Frankreich - 2011

Reisezeit: September / Oktober 2011  |  von Uschi Agboka

Gorges du Tarn - Ispagnac

27. September 2011 - 21. Tag - Gefahrene Meilen:118 Meilen (190 km)

Gorges du Tarn - Pas de Soucy - Les Detroits - La Malene -
St. Chely-du-Tarn - Ste Enimie - Ispagnac - Severac-Le-Chateau

Ein paar Anmerkungen zu dem Frankreich, wo wir bisher waren, meist ländliche, dörfliche Gebiete. Überall finden sich noch kleine Geschäfte, Bäcker, Metzger, Gemüseläden, Tante-Emma-Läden, Autowerkstätten, Näher, Schreiner etc. Natürlich existieren dort auch große Supermärkte wie z. B. der Intermarche, Carrefour etc. Diese verkaufen jedoch meist nur regionale Produkte, haben eine sehr gute Fleisch- und Fischtheke, immer alles frisch, dazu Schinken- und Käsetheken, wo man gut einkaufen kann, nichts Abgepacktes. Gemüse und Obst ist in großer Auswahl vorhanden, nichts abgepackt, man darf riechen, fühlen und selbst aussuchen. Die Preise im Supermarkt sind nicht günstiger als in den Tante-Emma-Läden, so können alle nebeneinander existieren. Fast in jedem Dorf finden sich Blumengeschäfte und in größeren Orten gibt es Gärtnereien. Die Blumen und Pflanzen sind fast 3 x so teuer wie bei uns. Trotzdem sind alle Häuser, Straßen, Plätze, Brücken mit herrlichen Blumen geschmückt, was wunderschön aussieht. Selbst Parkplätze und Tankstellen mit blühendem Oleander haben wir gesehen, einfach nur schön. Die Menschen in diesen Regionen Frankreichs geben viel Geld für gutes Essen (nicht Geiz ist geil!) und Blumenschmuck aus. Kleidung, sehr modisch, sehr schön, z. T. ausgefallen, findet man in zahlreichen kleinen Läden, viel günstiger als bei uns. In den engen Gassen sieht man fast nur französische Kleinwagen, ideal für diese Strassen. Und von Deutschlandfeindlichkeit ist in diesen Gegenden Frankreichs nichts zu spüren, im Gegenteil, die Menschen sind überaus freundlich, herzlich und hilfsbereit. Ich bedaure wie so oft, wenn wir in Frankreich sind, dass ich kein Französisch spreche, nur ein paar Brocken. Doch mit Englisch und Italienisch ist Verständigung möglich. Aber es können keine intensiven Gespräche geführt werden wie in Italien oder den englischsprechenden Ländern. An den Straßenrändern sehen wir häufig Protestschilder, man will die ländliche Struktur erhalten und protestiert gegen räuberische Investoren. Franzosen sind nicht so zahm wie die Deutschen, die fast alles mit sich machen lassen. Für einen Frankreich-Urlaub ist das Zentralmassiv die ideale Gegend, freundliche Menschen, kaum Kriminalität, herrliche Landschaften und viel Kultur.

Um 8 Uhr sind wir wach, die Sonne lacht vom Himmel. Es ist bereits warm. Rolf muss heute bis Le Rozier zum Brot holen fahren. Um 10 Uhr starten wir zu einer Tour durch die Tarnschlucht.

Gorges du Tarn
Die Schlucht erstreckt sich über 50 km und bietet eine herrliche Folge von Naturschönheiten. Der am Mont Lozere in 1.575 m Höhe entspringende Tarn stürzt als reißender Gebirgsbach die Hänge der Cevennen hinab, wobei er zahlreiche Nebenflüsse in sich aufnimmt. Der Fluss erreicht dann die Gegend der Causses, folgt einer Reihe von Spalten, die er zu Canyons vertieft hat. In dieser vom Kalkstein geprägten Gegend hat der Tarn bis Le Rozier keinen oberirdischen Zufluss mehr. Er wird hier durch ca. 40 Karstquellen gespeist, deren Wasser vom Causse Mejean oder dem Causse de Sauveterre kommt und nur drei von ihnen bilden einen kleinen Fluss, die meisten anderen fließen in Kaskaden in den Tarn. In der im Sommer glühendheißen Tarnschlucht haben sich nur wenige unbedeutende Orte angesiedelt, die zudem der Gefahr des plötzlichen Hochwassers ausgesetzt sind. Die Hänge der Tarnschlucht sind mit Weinbergen und Obstgärten bedeckt. Häufig sieht man hoch oben an den Hängen die Burgruinen, die im Mittelalter Raubrittern als Schlupfwinkel dienten.

