse.

Lukas, Cyrill, Lara, Pipo, Jakob fotografiert von einer äußert rüstigen chinesischen Oma die uns an den Fersen hing...

Lukas, Cyrill, Lara, Pipo, Jakob fotografiert von einer äußert rüstigen chinesischen Oma die uns an den Fersen hing...

Unser erster Kontakt mit Stäbchen

Er findet bereits im Speisewagen des Zuges statt und wir lernen recht schnell. Lukas äussert die Meinung, dass Hunger die Lehrnfähigkeit entgegen vieler Studien eindeutig steigert!
Das erste Mal in einem Ecklokal in Peking, nach der Besichtigung der Verbotenen Stadt, bestellen wir anhand der englischen Karte uns bekanntes wie "Springrolls" oder "Beef Noodles". Dies wird von der Verkäuferin energisch verneint, deshalb verlegen wir uns darauf das zu bestellen was wir in der Auslage als essbar und möglicherweise schmackhaft identifizieren können. Damit haben wir im Großen und Ganzen keine Fehlgriffe gemacht, wenn man mal davon absieht, dass wir auf ganze Knoblauchzehen beissen und die ein oder andere Nudel sich dem etwas verkrampften, enrgischen und manchmal auch genervten Griff unserer Stäbchen entzieht. Gesättigt waren wir jedenfalls, eir verwandten nur auf einmal ungewohnt viel Zeit zur Nahrungsaufnahme!!
Einzig Disco oder Kontakt zu anderen Menschen war für diesen Tag definitiv nicht mehr verantwortbar.
Ermutigt durch dieses doch im Großen und Ganzen gelungene Generalprobe am nächsten Tag wieder in einem Lokal sitzend bestellt Lukas etwas was auf der Karte wie Raviolli aussieht. Die Bedienung lacht, fragt nach, ich jedoch selbstsicher wie immer: "Ja ja bringen sie das ruhig!" Unentwegt lachend verschwiendet sie und kommt nach 15 Minuten mit einer Pfanne und in
ihr scheinbar schwimmenden Nudeln wieder. Ich stelle zu Beginn erstens fest, dass es unerträglich heiss ist! Nach dem Pusten dann unerträglich scharf und wer mich kennt weiss, dass ich gerne scharf esse, dies trieb mir jedoch bei jedem Bissen die Tränen in die Augen. Nach mehreren Minuten des Rätzelns beschliessen wir beide, dass es sich nicht um "bissfeste" Nudeln sondern um eine ganze Pfanne Hühnerhaut handelt, man konnte noch die "Gänsehaut" sehen wenn ihr wisst was ich meine. Um der Bedienung den Spaß zu verderben lasse ich mir so wenig wie möglich anmerken, muss jedoch nach der Hälfte der Pfanne unter Tränen und unentwegt an

meiner Bierflasche nuckelnd aufgeben. Der dritte Anlauf kann auch nicht als Sieg über die chinesische Küche gefeiert werden, da wir diesmal Suppe bekommen die sich nach eindringlicher Begutachtung als Gedärmesuppe mit ALLEM was dazu gehört herausstellt. Wir beschliessen jedoch, dass wir all das essen können was auch die Chinesen essen, basta und runter damit!!
Diese sitzen im übrigen bei all unseren ersten Essversuchen teils unentwegt starrend oder lachend an den Nachbartischen. Zuerst ein komisches Gefühl, man gewöhnt sich jedoch recht schnell daran wenn einem wildfremde Leute über die Straße etwas zurufen oder aus dem Auto oder vom Moped winken.
Um nicht ganz vom Fleisch zu fallen entschliessen wir uns hin und wieder bei KFC oder Mc Donalds einzukehren und uns etwas wohlvertrautes aber ohne Zweifel nicht viel besseres zu gönnen. In der Not frisst der Teufel und im speziellen Lukas Fliegen...
Generell steigt jedoch bei uns und ausdrücklich bei mir die Lust auf eine schöne Rote Wurst, Käse und Bauernbrot. Für mich würde ich sogar von leichten Wahnvorstellungen sprechen.

An den weiteren Tagen in Peking besichtigen wir das Olympiagelände von 2008,

Minggräber-Seelenweg

Minggräber-Seelenweg

die Minggräber und allgemein die Stadt. Man kann Peking ohne Probleme als sehr weitläufig beschreiben, deshalb benutzen wir entweder den Bus oder die U-Bahn die jeweils für 10 cent bzw. 20 cent genuzt werden kann.
Ein am letzten Abend unerwartend auftauchendes Problem das unsere Zugkarten in eine falsche Stadt führen lösen wir mit Hilfe der Hostelrezeption. Der schlecht englisch sprechende chinesische Ticketverkäufer am Bahnhof hatte uns wohl nicht verstanden.
Wir kommen jedoch trotz allem einen Tag später in Xi´an an, da wir wieder mal hunderte Kilometer bequem im Schlafwagen zurücklegen.
Hier besichtigen wir die Terrakotta-Armee mit dem öffentlichen Bus und sparen so Rund 10€! Die Armee beeindruckt uns durch ihre Größe, die individuelle Gestalltung der Soldatengesichter und im besonderen dadurch, dass die Handwerker des ersten Kaisers von China schon satte 2000 Jahre vor uns das Verchromen von Metall beherrscht haben!!

Terrakotta-Armee

Terrakotta-Armee

Zusammen mit Paddy einem typischen Engländer aus dem Hostel, der jedoch erstaunlich stark an der deutschen Geschichte und Politik interessiert ist, machen wir am nächsten Tag eine Fahrradtour auf der 14km langen und 12 meter hohen perfekt restaurierten Stadtmauer von Xi´an und haben mit dem Tandemfahrrad eine Menge Spaß!

Beine hoch und immer schön den Engländer strampeln lassen

Beine hoch und immer schön den Engländer strampeln lassen

Nach 3 Tagen in Xi'an erreichen wir gerade noch den Zug nach Luoyang, dort werden wir nach einem ca. 300m Sprint mit vollem Gepäck über den Bahnhof im Wagon wie Außerirdische empfangen. Es bildet sich schnell eine Menschentraube um uns und wir werden von Oben bis Unten gemusstert. Es ist jedoch kaum ein Gespräch möglich und wir erfahren nur wann wir Luoyang erreichen. Viele dieser Menschen scheinen nett, einige jedoch wollen Geld tauschen oder uns Sachen verkaufen. Hier ist Lukas im speziellen was Geldtauschen angeht jedoch bekanntlicherweise gebranntmarkt.

Grüße in die Heimat aus dem fernen Osten, wir können das Ergebnis der morgigen Wahl kaum erwarten und sind auf dem Sprung zu Angela und Willis "German Restaurant" in Qingdao um uns gehörig den Bauch vollzuschlagen und ein gutes deutsches Bier zu trinken!

Lukas und Jakob

© Lukas Nahrgang, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Jakob und ich machen eine Weltreise. Von Frankfurt nach Moskau, Mongolei, China, Australien, Neuseeland, Hawaii, USA und Brasilien.
Details:
Aufbruch: 24.08.2009
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 08.02.2010
Reiseziele: Russland / Russische Föderation
Mongolei
China
Ostküste Australien
Neuseeland
Vereinigte Staaten
Brasilien
Der Autor
 
Lukas Nahrgang berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.