Große Südamerikareise vom 1.9.2010 bis 1.4.2011
Cotopaxi
Liebe Familie, liebe Freunde,
ein besonderes Erlebnis braucht auch eine besondere Einführung:
Schließt bitte die Augen und stellt Euch vor, Ihr seid auf einer großen saftigen Weide, auf der Kühe und Pferde friedlich miteinander grasen. Umgeben von sanften runden Hügeln und mittendrin ein großer, mächtiger Vulkan mit einer riesigen weißen Gletscherhaube. Die Sonne wärmt Euren Rücken und es weht ein leichter angenehmer Wind. Ihr merkt nicht, dass Ihr auf 3500 m Höhe seid. Ganz in der Ferne seht Ihr einen Hof mit kleinen Häuschen. Ihr ahnt es schon: Dort ist für die nächsten 3 Tage Euer zuhause. Ihr seid nun in einer etwas anderen Welt angekommen; denn es gibt dort kein Internet, kein Mobilphone, kein Fernsehen und auch keine Elektrizität, sondern nur Kerzenlicht und viel viel Ruhe um Euch herum. Und jetzt öffnet wieder Eure Augen und genießt die Ruhe und meinen Bericht.
Das was Ihr vor Eurem geistigen Auge gesehen habt, war unsere Realität für 3 Tage. Wir entschlossen uns für die Öko Ranch Secret Garden (gleicher Besitzer wie in Quito) inmitten vom Nirgendwo, aber ganz in der Nähe des 5893 m hohen aktiven Vulkans Cotopaxi. Allein der Weg dortin war so beschwerlich, wie wir es uns nicht vorstellen konnten. Einmal von der Hauptstraße abgebogen und wir fühlten uns zurückversetzt an den Beginn des Straßenbaus im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Römer wußten, wie sie aus Pflastersteinen Straßen bauen müssen, um mit ihren Pferdewagen vorwärts zu kommen und Kriege zu gewinnen. Die Ecuadorianer hätten sich hier viel abschauen können, aber sie wollten es wohl nicht. So windeten wir uns von Quito (2800 m) hinauf auf 3500 m über Stolperstraßen, Serpentinen und ausgewaschenen üblen Wegen, bis wir die Hochenbene erreicht hatten. Selbst die Pisten in Australien sind teilweise noch besser zu fahren, als das hier. Aber wir haben es überstanden und der Fahrer hatte unsere volle Bewunderung.
Carolina hat uns mit ihrem polnischen Temperament gleich freundlich empfangen und gab uns erste Einweisung für die nächsten Tage. Sie arbeitet dort bereits seit 3 Monaten und betreut die Gäste. Wir buchten eine Honeymoon Suite und hatten nun große Erwartungen. Als erstes wunderten wir uns, dass es keine Elektrizität gab - das wußten wir bis dahin noch nicht. Aber es konnte ja ganz romantisch werden. Unser kleines Häuschen - ganz aus Holz gebaut - bestand aus 2 Etagen. Im Erdgeschoss war eine tiefergelegte Badewanne mit Dusche, ein Waschbecken, Toilette, ein kleiner Schrank mit 3 Schubladen und - ganz wichtig, wie sich später noch erweisen sollte - ein Kaminofen, 2 Holzklötze zum Sitzen und ein Fenster zum Rausschauen (kein Tisch) sowie 2 Kerzenständer. Über eine schmale, enge Treppe kamen wir in unsere Honeymoon Suite - das "Schlafgemach". Es bestand aus einem Doppelbett, ein Nachtkästchen und 2 weiteren Kerzenständern. Das wars auch schon! Nach einer kurzen Enttäuschung fingen wir uns aber schnell, denn die Aussicht von unserem Fenster auf den Vulkan Cotopaxi war atemberaubend schön. Wir hatten nämlich das Glück, dass wir ihn ohne Wolken zu sehen bekamen, was nicht selbstverständlich ist.
Da war er nun, das Objekt unserer Begierde. Wir haben uns anstecken lassen von seinem Reiz, ihn wenigstens bis zu einer Höhe von 5000 m zu bezwingen. So buchten wir für den nächsten Tag die Tour zum Cotopaxi. Wir wollten einmal im Leben höher hinaus als der höchste Berg in Europa - der Mont Blanc mit 4800 m. Also fuhren wir mit dem Jeep wieder auf den übelsten Straßen in den Cotopaxi Nationalpark ein. Bei strahlendem Sonnenschein und den Vulkan ständig vor Augen - er sieht dem Fujiama sehr ähnlich - waren wir (noch 4 weitere junge Leute) alle sehr neugierig, was uns erwarten wird. Das konnte nur ein guter Tag werden.