Es geht über die D 907 in die Schlucht, über das kleine Dorf Les Bignes, den Pas de Soucy. Hier verschwindet der Tarn unter riesigen Felsblöcken. Sie bilden ein richtiges Felsenmeer.

Die Legende erzählt folgende Geschichte: Hier soll der von der Hl. Enimie verfolgte Teufel von einem Felsen zum anderen gesprungen sein. Als die Hl. Enimie erkannte, dass der Teufel entkommen würde, rief sie die Felsen zu Hilfe. Ein Bergrutsch war die Antwort auf ihre Bitte und der Roque Sourde stürzte sich auf den Teufel. Doch dieser entkam in eine Spalte am Flussbett und kehrte reichlich mitgenommen in die Hölle zurück.

Unterwegs sehen wir einige Felskletterer, sieht ganz schön gefährlich aus. Die Felsenge Les Detroits ist wohl der schönste und schmalste Teil des Canyons. Nun weitet sich dieser, wir gelangen in den herrlichen Cirque des Baumes (baume = Höhle) und kommen nach La Malene. Einst überquerten hier im Frühjahr und Herbst die auf die Almen getriebenen riesigen Herden den Tarn. Im 12. Jh. wurde die erste Burg erbaut, die bis zum 18. Jh. dem Ort eine gewisse Bedeutung verlieh. Während der französischen Revolution wurde die gesamte Gegend der Tarnschlucht durch Feuer und Schwert verwüstet. Die grausam verfolgten Adeligen flohen in die Höhlen, die sich in den Felswänden des Canyons öffnen. 1793 wurden 21 Einwohner von La Malene erschossen und der Ort in Brand gesetzt. Dadurch wurde die Felswand des Roc de la Barre, die den Ort überragt, mit einer nicht mehr zu entfernenden schwarzen Schicht überzogen. Sehenswert in La Malene sind die romanische Kirche aus dem 12. Jh., einige alte Häuser sowie das zu einem Hotel umgebaute Schloss aus dem 16. Jh. Weiter geht es, an den Ruinen des Chateau de Haut-Rive vorbei. Unterhalb des Schlosses liegt ein Dorf, dessen alte traditionelle Häuser aus grauen und goldfarbenen Steinen sehr schön restauriert wurden. Wir kommen zum prächtigen Chateau de la Caze. Dieses Schloss aus dem 15. Jh. ist heute ein prächtiges Hotel mit einer romantischen Lage am Ufer des Tarn. Dieser schattige, von alten Steinen und überhängenden Felsen umgebene Ort macht auf uns einen märchenhaften Eindruck. Nun passieren wir den Ort Pougnadoires, dessen Häuser in den Vertiefungen der rötlichen Felsen lehnen, die den Talkessel von Pougnadoires bilden. Und weiter geht es, vorbei am Cirque de St-Chely mit dem Ort St. Chely-du-Tarn, über Ste-Enimie, Prades, Castelbouc, Montbrun bis nach Ispagnac, auch "Garten der Lozere" genannt. Das von den Nord- und Nordwestenwinden geschützte Becken am Eingang des Tarn-Canyons ist mit Obstbäumen, Weinreben und Erdbeeren bepflanzt. Aufgrund seines milden Klimas ist der Ort heute ein beliebtes Sommerferienziel.

St. Chely-du-Tarn liegt am Ufer des Tarn, am Eingang eines riesigen Felskessels mit herrlichen Steilwänden, am Fuß des Causse Mejean. Sehenswert sind dort die romanische Kirche mit dem hübschen quadratischen Glockenturm, der Backofen auf dem Marktplatz, einige alte Häuser und die schönen Obstgärten. Zwei Karstquellen fliessen in Kaskaden in den Tarn.

