Große Südamerikareise vom 1.9.2010 bis 1.4.2011

Reisezeit: September 2010 - April 2011  |  von Irene Neumann

Cuenca

Cuenca
Liebe Familie, liebe Freunde,

nach unserem besonderen Erlebnis am Cotopaxi ging die Reise weiter in den Sueden nach Banos. Auf dem Weg dorthin machen wir noch einen "Schlenker" zum Chilotoa Kratersee in den West Cordillieren, etwas abseits der Panamerikana. In Latacunga verlassen wir diese und erreichen fast wieder eine Hoehe von 3800 m. Eine ziemlich kurvenreiche Strecke mit unendlich vielen Serpentinen. Aber immerhin eine gut geteerte Strasse. Das Wetter ist super fuer diesen Ausflug und so sehen wir sehr viel von dieser schoenen Bergwelt. Es leben und arbeiten in ueber 3500m Hoehe ueberwiegend Indigenas (die Urbevoelkerung), die muehsam die kargen Hochflaechen beackern. Kartoffelanbau und Schafzucht wird hier hauptsaechlich betrieben. Eine Besonderheit gibt es noch: Die Bauern malen auf Schafhaeuten ihre bunte Fabelwelt. Die Motive sehen oft sehr naiv aus. Doch inzwischen wird diese Malerei auch als Kunst anerkannt. Auch ich habe ein klitzekleines Bild von einem Maedchen erworben. Viele der Indigenas, vor allem die Aelteren, tragen ihre typische Kleidung - langer bunter Rock, Hut, Jacke oder Poncho plus Schal um den Kopf bzw. Mund gewickelt. Was auffaellt ist, dass alle immer sehr warm angezogen sind, auch wenn die Sonne scheint. Ich denke, sie haben die entsprechende Erfahrung und wissen warum. Es gibt ja keine Heizung in den Wohnungen.

2 Autostunden westlich von Latacunga, hinter Tigua, liegt auf einer Hochebene das geisterhafte 40-Haeuser Dorf Zumbahua. Hier findet jeden Samstagvormittag ein ueberschaubarer einheimischen Markt statt. Ich wußte das und bat den Fahrer, dass wir hier einen Stopp einlegen. So erlebten wir ein authentisches Marktgeschehen, viel besser als in Otavalo. Die Menschen waren auch nicht ganz so fotoscheu und unfreundlich und liessen sich von Birgit fotografieren, ohne sich gleich wegzudrehen. Noch ein kurzes Stueck auf ungeteerter Strasse und wir wurden mit einer supertollen Aussicht ueber den Kratersee fuerstlich belohnt. Es ist schon gewaltig, was aus dem tiefen Inneren unserer Erde entstehen kann und das bereits vor Hunderten ja Tausenden von Jahren. Und wieder sind wir auf einer Hoehe von 3750 m, die Luft wird merklich duenner. Deshalb entschieden Birgit und ich, nicht zum Kraterboden abzusteigen, sondern lieber drumherum zu laufen.

Es wurde schon dunkel als wir in Banos endlich eintrafen. Den dort aktiven Vulkan Tangurahua (über 5000 m) konnten wir gerade noch ein bisschen sehen. Unsere Unterkunft liegt leider ziemlich ausserhalb des Ortes. Anfangs waren wir enttaeuscht, doch immerhin ist unser Backpacker Hostel direkt am Rio Pastaza gelegen, so dass ein Einschlafen mit Wasserrauschen garantiert war. Banos hat 2 Thermalbaeder, dafuer ist es auch bekannt, doch in dieser braunen Bruehe - zumal auch noch oeffentlich - wollten wir uns nichts einfangen, was nur schwer wieder loszuwerden ist. Gleich in unserer Naehe entdeckten wir dafuer eine Wellness-Oase und entschlossen uns spontan fuer eine wohltuende Massage. Das war Erholung pur und zu diesem Zeitpunkt genau das Richtige.

Es war gerade Sonntag und so schauten wir uns die dortige Basilika an und ich entschloss mich, an einer Hl. Messe teilzunehmen. Oh ja, das ist schon anders als bei uns. Die Kirche war proppevoll, eine Ordensschwester begleitete die Gesaenge auf der Gitarre. Eine andere sang lauthals uebers Mikrofon mit. Mir fiel vor allem die Unruhe waehrend des Gottesdienstes auf. Kleinkinder schreien oder laufen rum. In meiner Bank hat eine junge Mutter ihr Kind gestillt. Das wird hier alles nicht so eng gesehen. Am Sonntag spielt sich das Leben ueberwiegend auf der Straße ab. Frisch gepresster Bambussaft ist die Spezialitaet. Reihenweise gibt es Staende um die Kirche herum, wo diese Koestlichkeit verkauft wird. Birgit trank ihn mit Begeisterung, doch bei mir hielt sich diese in sehr engen Grenzen. Drei ruhige aktionsfreie Tage verbrachten wir in Banos.

Doch es zieht uns weiter in den Sueden nach Riobamba. Mit dem oeffentlichen Bus fahren wir die 5 Stunden weiter suedwaerts auf der Strasse der Vulkane. Nach Riobamba faehrt man zum einen, um den hoechsten Berg Ecuadors - den Chimborazo (6300 m) - zu besteigen oder wenn man mit dem Zug die "Teufelsnase" die "Nariz del Diabolo" hochfahren will. Das war unsere Intention. Doch die Enttaeuschung war ziemlich gross, als wir erfuhren, dass dieser Zug gar nicht mehr faehrt, sondern erst wieder ab Februar 2011. Bis dahin fahren auf den Gleisen sogenannte Schienenbusse. Wir entschieden uns fuer diese Variante. Unsere reizende "Zugbegleiterin" versorgte uns mit den wichtigsten Informationen auf der Strecke. So konnten wir in einem typischen Bergdorf das Leben der Bevoelkerung - wenn auch nur fuer eine kurze Weile - beobachten, von den Garkuechen geniessen, was uns essbar erschien. Doch auch wir wurden beaeugt. Die Neugier war wohl auf beiden Seiten gross.

Weiter ging die Fahrt mit dem Bus nach Alausi. Eigentlich hatten wir hier eine Uerbernachtung gebucht. Doch wir waren uns schnell einig, dass wir lieber noch 1 Tag laenger in Cuenca bleiben wollten. Dafuer nahmen wir einen 8 Stunden Busreisetag in Kauf. Mit dem Fahrer hatten wir Glueck. Er fuhr die kurvenreiche Strecke relativ human, so dass keiner gruen im Gesicht wurde. Die Landschaft veraenderte sich ganz allmaehlich. Die Berge wurden flacher, das Klima waermer, die Menschen freundlicher. Wie weise diese Entscheidung war, stellte sich spaetestens heraus, als wir in Cuenca ankamen. Abends erreichten wir dann diese quirlige sympathische Stadt. Cuenca ist die groesste Stadt im Sueden Ecuadors und die schoenste noch dazu. Hier fuehlten wir uns sofort wohl. Zuerst das uebliche: Mit dem Taxi zum Hotel, Zimmer beziehen und raus in die Stadt. Wir hatten ueberhaupt keine Bedenken, uns abends aufzuhalten und fuehlten uns sicher. Unser Hotel lag wieder an einem Fluss, naemlich am Rio Barranco. Da wir ja 4 Naechte bleiben, muss auch nichts eilen. Die Lust auf gutes Essen war gross doch die Ecuadorianische Kueche kitzelt nicht wirklich unseren Gaumen.

Am 1. Tag in Cuenca haben wir uns die Innenstadt mit ihrem historischen Kern vorgenommen. Und das hat sich richtig gelohnt. Die historische Altstadt ist auch gleichzeitig UNESCO Weltkulturerbe und das sicher zurecht. Mit einem offenen Doppeldeckerbus fuhren wir ca. 2 Std. zu den schoensten Plaetzen und Strassen der Stadt. Die elektrischen Leitungen liegen hier oberirdisch und so mussten wir immer wieder unsere Koepfe einziehen, um nicht einen Stromschlag zu bekommen, sehr gewoehnungsbeduerftig. Wunderschoene alte und auch groesstenteils gepflegte Haeuser waren zu sehen. Teilweise ganze Strassenzuege dieser bemerkenswerten Adobe Haeuser Das sind Haeuser, die aus Lehmziegel gebaut wurden und dadurch ein ganz spezielles Klima haben. Die Stadt hat auch viele wunderschoene Kirchen und es ist die Stadt, wo die beruehmten Panamahuete hergestellt werden. Vielleicht kennt ihr die ja: Die meisten sind hellbeige und man kann sie zusammenrollen, ohne dass sie brechen. Eine prima Sache. Bei USD 15,-- konnte ich diesem Schnaeppchen nicht wiederstehen.

