Mauretanien - Senegal - Kapverden

Reisezeit: Mai / Juni 2001  |  von Peter Kiefer

Mauretanien: Ouadâne: Löchrige Dachböden

7. Juni 2001, Ouadâne:

Wie verabredet besuchen wir an diesem Morgen mit Mohammed die örtliche Gendamerie. Man läuft zunächst eine gewundene Autostraße hinauf, ehe man den bewohnten, den neueren Teil der Stadt erreicht. Gleich als wir den Hof der Polizeiwache betreten, erkenne ich einen der beiden Kameldiebe von Tenochert. Offenbar mangels einer Zelle darf er sich frei hier bewegen. Der Kommandant behandelt unsere Angelegenheit mit Wohlwollen, hört sich zunächst Mohammeds Version an und vergleicht sie dann mit der unsrigen. Schließlich drückt er seinen Stempel auf ein von uns vorbereitetes Papier und die Sache ist damit für Mohammed auf den Weg gebracht. Er hat nun mit amtlicher Billigung das Recht das ihm zustehende Geld von Ahmed einzutreiben. Ich habe den ganzen Morgen schon große Lust auf frische Kamelmilch. Die Bäuerin, bei der wir welche kaufen möchten, hat uns nur saure anzubieten. Wir suchen weiter und lernen darüber Saïda kennen, auf den ersten Blick ein fröhliches, etwas plumpes Mädchen, genauer besehen eine aufgeschlossene und gebildete, im Rahmen ihrer Möglichkeiten sogar emanzipierte junge Frau. Sie führt uns zur historischen Altstadt Le Ksar el Kiali. Dieses alte Ouadâne klebt an einem steilen felsigen Hang, der von dem Plateau abfällt, und erscheint aus einiger Entfernung selbst wie eine natürliche Felsmauer; erst wenn man sich nähert, erkennt man die ruinenhaften, skelettierten Häuser, deren Ursprünge ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Es ist nicht ganz ungefährlich diese Häuser zu betreten. Nach außen, von den schmalen Gassen aus betrachtet, die sie durchziehen, wirken sie schroff und abgeschottet; erst im Inneren öffnen sie sich dem Licht. Betritt man eines, kann man in kleine Fallen tappen. Löcher sind überall in den Böden und Dachböden. Rund um einen Hof gruppieren sich eng miteinander verbundene Gebäudeteile. Die Anlage hat ihr eigenes Raffinement: In unterschiedlichen Räumen werden unterschiedliche Temperaturen erzeugt, ganz auf den Bedarf der Tiere, der Menschen und ihren Vorräten abgestimmt. Saïda führt uns zu einem Haus, vor dessen Fenstern im Innenhof noch Vorhänge angebracht sind. Bis vor einigen Jahren, sagt sie, lebte hier der letzte Bewohner des alten Ouadâne. Auf der Fensterablage steht ein Teller, man soll eine Münze darauf legen, einen Obolus zum Erhalt dieser Stätte. Aber so wenig, wie dabei zusammenkommt, reicht es sicher nicht einmal für eine Seelenmesse. Die alte Moschee am Fuß des Hügels ist auch nur noch ein Haufen Steine. Um Le Ksar vor dem endgültigen Verfall zu retten, wenn nicht gar - ein schöne Vision - diese fast in Vergessenheit geratene Welt wieder aus ihren Trümmern erstehen zu lassen, sind andere angesprochen als ein paar zufällig auftauchende Touristen. Die spärlichen UNESCO-Gelder alleine reichen ebenso wenig aus, davon abgesehen, dass auch sie noch im Sumpf der landesüblichen Korruption versickern. Immerhin wird an der neueren Moschee mit ihrem weithin sichtbaren Minarettturm gearbeitet. Ein Blick ins Innere ist nur durch die schmalen Fenster möglich und man erkennt wenig mehr als die Ausschnitte eines Geflechts von Rundbögen. Und schon erhebt sich ein bisschen heiliger Zorn. Von drinnen nämlich macht ein Mann abwehrende Gesten; sie gelten Karin, die mit ihrem Fotoapparat versucht Bilder zu machen. Inzwischen hat die Mittagshitze wieder eingesetzt. Das Leben auf der Straße ist zum Erliegen gekommen. Mit Saïda betreten wir einen gut belüfteten kleinen Laden und sehen zwei Jungen zu, die zu den Klängen einer Musikkassette tanzen. Die Musik - wieder eine E-Gitarre - klingt seltsam trashig. Irgendwo scheinen sich die Rhythmen der Mauren und der Punk heimlich begegnet zu sein. Als wir zur Herberge zurückkehren, erfahren wir, dass Mohammed bereits den Rückweg nach Chinguetti angetreten hat. Nennenswertes passiert an diesem Tag nicht mehr. Deshalb erscheint es mir auch, dass der Mond sich heute unverschämt viel Zeit lässt, ehe er aufgeht. Und auch das noch: Beim Einschlafen ist die Temperatur auf unter 40 Grad gesunken. Ich hülle mich tiefer in meinen Schlafsack.

Eingang zu einer Rundhütte nahe Ouadane.

Eingang zu einer Rundhütte nahe Ouadane.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Rucksackreise durch Teile Mauretaniens, des Sengal und der Kapverdischen Inseln, nur um irgendwo unterwegs meinen 50. Geburtstag zu feiern.
Details:
Aufbruch: Mai 2001
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: Juni 2001
Reiseziele: Mauretanien
Senegal
Kap Verde
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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