Mauretanien - Senegal - Kapverden

Reisezeit: Mai / Juni 2001  |  von Peter Kiefer

Mauretanien: Grüne Wälder, sprudelnde Bäche?

6. Juni 2001:

Vor Ouadâne. Das Mondlicht überflutet die Landschaft, es leuchtet uns in den Rücken. Als ich unserer Karawane ein wenig vorauseile und mich dann umdrehe, sehe ich in der Ferne die Silhouetten zweier Kamelreiter auf dem Kamm einer Düne, davor, zu Fuß, eine Frau mit einem seltsamen hexenhaft anmutenden Hut und darüber den Mond und ein paar Sterne. Im ersten Morgenlicht hat der Sand noch eine ungewohnt dunkle Färbung. Es ist Zeit, den Kopf wieder zu bedecken. Das Tuch, das ich trage, habe ich vor bald zwanzig Jahren in Algier gekauft und hatte damals nicht glauben wollen, dass man zu einem Turban à la Touareg keine zwei, son-dern wenigsten vier Meter braucht. Und von dieser meiner Kurzversion ist im Laufe von Zeit und Reisen und Waschen gerade noch ein guter Meter übrig geblieben, immerhin genug, um einen Nackenschutz zurechtzuwickeln. Auf dem Kopf trage ich einen Hut. Ein Hase sei vermerkt, der uns über den Weg läuft, gleich darauf ein zweiter. Neben den Kamelen und Ziegen sind die beiden die einzigen Lebewesen mit Fell, die wir auf der Wanderung zu Gesicht bekommen. Mohammed klopft Beeren von einem Strauch. Sie schmecken säuerlich und aromatisch, bestehen aber fast nur aus ihrem Kern. Er kann uns außer einem arabischen Namen nichts weiter dazu sagen. Überhaupt beschränkt die Unterhaltung mit ihm sich auf das Wesentlichste. Sein Französisch ist wohl kaum besser als meines und der Versuch ihn über seine Lebensverhältnisse, seinen Alltag etwas zu fragen, schlagen fehl. Bei Abder-rahman ist es anders. Diese Reise ist die erste, die er macht. Und wenn man ihn als chef de la cuisine anspricht, weiß er zwar, dass das ein bisschen Ironie beinhaltet, er kann aber trotzdem seinen Stolz nicht ganz verhehlen. Von welchen Frauen träumt er, wen will er einmal ehelichen? Eine Französin, sagt er. Na ja, oder ein Mädchen aus der Stadt. Was Bes-seres jedenfalls - wenn es sich denn ergeben sollte. Und wie sähe ein ideales Land für ihn aus? Ich mache ihm einen Vorschlag: satte grüne Wälder, grüne Wiesen, sprudelnde Bäche. Nein, er wehrt ab, sagt etwas von einem Dattelhain und will sich nicht weiter festlegen, jedenfalls nicht zu Gunsten meiner mitteleuropäischen Idylle. Bei der mittäglichen Rast treten wir in geschäftliche Verhandlungen ein. Die Lage hatte sich nach Ahmeds Weggang deshalb entscheidend verändert, weil bis dato weder Mohammed noch Abderrahman von ihm bezahlt worden waren. Für uns ist es selbstverständlich den ursprünglich mit Ahmed ausgehandelten Preis weiterzuzahlen - minus die ersten beiden Tage allerdings. Die hatten wir bereits beglichen. Sicher hatte Ahmed damals geglaubt sich ins Fäustchen lachen zu dürfen, denn er war, genau besehen, mit einem klei-nen Gewinn davongekommen und hatte außerdem ein Unternehmen vom Hals, dem er ohnehin nicht recht gewachsen war. Was tun? Wir kommen überein, dass wir Mohammed in Ouadâne zur Gendamerie begleiten, um dort eine Verfügung zu erwirken. Sie soll ihn in die Lage versetzen, von Ahmed das ausstehende Honorar für die ersten beiden Reisetage einzufordern. Karin verteilt noch ein paar cadeux, nützliche Kleinigkeiten. Die große bunte Plastiktasche bekommt Abderahman, der sich mächtig darüber freut. Dann erreichen wir Ouadâne. Der Reiseführer sagt, die Stadt läge 120 Kilometer nordöstlich von Chinguetti. Dass wir tatsächlich so weit geritten und gewandert sein sollen, mag ich kaum glauben. Mohammed wird denselben Weg wieder zu Fuß zurücklegen. Er hat bereits dadurch vorgesorgt, dass er auf der letzten Etappe zwei Wasserkanister unter einem Baum abgestellt hat. Man könnte sich wundern und daran zweifeln, dass er seine Kanister in dieser scheinbar formlosen Wüstenlandschaft noch einmal finden wird. Aber wenn man es täte, würde sich ein Mann wie Mohammed wohl seinerseits wundern. Auberge Guelb er Richât heißt die angesteuerte Unterkunft, sie liegt noch zwei Kurven vor der eigentlichen, auf einem Plateau angesiedelten 4.000-Einwohner-Stadt. Von außen macht diese Herberge wegen des großen, niedrig umfriedeten Hofes eher den Eindruck einer Schule. Aber es gibt auch zwei Rundhütten, und in eine davon schaffen wir unsere Rucksäcke. Zum Abend schäumt der Tee, wird uns ein erwartet teures Mahl zubereitet. Auch Musik spielt wieder in der Ferne, eine E-Gitarre. Es sind nachdenkliche, äußerst fremdartige Rhythmen. Ich höre sie noch lange, ehe ich einschlafe.

© Peter Kiefer, 2005
Du bist hier : Startseite Afrika Mauretanien Grüne Wälder, sprudelnde Bäche?
Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Rucksackreise durch Teile Mauretaniens, des Sengal und der Kapverdischen Inseln, nur um irgendwo unterwegs meinen 50. Geburtstag zu feiern.
Details:
Aufbruch: Mai 2001
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: Juni 2001
Reiseziele: Mauretanien
Senegal
Kap Verde
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors