Ruinen und Regen: eine Albanienreise

Reisezeit: Mai 2010  |  von Kathrin Hentzschel

20.5., Saranda: Wasser marsch!

Wir brechen, mal wieder im Regen, nach Saranda auf. Nun sitzen wir in einem halbfertigen Haus zwischen weiteren halbfertigen Häusern. Was gibt es Trostloseres als eine Dauerbaustelle im Regen?! Es donnerte bereits, als wir aus dem Bus stiegen, der unhöflicherweise ein Stück vor dem Zentrum hielt. Guter Dinge schulterten wir unser Gepäck, das ja schon ein bisschen leichter geworden war, und lehnten jegliche Taxiangebote ab. A propos Gepäck: Wir hatten unsere ältesten Klamotten dabei, die wir peu à peu abzuwerfen gedachten. Doch ob der unvorhergesehenen kühlen Temperaturen liefen wir nun schon die Hälfte unserer Reise in den gleichen Klamotten rum, trugen Socken, deren Geruch ehrfurchtgebietend war, denn wir konnten ja nichts auswaschen. Als wir in eine belebte Straße mit kleinen Geschäften kamen, winkte uns eine Frau heran, die uns in ihr "Hotel" schleusen wollte. Hotel aus gutem Grund in Anführungszeichen. Wir ließen uns drauf ein, weil das Hotel, das wir anvisiert hatten, in einem vermutlich schöneren, aber sicherlich weit entfernten Teil lag. Denn es musste doch irgendwo schöner werden - hier zwischen Bauruinen konnte sich unmöglich das touristische Leben abspielen. Doch tatsächlich war auch das Hotel "Butrint", erstes Haus am Platz, nur zwei Häuser weiter als Lidas Heim. Das, wenn es einmal fertig ist, sicherlich äußerst repräsentativ aussehen wird. Momentan ist das Erdgeschoss ein Schlafplatz für Hunde auf Betonstelzen. Im ersten Stock wohnt die Familie; die Hotelzimmer sind fertig, haben aber noch keine Balkoneinfassung. Dafür schwingt sich bereits eine beachtliche Freitreppe mit goldenem Geländer in kühnem Bogen hinauf.

Lida ist Paradebeispiel für eine moderne albanische Frau: durchsetzungsfähig, geschäftstüchtig und ungemein fleißig. Morgens um halb sechs klingelt der Wecker. Die Mutter versorgen, die Kinder zu Schule bringen, ab ins Geschäft. Der Haushalt muss auch erledigt werden. Ihr Mann Romi, der neben ihrem Shop einen Herrenfriseurladen betreibt, steht neben ihr und lächelt.

Lida liegt sehr daran, dass wir bleiben, deshalb rückt sie das beste Zimmer raus. Es ist mit 20 Euro die Nacht unschlagbar günstig und nur durch eine Tür vom Wohnraum der Familie getrennt. Und dass darin drei Riesenbetten stehen und man sich als Schlangenmensch durchs Zimmer quetschen muss, tut nichts zur Sache. Eine fest installierte Markise, die sich nicht entfernen lässt, raubt die sicherlich schöne Aussicht aufs Meer. Doch man sieht sowieso nichts, da es regnet. Und das nicht zu knapp. So sitzen wir auch ziemlich bedröppelt auf unseren Betten und überlegen, was zu tun ist. Wieder in die Trainingshose und in den "Hajduk-Look" - alles übereinander, das ich dabei habe. Wenngleich ich den Chic der Albanerinnen nicht elegant finde, geben sie sich wenigstens Mühe und riskieren in ihren hohen Hacken Hals- und Beinbruch. Ich sehe einfach nur grauslich aus mit lauter Sachen übereinander, die nicht zusammenpassen, und Reni trägt mit zusammengebissenen Zähnen eisern ihre einzige Jeans.

Wir beten, dass wir morgen, wenn schon keine Sonne, dann doch wenigstens keinen Regen haben werden. Man wird bescheiden. Zum Glück ist die Haltestelle nach Butrint, der historischen Ausgrabungsstätte, direkt vor unserer Haustür, wie uns Lida erklärt. Das finden wir dann doch sehr positiv. Und Ruinen im Regen? Auch nicht schlimmer als Bauruinen im Regen. Das erleben wir, als wir uns dann doch aus dem Haus trauen. Sturzbäche umspülen unsere Beine, und wir werden mal wieder nass bis auf die Haut. Wir blicken nach Korfu hinüber, wo augenscheinlich auch kein Bikiniwetter herrscht.

Der Abend wird aber dann noch unverhofft lustig - in einer Fischtaverne versammeln sich etliche Touristen - ja, es gibt sie - und bei gutem Fisch, Meeresgetier und "Kaoni"-Bier ist es recht unterhaltsam und wir spinnen jede Menge Seemannsgarn. Nass genug dafür ist es ... Dass wir den Heimweg im Schweinsgalopp auf einer knöchelhoch überschwemmten Promenade zurücklegen, muss hier nicht ausführlich erwähnt werden. Deshalb unser Stoßgebet an Petrus: "Licht an, Wasser aus!"

Plasticfantastic: Vor einem Geschäft auf dem Weg nach Saranda

Plasticfantastic: Vor einem Geschäft auf dem Weg nach Saranda

Blick zum Hafen von Saranda

Blick zum Hafen von Saranda

Auf der Freitreppe bei Lida

Auf der Freitreppe bei Lida

Du bist hier : Startseite Europa Albanien 20.5., Saranda: Wasser marsch!
Die Reise
 
Worum geht's?:
Nur die Grobroute der Rundreise (eiförmig, um genau zu sein) durch den Süden Albaniens stand fest: Der Hin- und Rückflug Tirana – Frankfurt, Berat und Gjirokaster mit ihren historischen Altstädten waren Pflicht (UNESCO-Weltkulturerbe!), Saranda mit der Ausgrabungsstätte Butrint im Süden ebenfalls. Zurück nach Tirana ging es die Küstenstraße entlang; „nice to have“ wäre ein Abstecher nach Kruja gewesen. Dafür reichte die Zeit nicht mehr, anstelle dessen besuchten wir die Hafenstadt Durres.
Details:
Aufbruch: 16.05.2010
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 26.05.2010
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors