Frankreich - 2011
Souvignetal–Roche Vic–Tulle–Gimel Cascades
20. September 2011 - 14. Tag - Gefahrene Meilen: 78 (126 km)
Tal der Souvigne - Roche de Vic - Tulle - Gimel-les-Cascades - Argentat
Heute Morgen um 8 Uhr sind es 13 Grad, doch der Himmel ist blau und das Wetter verspricht, schön zu werden, bis 24 Grad. Gemütlich frühstücken wir draußen, selbstverständlich mit den Reihern und Enten als Zaungästen. Unsere heutige Tour - Abfahrt 10.30 Uhr - führt uns u.a. zu den Gimel-Les-Cascades, in der Nähe von Tulle, im Correze-Tal. Hier hat die Moutane eine tiefe Schlucht in den Fels gegraben und stürzt dann als Wasserfall aus 140 m in die Tiefe. Wir fahren durch das waldige Tal der Souvigne und halten am Roche de Vic, 636 m. Rolf ist mit seinem Wanderschritt ruckzuck auf der Spitze, ich komme langsam hinterher. Der kahle Hügel ist von mächtigen Granitblöcken gekrönt, auf denen eine kleine Kapelle und eine Marienstatue errichtet wurden. Aus der Höhe bietet sich ein herrlicher Rundblick über das Bas-Limousin, der für mich etwas anstrengende Weg hat sich gelohnt. Weiter geht es nach Tulle, ca. 18.000 Einwohner. Der Ort erstreckt sich über 3 km Länge und reicht bis weit auf die Anhöhen oberhalb des Flusses Correze hinauf. Unser Ziel ist das Altstadtzentraum der Stadt, die für ihre Waffenmanufaktur berühmt ist. Hier erhebt sich der elegante Steinturm der Kathedrale Notre-Dame. Wir können die Kirchen anschauen, da sie - ausnahmsweise - nicht geschlossen ist. Nur die anschließende Abtei und der Kreuzgang haben "Ruhetag". Nur ein bisschen können wir von außen sehen.
Tulle
Der Ursprung der Stadt geht auf ein Kloster zurück, das in der Merowingerzeit vom Hl. Calmine am Zusammenfluss von Correze und Solande auf den Grundmauern eines gallorömischen Castrums gegründet worden war. Das Kloster von Tulle entwickelte sich bald zu einer sehr einflussreichen Abtei. Im Jahr 1103 beschloss Abt Wilhelm seiner in voller Blüte stehenden Abtei einen ihr gebührenden Rahmen zu verleihen. Er ließ eine Kirche und ein Klostergebäude bauen, der Bau zog sich lange hin. Der 73 m hohe Glockenturm besteht aus 3 Geschossen, die von einer eleganten achteckigen, mit hübschen Glockentürmchen geschmückten Spitze überragt werden. Die Innendekoration der Kathedrale ist sehr nüchtern. Doch das moderne Fenster (1979) des Chors ist sehr farbenprächtig. In der Mitte ist Unsere Liebe Frau von Tulle zu sehen und darüber Johannes der Täufer mit dem Gotteslamm auf den Schultern. Eine Holzstatue Johannes des Täufers (16. Jh.) im linken Seitenschiff wird von den Gläubigen sehr verehrt.
Im Laufe der Zeit machte der Ehrgeiz die Mönche aggressiv. Ein Beispiel ist die berühmte Affäre von Rocamadour, bei der sich die Abteien von Tulle und Marcilhac ein Jahrhundert lang um den Besitz des reichen Gotteshauses stritten. Der Abt Elie de Ventadour griff zu ungewöhnlichen Mitteln, um seinen meist leeren Kirchenschatz zu füllen. Er lieh sich bei den jüdischen Bankiers von Brive hohe Geldbeträge zu Wucherzinsen. Nachdem er das Geld einkassiert hatte, beschuldigte der Abt, der gleichzeitig oberster Rechtsprecher war, die Geldgeber des Wuchers und beschlagnahmte ihre Güter. Der Abt Arnaud de St-Astier eignete sich 1317 durch sein geschicktes Intrigenspiel den Titel des Bischofs von Tulle an. Dadurch ging Limoges eine der schönsten Städte des Bistums verloren. Endlose Prozesse wurden geführt und lange Zeit waren die Beziehungen der beiden Städte von Rachsucht geprägt. Im Hundertjährigen Krieg fiel die Stadt zweimal in die Hand der Engländer, diese wurden jedoch von der Bürgerwehr wieder in die Flucht geschlagen. Während der Religionskriege stand die Stadt auf Seite der Papisten. Der protes-tantische Vizegraf von Turenne ließ die Stadt nach einem blutigen Angriff ausplündern. Französische Widerstandskämpfer befreiten am 8. Juni 1944 Tulle, doch schon am nächsten Tag nahmen die Deut-schen die Stadt wieder ein, 99 Verhaftete wurden öffentlich aufgehängt und die übrigen Festgenommenen in Konzentrationslager gesandt, wo 101 Personen umkamen. Im Süden der Stadt ist ein Mahnmal zum Gedenken an die Opfer zu sehen. Nördlich der Kathedrale erstreckt sich das Viertel l'Enclos - Umfriedung. Der Name erinnert daran, dass die Stadt früher von einer Festungsmauer umgeben war. Mit seinen Gassen, Treppen und typischen Häusern hat sich dieses Viertel sein spätmittelalterliches Gepräge bewahrt.
Nach der Besichtigung der Kathedrale machen wir einen Stadtrundgang durch das alte Zentrum mit seinen verwinkelten Gassen und schönen Häusern, in denen Menschen wohnen und sich kleine, feine Geschäfte befinden. Rolf kauft sich eine warme Windjacke. In einem kleinen Cafe, welches heute Ruhetag hat, sitzen einige Leute an den Tischen, packen ihr Mittagsmahl aus und essen und reden. Wir sitzen uns dazu und ruhen uns ein bisschen aus, außerdem macht es Spaß, den Menschen auf der Straße zuzusehen. Die Einwohner wirken sehr gelassen, nirgendwo ist die sonst übliche Hektik einer Stadt zu spüren.
Leider führt Rolf ein mehr als ärgerliches Telefonat wegen seines zerstörten Motorradanhängers. Der Verursacher, der das nicht gemeldet hat, will von einer Schadensregulierung nichts wissen. Rolf regt sich mächtig auf, wir wissen, dass wird viel Ärger mit sich bringen.
Auf kleinen schönen Straßen durch das Correze-Tal gelangen wir zu Gimel-Les-Cascades. Rolf kauft sich ein Ticket und macht sich auf den anstrengenden einstündigen Fußmarsch zu den Wasserfällen. Die Wasserfälle befinden sich in Privatbesitz. Ich warte in einem kleinen Cafe, welches sehr ungepflegt ist und schreibe. Der erste Wasserfall, Grande Cascade, ist 45 m hoch. Dahinter befindet sich der 27 m hohe Wasserfall, Redole genannt. Von dort hat man einen schönen Blick auf die Aufeinanderfolge der beiden Kaskaden. Der dritte Wasserfall - Queue de Cheval (Pferdeschwanz) - stürzt aus 60 m in die Tiefe der Schlucht, mit dem Namen "Gouffre de l'inferno (Höllenschlund)". Rolf war natürlich mal wieder schnell unterwegs, er ist enttäuscht und meint, der Besuch habe sich nicht gelohnt.
Durch den Wald fahren wir zurück in den Ort. Gimel-les-Cascades, ca. 800 Einwohner, weist einige schöne Künstler-Ateliers auf. Außerdem gibt es die Eglise Saint-Pardoux-de-Gimel aus dem 15. Jh. Leise Musik untermalt die Besichtigung. In Kirche findet sich ein interessanter Kirchenschatz, u. a. ein Reliquienschrein aus dem 12. Jh., auf dem die Steinigung des Hl. Stephanus dargestellt ist, das Gesicht der Figur ist als Relief gearbeitet, die Augen sind mit Edelsteinen ausgelegt. Auch eine sehr schöne Pieta aus dem 15. Jh. ist zu sehen. Nach der Besichtigung der Kirche steigen wir zu den Ruinen des Chateau de la Roche-Haute auf. Der Besitzer, Andre C. Blavignac, hat 2004 die Überreste des Chateaus der Kommune geschenkt, die diese nun sehr gut instand hält. Für den kleinen sehr gepflegten Ort sollte man sich ein bisschen Zeit nehmen, wir entdecken eine alte Zollbrücke - Pont de Peage - und liebevoll restaurierte Häuser. An einem lehnt ein Fahrrad, geschmückt mit Blumen, tolle Idee und ein Blickfang. Auf dem Hauptplatz des Dorfes schauen wir uns noch die winzige Kapelle Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz (18. Jh.) an.
Dann geht es weiter, durch eine Landschaft voller Seen - natürliche und auch Stauseen, an deren Ufer einsame Angler ihr Glück versuchen. Wir passieren Marcillac-la-Croisille, den Stausee "Barrage de la Valette", der den Fluss Doustre staut, den Stausee Chastang, der die Dordogne staut, sehen das Château du Gibanel an der Dordogne und den Stausee Argentat. In Argentat selbst machen wir Pause, Rolf setzt sich ins Cafe und ich finde einen Frisör, der mir für 8,10 € die Haare wäscht, fönt und mir wieder meine Zöpfe flechtet. An der Dordogne entlang geht es bei herrlichem Wetter zurück zum Campingplatz, Ankunft 16.30 Uhr. Rolf geht zur Rezeption, zahlen. Dann bauen wir unser Vorzelt ab, denn Morgen fahren wir weiter, nach La Roque-Gageac, ebenfalls an der Dordogne gelegen.
Heute Abend erleben wir wieder einen Tierfilm, aber in natura. Der Eisvogel sitzt auf einem Ast, endlich kann Rolf ihn fotografieren und plötzlich stürzt er ins Wasser, zack, er hat einen Fisch aufgespießt, zu-rück auf den Baum, um den Fisch zu verspeisen. Das wiederholt sich einige Male. Und unsere Ratte schaut auch vorbei, in der Hoffnung, etwas Fressbares zu finden. Unsere sieben Enten erschnattern ihr Brot. Wir selbst essen Hühnerbrust, eingelegt in Olivenöl, Weißwein und Kräuter, dazu gibt es Pilze, gemischten Salat, Baguette, Rotwein und Trauben. Erst als es kühl wird, verziehen wir uns in den Bus, um dort noch einen Film anzuschauen. Rolf hat reichlich Vorrat dabei. Um 23.00 Uhr gehen wir schlafen.
Aufbruch: | 07.09.2011 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 15.10.2011 |