Ruinen und Regen: eine Albanienreise

Reisezeit: Mai 2010  |  von Kathrin Hentzschel

19.5., Gjirokaster: Auf und ab

Endlichendlich scheint die Sonne, beschert uns fotogenen blauen Himmel und lässt uns beim Auf und Ab durch Gjirokasters Gassen schwitzen. Wir verweilen auf der Burg, streifen durch von blühendem Ginster, Königskerzen, Salbei, Mohn und Kamille überwucherte Mauerreste und posieren auf dem Flugzeug, mit dem angeblich ein amerikanischer Spion in Tirana notgelandet und das seit 40 Jahren als Triumph über den Imperialismus hier oben ausgestellt ist. Wir sind ganz entzückt vom alten Uhrturm, der sich, als ob er um seine exponierte Lage wüsste, stolz vor der Kulisse des Gebirges präsentiert. Einmal mehr nehmen uns die Berge gefangen - sind es doch immerhin Tausender, die uns umgeben; noch höhere in der Ferne sind mit Schnee verhüllt. Wir treffen einen Franzosen, der uns bittet, ein Bild von ihm zu machen. Er geht mir auf die Nerven, weil er stets da umherschlendert, wo ich fotografieren will. Doch später soll er sich als ein angenehmer, liebenswürdiger und überaus nützlicher Reisegefährte entpuppen.

Für den Nachmittag haben wir uns das Geburtshaus Enver Hoxhas, in dem heute das ethnografische Museum untergebracht ist, vorgenommen. Es zu finden, wird allerdings ein Irrlauf durch die Gassen, da es keinerlei Hinweisschilder gibt. Wir fragen mehrmals nach dem Weg. Eine Schülerin versucht es mit hochroten Wangen und sicher zum ersten Mal vor Ausländern in äußerst gutem Englisch und lässt sich auch vom Kichern ihrer Klassenkameraden nicht beeindrucken. Doch wir bleiben am Markt hängen und probieren Tabak, der in Zeitungspapier zu kleinen Bergen aufgehäuft dargeboten wird. Ganz schön starker Tobak! Wir nehmen vom Kaufvorhaben Abstand und werden uns mit Marlboro als Mitbringsel begnügen. Die sind mit 200 Leke (rund 2 Euro) äußerst wohlfeil.

Da wir kurz darauf wie der Ochs vorm Berg an der Post, aber nicht vorm Museum stehen, unternehmen wir einen letzten Versuch. Schwer zu finden sei es nicht, man müsse es nur wissen, macht uns eine Frau klar, und weil ihr Haus auf dem Weg liegt, führt sie uns kurzerhand hin. Wir beschließen, sie später zu besuchen; sie hat einen Andenkenladen. Vom Geburtshaus Ismail Kadares sehen wir allerdings nur den Dachstuhl aus der Ferne. Es sei gerade "under construction" und in etwa sechs Monaten wieder besuchsfertig. Wenn's nur reicht, denken wir und machen uns auf den Weg zum Souvenirshop.

Mal wieder von einem Regenguss überrascht, trinken wir unterwegs einen exzellenten Cappuccino und schreiben Postkarten. Der Sohn des Hauses möchte Konversation auf Albanisch und Englisch betreiben. Ein bisschen was geht ja beiderseits, und völlig glücklich ist er, als ich von ihm und seinen Freunden Fotos mache, die er gleich im Display bewundert.

Schließlich kommen wir dazu, ein bisschen Nippes zu kaufen. Stark überteuert zwar, aber der Aschenbecher in Form eines Bunkers, Kühlschrankmagneten mit dem zweiköpfigen Adler und Schlüsselanhänger müssen einfach sein. Der Mann der Besitzerin will uns unbedingt selbst gebrannten Raki verkaufen. Wenigstens probieren! Also opfere ich mich. Ich bekomme den Schnaps in ein "Albania"-Glas eingeschenkt; der Herr des Hauses, sichtlich erfreut über die Gelegenheit, sich selbst einen anständigen Schluck zu genehmigen, prostet mir mit der Bügelflasche zu: "Gezuar!"

Zum Dinner gehen wir wieder in unser bewährtes Gasthaus. Zu den Klängen von "Last christmas" bestellen wir unser Korca, "si gjithmone" - wie immer - was dem Kellner ein Lächeln entlockt. Wieder sind wir hin und weg von der Würze und Frische der Speisen.

Die Burg Gjirokaster mit dem Uhrturm (Kulla e sahatit)

Die Burg Gjirokaster mit dem Uhrturm (Kulla e sahatit)

Eine von vielen Katzen in Gjirokaster

Eine von vielen Katzen in Gjirokaster

Das historische Viertel von Gjirokaster

Das historische Viertel von Gjirokaster

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nur die Grobroute der Rundreise (eiförmig, um genau zu sein) durch den Süden Albaniens stand fest: Der Hin- und Rückflug Tirana – Frankfurt, Berat und Gjirokaster mit ihren historischen Altstädten waren Pflicht (UNESCO-Weltkulturerbe!), Saranda mit der Ausgrabungsstätte Butrint im Süden ebenfalls. Zurück nach Tirana ging es die Küstenstraße entlang; „nice to have“ wäre ein Abstecher nach Kruja gewesen. Dafür reichte die Zeit nicht mehr, anstelle dessen besuchten wir die Hafenstadt Durres.
Details:
Aufbruch: 16.05.2010
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 26.05.2010
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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