Der Besuch eines Kuriositaetenmuseums hat uns ziemlich in Erstaunen versetzt. Ein 75-jaehriger ehemaliger hollaendischer Seemann lebt dort mit seiner ecuadorianischen Frau in einem kleinen Haus, das gleichzeitig Museum ist. Die beiden teilen sich die zwei Etagen. Sie lebt oben und fertigt ganz reizende individuelle Puppen an. Er lebt im Erdgeschoss und hat sich dort eine Wertstatt eingerichtet und wacht ueber seine Schaetze. Mittags wird gemeinsam in der Kueche gegessen. Was sich unseren Augen hier bot, war unglaublich. Die Puppenkoerper werden vorgefertigt geliefert, aber dann naeht seine Frau zauberhafte Kleider und schmue ckt die Puppen mit Haaren und was sonst noch fehlt, so dass sie fast zum Leben erweckt werden.Wer die lustigen Hexen und Engel sieht, schliesst sie sofort ins Herz. Schade, dass wir mit unserem Gepaeck schon am Limit sind, sonst haetten wir sicher was mitgebracht. Fuer Flohmarktliebhaber ist dieses Haus ein Eldorado. Aber das sind noch laengst nicht alle Bewohner: Der Hausherr haelt sich spezielle Tauben, die sich frei bewegen duerfen und in einer Voliere zwitschern viele kunterbunte Kanarienvoegel. Es gehoert noch 1 ungewohnt aussehender Hahn mit total behaarten Fuessen samt seinem Huehnerharem dazu. Denn jeden Tag ein frisches Ei, das muss schon sein! Und zu guter Letzt gibt es noch einen Irishsetter. Wuff, damit ist das Haus dann wirklich voll.

Wie gesagt, inzwischen sind wir ja mutig geworden und trauen uns auch abends auf die Straße. Ich hatte von einem Jazzkonzert gehoert mit einem argentinischen Saxophonisten. Die Gruppe war wirklich gut und wir hatten unser kostenloses Vergnuegen, denn das Konzert wurde von der Ecuadorianischen Bank gesponsert. Nur sollte man wissen, dass es auch hier besser ist, seinen Mantel nicht auszuziehen. Denn so heiss kann die Musik gar nicht sein, als dass sie einen erwaermt.

Am Tag 2 in Cuenca wagen wir uns tatsächlich alleine und ohne Guide mit dem öffentlichen Bus in den Cajas Nationalpark. Fuer USD 1,25 fahren wir hin und fuer USD 2,00 zurueck. Das ist so, wenn man aussieht wie ein Gringo. Mit dem Taxi ging es zum Terminal Sur, das ziemlich ausserhalb der Stadt liegt. Doch dann ging die Sucherei erst richtig los, um das Ticketoffice fuer diesen Bus zu finden. Schwitz, schnauf, endlich gefunden....... Letztlich haben wir es geschafft, ein Ticket zu kaufen. Oh mein Gott, das nervt ganz schoen. Haette ich nur mehr Vokabeln in der VHS gelernt. Wie mag das noch in Peru werden. Der Bus windet sich wieder bis auf 3950 m rauf und wir sind erneut von Bergriesen umgeben und einer ganz besonderen Berglandschaft. Eigentlich wollten wir den 4-5 Stunden Trek laufen. Doch schon sehr frueh merkten wir, dass wir uns damit wohl ueberfordert haetten, zumal wir beide unseren Kompass im Hotelzimmer vergessen hatten, der Pflicht ist, wenn man den Trek alleine gehen will.Vernuenftig, wie wir (oft) sind (haha), entschieden wir uns fuer eine Seeumrundung. Auch das war in fast 4000 m Hoehe noch anstrengend genug. Sofort spuert man die Hoehe vor allem bei den kleinsten Steigungen.

Das abendliche Highlight aber war eine Musik- und Folkloreauffuehrung vor der Kirche San Domingo. So schoene Kostueme und bildhuebsche anmutige Maedchen. Eine Augenweide! Doch auch die Jungs konnten sich sehen lassen. Sie trugen teilweise Hosen aus Lamafell und tanzten mit Begeisterung ihre Folklore. Ein schoener Ausklang des Tages.

Tag 3 in Cuenca wurde zum Ruhetag erklaert. Birgit geht es schon seit gestern nicht gut. Es bahnt sich eine richtige Erkaeltung mit allem Drum und Dran an. Sie blieb heute im Bett und kuriert sich aus. Ich bin schon seit 3 Stunden am Computer und mir frieren langsam die Finger. Fuer heute steht auch nichts mehr an. Das eine oder andere Museum haben wir zwar nicht gesehen, doch dafuer einen ruhigen Tag gehabt.