Bis zu einer Höhe von 4500 m fuhr der Jeep. Danach hieß es 300 m steil über Lavageröll aufsteigen bis auf 4810 m. Schon als wir das Auto verließen, mussten wir erstmal tief durchatmen, denn in Luft ist in dieser Höhe spürbar dünner. Als mein Blick dann auch noch nach oben ging und ich den steilen rutschigen Aufstieg vor mir sah, kamen leise Zweifel in mir auf, ab das wohl die richtige Entscheidung war? Es sind zwar erstmal nur 300 m, aber die hatten es in sich. Trotz meines Höhentrainings hatte ich ziemlich zu kämpfen. Anfangs konnte ich nur 3 Schritte aufwärts gehen, dann musste ich stehenbleiben, tief durchatmen, schnaufen, schnaufen und wieder schnaufen. So ging das ungefähr bis zur Hälfte. Danach lief es plötzlich besser für mich. Keine Kopfschmerzen, kein Schwindelgefühl oder Übelkeit. Aha dachte ich, jetzt macht sich mein Höhentraining positiv bemerkbar. Das spornte mich so an, dass ich die 300 m bis zur Hütte doch noch geschafft habe und zum erstenmal in meinem Leben auf einer Höhe von 4810 m am Berg stand. Ein erhabenes Gefühl, kann ich Euch sagen. Ich kam mir fast schon wie ein weiblicher Reinhold Messner vor (leicht übertrieben). Birgit hat das Abenteuer auch sehr gut überstanden, bei ihr machte sich die Höhe nach einer Weile bemerkbar. Doch es ging alles gut und wir waren glücklich bis hierher gekommen zu sein.
Nun hieß es, noch die nächsten 200 m bis zur Gletschergrenze zu bewältigen. Doch leider hat uns unser Begleiter Carlos einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er wollte nämlich bis 14:00 Uhr wieder auf der Ranch sein. Birgit und ich waren halt die langsamsten von der Gruppe und so ist er mit den anderen 4 jungen Leuten allein bis zum Gletscher gegangen. Unsere Enttäuschung war ziemlich groß, denn damit hatten wir unser Ziel nicht ganz erreicht. Wir waren uns aber ganz ganz sicher, mit mehr Zeit hätten wir auch die letzten 200 m noch geschafft. So sind wir ganz alleine nochmal 15 Meter höher gestiegen und deshalb ist unsere neue Bestmarke nun 4825 m. Hurra, das muß einfach reichen!
Glücklich und zufrieden waren wir rechtzeitig um 14:00 Uhr wieder zurück und es gab wie jeden Tag eine leckere Suppe. Gegen 18:00 Uhr begann dann die romantische Phase des Tages. Zuerst wurde ein kleiner Snack serviert. Währenddessen haben fleißige Helfer in den Häuschen den Kaminofen angefeuert, die Kerzen angezündet und jetzt kommt die Überraschung: Eine Wärmflasche ins Bett gepackt. Denn man darf nicht vergessen, dass die Nächte in 3500 m Höhe doch sehr kalt sind. Um 19:00 Uhr wurde zum "Candlelight Dinner" sprich Abendessen gebeten. 14 junge, hungrige und 2 abenteuerlustige etwas Betagte saßen gemeinsam am Tisch und tauschten Erlebnisse und Gedanken aus. Wir lernten wieder neue interessante Menschen kennen und hatten unsere Freude daran.
Den Reitausflug am Tag nach der "Cotopaxi-Besteigung " schenkten wir uns. Wir waren einfach nur faul und müde. Die Vernunft gewann die Oberhand und wir sagten uns, wir müssen nicht jeden Tag aktiv ins Geschehen eingreifen. So vertrieben wir uns die Zeit mit Spazierengehen, die Ruhe geniessen und Birgit brachte mir Mau-Mau bei. Jetzt hatten wir unser Spiel gefunden, das uns auch künftig die Zeit vertreiben wird. Übrigens, die sanften Hügel, die Ihr anfangs "gesehen" habt, waren wirklich da. Es sind die Überreste des großen Vulkanausbruchs von 1744. Da wurden riesengroße Brocken ausgespuckt und im Laufe der Jahrhunderte haben sich Gräser und Sträucher die Vulkanbrocken erobert. Der Wind hat das Ganze zu sanften, runden Hügeln abgeschliffen. So entstand das saftige Weideland für Pferde und Kühe. Sieht richtig schön aus.
Nun wart Ihr mit uns in luftiger Höhe, wenn auch nur virtuell. Weiter geht die Fahrt Richtung Süden nach Banos zur den Thermalquellen und anderen Vulkanen. Doch davon ein anderesmal mehr.
Herzlichst Eure
Irene und Birgit
Aufbruch: | 01.09.2010 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 01.04.2011 |
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Brasilien