Ruinen und Regen: eine Albanienreise

Reisezeit: Mai 2010  |  von Kathrin Hentzschel

22.5., Saranda/Dhermi: Schweine im Wald?!

Jean-Christophe war bereits fleißig und hat einen Furgonfahrer aufgetan, der uns wenigstens bis Himare bringen wird. Den Preis hat er ebenfalls schon ausbaldowert. Und noch besser: Die Sonne scheint! Auch die Straße ist gut. Abwechselnd brüllt der Fahrer in sein Handy und die Musik aus dem Lautsprecher. Wir sind ein gutes Geschäft. Offiziell geht das vollbesetzte Furgon - sogar im Kofferraum kauert ein Mütterchen auf einem Notstühlchen - nur bis Borsh, doch wir haben ihn bis Himare gechartert. Bis Dhermi würde er uns auch fahren - für zusätzliche 20 Euro! Probieren kann man's ja. Wir lehnen dankend ab und gehen erstmal Kaffeetrinken, dann finden wir einen Taxisten für die restliche Strecke nach Dhermi. Den Schaltknüppel seines Mercedes (klar) ziert ein Adlerkopf. Schließlich sind wir im Land des Adlers (Shpiperia=Albanien, Shqiponja=Adler).

Wir schließen uns der Hotelwahl Cornelias und Silkes an, was ich dem Fahrer mitteile. In Dhermi fährt er zunächst einen mehrere Kilometer langen steilen Weg hinunter zum Strand. Hotel Luciano. Nein, wir wollen ins Dhermi. Das habe zu. Kann gar nicht sein, wir haben reserviert. Also wieder hoch bis zu einer Abzweigung. Diesmal rechts runter, eine deutlich schlechtere Straße. Hotel Drymades. Nein, Hotel Dhermi (leicht genervt und etwas lauter). Uns schwant, dass der Mensch überhaupt nicht weiß, wo das Hotel überhaupt ist. Cornelia steigt entschlossen aus, um zu fragen. Wieder die Straße hoch, wieder links runter, vorbei am Luciano und einer ausgebrannten, schwarz verschimmelten Hotelruine. Daneben, voilà, das "Grand Hotel" Dhermi, tatsächlich noch im Bau befindlich, aber wunderschön. Schon auf der Fahrt wollte mir der Taxifahrer klarmachen (ich hatte den undankbaren Platz vorne), dass er für seine Tour mehr Geld haben wolle. Da hat er allerdings nicht mit dem Widerstand vierer Frauen gerechnet! Als klar ist, dass es nix für seine Extra-Exkursionen gibt, zieht er, uns sicher bis ins letzte Familienglied verfluchend, ab.

Doch auch mit dem Hotel stimmt etwas nicht. Wir zahlen gleich auf der Treppe; eine Rechnung und einen Schlüssel erhalten wir nicht. Wir sind ja da, wird uns versichert. Erst später keimt in uns der Verdacht, dass hier das Hotelpersonal auf eigene Faust handelt und das Geld für sich behält. Aber wir fühlen uns wohl, der Preis ist okay (20 Euro), und unseren Sachen passiert nichts. Keine Ahnung, wie sich dieses Hotel einmal entwickeln wird, wenn es "ordentlich" geführt wird. Denn die Terrasse ist ein Traum - der Boden mit Natursteinen gefliest, man nimmt in Korbmöbeln Platz und wird von einem geflochtenen Segeltuch beschattet. Der Blick geht ins unendliche Blau. Lässt man jedoch seine Augen Richtung Eingang schweifen, gereichen ein Berg zerbrochener Teller, Autowracks und Müll nicht eigentlich zur Freude, und eine Open-Air-Disco, an der eifrig gezimmert wird, lässt nichts Gutes ahnen.

Egal. Für uns beginnt jetzt erst einmal das Strandleben. Das Meer entzückt in verschiedenen Türkistönen, mit schäumenden Wellen und in der Sonne glitzernden Kieseln. Auf den Hängen das Graugrün des Salbeis, durchbrochen von den dunkelgrünen Stäben der Zypressen. Salbei- und Ginsterblüten strahlen mit der Sonne um die Wette. Endlich können wir auch die ersehnten Bunkerfotos mit uns obenauf drapiert machen. Zum Schwimmen ist es allerdings zu kalt und die Wellen zu heftig. Dennoch ziehe ich mich aus und klammere mich an einen Felsen, um wenigstens mit dem Meer in Kontakt zu kommen. Das gilt als Dringewesen!

Beim Dinner im Luciano besprechen wir die Weiterreise. Am nächsten Tag wollen wir in die Nähe von Orikum (Rradhime) ins Hotel "Paradise Beach". Während Silke und Cornelia dann von Vlora über Elbasan nach Korca zum Ohrid-See reisen wollen, beschließen wir, zwei Nächte zu bleiben, um ebenfalls von Vlora nach Durres zu reisen. Durres war zwar nicht geplant; da jedoch der Weg vom Flughafen nach Rinas nur wenig weiter ist als von Tirana, wollen wir die Gelegenheit nutzen, die zweitgrößte Stadt des Landes mit ihrem Hafen kennen zu lernen.

Im Hotel zurück, werden wir euphorisch empfangen. Inter hat über Bayern gesiegt, man ist in Feierlaune. Wir müssen noch Kuchen essen, eine sehr leckere Art Tiramisù. Gerne hätten wir Wasser, und das bekommen wir auch - für einen Euro den halben Liter. Bevor sie uns weiter melken können, machen wir kurz die Fahrt nach Orikum klar (etwa 20 Kilometer, 3000 Leke zu viert, das geht), denn einer der Galgenvögel - sorry, anders kann man diese habgierige Bande nicht bezeichnen - wird uns morgen früh fahren.

Spaß mit Bunkern - dafür sind sie gut

Spaß mit Bunkern - dafür sind sie gut

Zum Schwimmen zu wild, zum Schauen schön: am Strand von Dhermi

Zum Schwimmen zu wild, zum Schauen schön: am Strand von Dhermi

Abendstimmung am Strand von Dhermi

Abendstimmung am Strand von Dhermi

Fast zu kitschig, um wahr zu sein: Blick vom Hotel Luciano aus

Fast zu kitschig, um wahr zu sein: Blick vom Hotel Luciano aus

Leider geht's auch hässlich: die andere Seite zwischen den beiden Hotels ...

Leider geht's auch hässlich: die andere Seite zwischen den beiden Hotels ...

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nur die Grobroute der Rundreise (eiförmig, um genau zu sein) durch den Süden Albaniens stand fest: Der Hin- und Rückflug Tirana – Frankfurt, Berat und Gjirokaster mit ihren historischen Altstädten waren Pflicht (UNESCO-Weltkulturerbe!), Saranda mit der Ausgrabungsstätte Butrint im Süden ebenfalls. Zurück nach Tirana ging es die Küstenstraße entlang; „nice to have“ wäre ein Abstecher nach Kruja gewesen. Dafür reichte die Zeit nicht mehr, anstelle dessen besuchten wir die Hafenstadt Durres.
Details:
Aufbruch: 16.05.2010
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 26.05.2010
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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