Tag 4 in Cuenca wird zum Reisetag nach Guayaquil. Wieder muessen wir frueh aufstehen, weil um 8:30 Uhr unser Bus abfaehrt. Wir tun uns das mickrige Fruehstueck nochmal an und wieder geht die lange Fahrt durch den Cajas Nationalpark. Zu sehen gibt es wenig, denn die Wolken haengen tief in den Bergen. Birgit und ich vertreiben uns die Zeit mit Mau Mau spielen und verkuerzen so die lange Fahrt.

In Guayaquil angekommen, ist es merklich waermer. Wir empfinden es fast unangenehm, weil wir noch in unseren warmen Klamotten stecken. Das Taxi hatte Muehe unser Gaestehaus zu finden, das in der Naehe zum Flughafen liegt. Als wir ankommen, ist alles verrammelt, keine Klingel nur ein Schlitz, wo man rausschauen kann, fast wie in einem Gefaengnis. Irgendwann sind 2 dunkelschwarze Augen auf uns gerichtet, die gehoerten wohl zum "Aupair-Maedchen" des Hauses, wie sich spaeter herrausstellte. Die Kriminalitaetsrate ist in Guayaquil so extrem hoch, dass sich jeder Hausbesitzer hinter seiner Tuer richtiggehend verschanzt. Die Hausherrin hat uns dann aber sehr freundich empfangen. Zum Glueck spricht sie gut Englisch, so dass die Verstaendigung keine Probleme bereitete.

Diesmal ist also nicht allzuviel Aufregendes passiert. Doch Erholungspausen sind wichtig, damit wir wieder neue Eindruecke aufnehmen koennen. Galapagos laesst im naechsten Reisebericht gruessen!

Eure
Irene und Birgit.

Abseits der Panamerika in den West Cordillieren

Abseits der Panamerika in den West Cordillieren

Markt in Zumbahua

Markt in Zumbahua

Indigena mit Kind

Indigena mit Kind

Dafuer sind wir so weit gefahren - Der Chilotoa Kratersee

Dafuer sind wir so weit gefahren - Der Chilotoa Kratersee

Bauern auf dem Weg zur Arbeit

Bauern auf dem Weg zur Arbeit

Banos - der Blick auf den Rio Pastaza von unserem Hostel aus

Banos - der Blick auf den Rio Pastaza von unserem Hostel aus

Aus dieser Maschine kommt der frische Bambussaft

Aus dieser Maschine kommt der frische Bambussaft

Riobamba - von hier aus laesst sich der hoechste Berg Ecuadors, der Chimborazo besteigen, oder einfach mit dem Zug zur Teufelsnase

Riobamba - von hier aus laesst sich der hoechste Berg Ecuadors, der Chimborazo besteigen, oder einfach mit dem Zug zur Teufelsnase

Indigenas auf der Strecke vom Zug. Brrrr.... es ist wirklich so kalt!

Indigenas auf der Strecke vom Zug. Brrrr.... es ist wirklich so kalt!

Fruehstueck in den Bergen bei den Einheimischen

Fruehstueck in den Bergen bei den Einheimischen

Ein typisches Bergdorf in 3500 m Hoehe

Ein typisches Bergdorf in 3500 m Hoehe

Die Kathedrale von Cuenca - eine wunderschoene Kirche

Die Kathedrale von Cuenca - eine wunderschoene Kirche

Historische Altstadt - renivierte Fassaden in Cuenca

Historische Altstadt - renivierte Fassaden in Cuenca

Blick auf die schoenste Stadt Ecuadors - Cuenca !

Blick auf die schoenste Stadt Ecuadors - Cuenca !

Unser Hollaender in seinem Kuriositaetenkabinett

Unser Hollaender in seinem Kuriositaetenkabinett

Folkloreabend auf dem Platz San Domingo

Folkloreabend auf dem Platz San Domingo

Cuenca bei Nacht

Cuenca bei Nacht

© Irene Neumann, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Über 7 Monate werde ich mit meiner Freundin Birgit Südamerika bereisen. Wir werden folgende Länder kennen lernen: Ecuador mit Galapagos Inseln, Peru, Bolivien, Chile mit Osterinsel, Argentinien, Antaktis
Details:
Aufbruch: 01.09.2010
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 01.04.2011
Reiseziele: Ecuador
Peru
Bolivien
Chile
Argentinien
Uruguay
Brasilien
Der Autor
 
Irene Neumann berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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