Der kleine Ort Ste-Enimie wurde terrassenförmig an einer der engsten Stelle der Tarnschlucht angelegt. Die steil aufragenden Felsen bilden hier einen Korridor, der 600 m tief und 1,8 km breit ist. Die Böschungsmauern, die man an den Hängen der Tarnschlucht erkennen kann, zeugen von dem Titanenwerk, das die Menschen hier im Laufe von Jahrhunderten vollbracht haben. Früher wurden auf den Terrassen Wein, Mandel-, Nuß-, Kirsch- und Pfirsichbäume angebaut. Aufgrund der Landflucht nach dem 2. Weltkrieg liegen viele Flächen heute brach. Der Tourismus sollte dem kleinen Ort neuen Aufschwung bringen. Doch ich sehe, dass seit unserem letzten Besuch 2009, viele Geschäfte geschlossen sind, Häuser stehen zum Verkauf und einige verwahrlosen.

Die Legende der Hl. Enimie
Sie war eine merowingische Prinzessin, wunderschön, in die alle Männer des Hofes verliebt waren. Doch sie lehnte alle Heiratsanträge ab, da sie ihr Leben Gott weihen wollte. Der König ignorierte ihren Wunsch und verlobte sie. Bald darauf wurde Enimie von einem Aussatz befallen, ihr Verlobter zog sich zurück. Ein Engel erschien Enimie und befahl ihr, nach Gevaudan zu gehen, dort würde sie dank einer Quelle ihre Schönheit wiedererlangen. Die Prinzessin machte sich auf den Weg, kam zur Quelle von Burle, sie tauchte ein in das Wasser und war schöner als zuvor. Glücklich wollte sie die Heimreise antreten, doch als sie das Tal verliess, kam die Lepra erneut über sie. Enimie kehrte zur Quelle zurück, wo sich das Wunder wiederholte. So erkannte Enimie den Willen Gottes und blieb in Burle. Sie lebte in einer Höhle und vollbrachte gute Taten, liess ein Frauenkloster errichten und bekämpfte den Teufel (siehe Pas de Soucy). Enimie wurde Äbtissin des Klosters, sie starb 628. In der Höhle, in der sie gelebt hatte, wurde sie in einem Silberschrein begraben. Der Ort wurde zu einem Wallfahrtsort, an dem viele Wunder geschahen. Am Fuß des Felsens, wo einst das Kloster stand, befindet sich heute das kleine Dorf Ste-Enimie.

Das Chateau de Prades, erbaut im 13. Jh., erhebt sich auf einem Felsen über dem Tarn. Die Burg hatte die Aufgabe, die Abtei von Ste-Enimie zu bewachen und den Zugang zur Schlucht zu schützen. 1581 widerstand die Burg erfolgreich den Angriffen der protestantischen Truppen des Kapitäns Merle. Eine Besichtigung heute läßt erkennen, wie die Fürsten früher dort gelebt haben.

Castelbouc, am linken Tarnufer, hat eine malerische Lage. Der Name des Ortes soll auf die Zeit der Kreuzzüge zurückgehen. Ein Feudalherr, der einzige Mann im Dorf, soll aufgrund seiner Liebesbezeigungen gegenüber den Frauen des Ortes vor Erschöpfung gestorben sein. Als er seine Seele aushauchte, erschien ein riesiger Ziegenbock (bouc) über dem Schloss, welches fortan Castelbouc genannt wurde. Im 16. Jh. wurde das Schloss niedergerissen, um die Bewohner, die das Tal ausraubten, zu vertreiben.

In Ispagnac trinken wir Kaffee in einer Einheimischenkneippe. Es sind kaum Touristen unterwegs. Ich habe den Eindruck, die Touristen meiden die Tarnschlucht, denn überall sind Geschäfte geschlossen, Hotels und Häuser stehen zum Verkauf und alles sieht ein bisschen ungepflegt aus. In Ste-Enimie hat Rolf für seinen neuen Schwiegersohn ein tolles Jagdmesser (Laguiole) gekauft. Nur schwer konnte er sich entschliessen, nicht noch ein weiteres Messer für sich selbst zu kaufen. Man muss wissen, wir sind gut bewaffnet, Rolf hat zwei und ich ein Messer dabei! Über die N 106 fahren wir nun durch das Gebirge, über den Col de Montmirat, 1.046 m, eine sehr schöne ausgebaute Straße. Über Rouffiac bis Chanac. Von dort über die D 32 durch eine völlig andere Landschaft, lieblich, Wiesen, Wälder bis zum Point Sublime, von wo man einen herrlichen Überblick über den Tarn-Canyon hat, von der Felsenge Les Detroits bis zum Pas de Soucy und dem Roche Aiguille. Am Fuß des Plateaus, 400 m über dem Tarn, liegt der wunderschöne Cirque des Baumes mit seinen gigantischen Felswänden. Was uns wundert, der Point Sublime ist in Privathand, trotzdem wird kein Eintritt verlangt. Weiter geht die Tour nach Le Massegros und Severac-Le-Chateau. Dort besichtigen wir die Ruinen der Burg, die auf einem steil aufragenden Felsen oberhalb des Ortes liegen. Die Burg gehört zum Verband der mittelalterlichen Schlösser "Chateau de la Route des Seigneurs du Rouergue". Die haben sich verpflichtet, hochwertige Führungen und ausführliche Informationen zur Verfügung zu stellen und außerdem die Einhaltung der Öffnungszeiten zu garantieren.

Severac-Le-Chateau
1416 wurde Amaury de Severac der Herr dieser Baronie, die zu den ältesten und mächtigsten des Landes zählte. Er war ein wichtiger Berater (Marschall von Frankreich) König Karl VII. 1427 wurde er in der Burg von Gages, Nähe Rodez, ermordet. Da er keine Nachkommen hatte, erlosch mit ihm die Hauptlinie der Barone von Severac. Eine bedeutende Persönlichkeit der Nebenlinien, Louis d'Arpajon, war ein berühmter Soldat, aber auch der Mörder seiner Frau. Seine Frau Gloriande verwandelte die Burg Severac in eine prachtvolle Residenz, in der rauschende Feste gefeiert wurden. Ihre Schwiegermutter, eine zum Katholizismus übergetretene sittenstrenge Calvinistin, verzieh ihr das nie und schmiedete fortan eine Intrige nach der anderen. Gloriande bekam einen Sohn und ihrer Schwiegermutter gelang es, ihren Sohn Amaury zu überzeugen, dass Kind sei nicht von ihm. Rasend vor Eifersucht tötete er seinen vermeintlichen Rivalen und sperrte seine Frau Gloriande bis zum Beginn einer Wahlfahrt ein. Auf dieser Wahlfahrt wurde sie überfallen, ein Arzt öffnete ihr die Venen an Hand- und Fussgelenken. Man liess sie verbluten, verband sie und bracht sie zurück ins Schloss. Offziell starb sie an einem Herzschlag. Erst später erkannte Amaury de Severac, dass er einer Lüge seiner eigenen Mutter zum Opfer gefallen war.

Nach der Schlossbesichtigung kaufen wir im Intermarche ein, 7 Flaschen Wasser und 8 Flaschen Wein, passt alles ins Motorrad. Es ist sehr warm, 30 Grad. Über kleine Straßen, über den Col d'Engayresque, 872 m, Verrieres, Aguessac, Riviere-s-Tarn sind wir um 17 Uhr zurück auf dem Campingplatz, den wir mittlerweile ganz allein für uns haben. Zum Abendbrot gibt es Schinken, Pate, Käse, Frisee-Salat, Baguette, Rotwein und Trauben. Bis nach 21 Uhr können wir draußen sitzen, ein herrlicher Abend. Später steht auf dem Filmprogramm ein Sherlock Holmes Film, einer der neueren Art, ganz interessant, aber mir gefallen die "alten" eindeutig besser. Erst spät gehen wir schlafen.

© Uschi Agboka, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Tour über 39 Tage, von Niederbayern, durch Frankreich (Zentralmassiv) und weiter nach Italien (Ligurien - Aosta-Tal) Hier der erste Teil - Frankreich.
Details:
Aufbruch: 07.09.2011
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 15.10.2011
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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