Frankreich - 2011

Reisezeit: September / Oktober 2011  |  von Uschi Agboka

Montpellier-Le-Vieux - Gorges de la Jonte

28. September 2011 - 22. Tag - Gefahrene Meilen: 62 (100 km)

Millau - Montpellier-Le-Vieux - Meyrueis - Gorges de la Jonte

Heute schellt der Wecker früher, der Sonnenaufgang will angeschaut und fotografiert werden. Lt. Wetterbericht in der Zeitung sollen es heute wieder 30 Grad werden. Rolf muss den hinteren Reifen des Motorrades wechseln lassen, deshalb führt uns unsere Tour heute zunächst nach Millau. Die Werkstatt, in der wir vor 2 Jahren einen neuen Reifen für den Campingbus kauften, ist inzwischen von einer großen Kette übernommen worden. Der ehemalige Besitzer ist unfreundlich und unhöflich. So verlassen wir den Ort, wo wir 2009 so gute Erfahrung machten und machen uns auf die Suche nach einem größeren Motorrad-händler. Ein Yamaha-Händler kann uns nicht weiterhelfen, er verweist uns an eine andere Werkstatt. Seine Wegbeschreibung laesst zu wünschen übrig und so fragen wir einen Passanten, der uns auf Englisch sehr gut den Weg zu einem Motorradhändler vor der Stadt weist. Wir finden den Laden auf Anhieb und ein netter Mitarbeiter, Romain, erklärt sich bereit, uns zu helfen. Doch oh Schreck, der Reifen, den Rolf von Niederbayern mitnahm, ist ein Vorderreifen und kann hinten nicht montiert werden. Sein Freund muss die Reifen verwechselt haben und Rolf hat es nicht kontrolliert. Da hilft nun alles nichts, ein neuer Harley-Reifen muss bestellt werden. Er wird in 2 Tagen da sein und Romain meint, wenn wir Freitag gegen 11 Uhr kommen, kann Rolf mit seiner Hilfe den Reifen selbst wechseln. Plötzlich hupt es draußen. Der nette Mensch, der uns den Weg beschrieb, ist vorbei gekommen, um zu sehen, ob wir das Geschäft gefunden haben und ob wir Hilfe brauchen. So ein freundlicher und hilfsbereiter Mann, wir sind sehr beeindruckt. Rolf muss den bestellten Reifen gleich bezahlen und dann fahren wir beruhigt zu unserem heutigen Ziel: Chaos de Montpellier-Le-Vieux, bei Peyrelau. Eine Felsenstadt, mit herrlichem Blick über die Landschaft, auf der Causse Noir:

Montpellier-Le-Vieux ist keine Stadt, sondern eine erstaunliche Ansammlung von Felsen, sie sind durch einwirkende Erosion und abfliessendes Regenwasser entstanden und erstrecken sich über eine Fläche von ca. 120 ha. Bis 1870 galt das in einem undurchdringlichen Wald verborgene Felsenmeer bei den Einwohnern der Gegend als eine "verwunschene Stadt", in der der Teufel umging. Die Schafe und Ziegen, die Montpellier zu nahe kamen, wurden nachts von den Wölfen gerissen. 1883 wurde Montpellier u. a. von Malafosse entdeckt, der sagte: "All diese ineinander verschlungenen Straßen, Gewölbe, Gräben, Vorsprünge, die sich teil im rechten Winkel schneiden wie eine schnurgerade angelegte Stadt und teils ein wahres Labyrinth bilden, in dem man ratlos umherrirrt, dieses ganze Felsengebinde wie auch alle Einzel-heiten können unmöglich beschrieben werden."

Der Eintritt in die Felsenstadt ist happig und mit Kinderwagen oder Rollstühlen sind die Wege nicht befahrbar. Da muss ich mal wieder die Amerikaner loben, die machen das immer vorbildlich. Man kann allerdings mit einer kleinen Bahn fahren, aber das ist kein wirklicher Ersatz für die Wanderung zu Fuß. Es gibt leider auch keine deutsche Information und die Übersetzung am Eingang ist voller Fehler, kein gutes Aushängeschild für die Führung des Parkes. Rolf und ich laufen den blauen Weg - 40 Minuten - zum Belvedere, von wo aus man einen traumhaften Blick über die Gorges de la Dourbie hat. Wir sehen unterwegs die verschiedensten Felsen, denen man Namen gegeben hat, wie Cenotaphe, Tete d'Arlequin, Tete de la Reine Victoria, Tete d'Ours, Allee des Tombeaux. Man kann in die Tiefe einer Höhle schauen - Aven. Rolf nimmt vom Belvedere aus einen weiteren schwierigen Weg (1 1/2 Std), während ich am Belvedere bleibe, die Gegend geniesse und schreibe. Später wandere ich gemächlich zurück, setze mich in den Schatten und lasse die Landschaft auf mich wirken. Es ist 13 Uhr und es sind kaum Besucher da. Rolf kehrt nach 13.30 Uhr von seiner Wanderung zurück, er hat natürlich noch eine weitere schwierige Route entdeckt.

Die Aven Armand Höhle kann separat besichtigt werden. Ein- und Ausstieg mit einer Seilbahn 60 m tief, zu einer riesigen Tropfsteinhöhle. Eine Art Urwald mit einer weltweit einzigartigen Ansammlung von 400 Stalagmiten. Man kann dort die Palme, die Pute, Quallen, den Blumenkohl, die Kiefer des Tigers bewundern und den derzeit größten bekannten Stalagmiten.

Nachdem Rolf sich ein bisschen ausgeruht hat, fahren wir über die riesige Hochebene - kaum besiedelt, nur Schafe und Ziegen sind dort Zuhause. Wir passieren St. Andre de Vezieres, Vessac, Veyreau bis nach Meyrueis. Dort trinken wir gegen 14.30 Uhr Kaffee. Der kleine Ort liegt am Zusammenfluss von Betuzon, Breze und Jonte, auf ca. 706 m Höhe, am Eingang der Jonte-Schlucht. Das Haus Belon mit eleganten Renaissance-Fenstern und der Uhrturm, ein Überrest der alten Befestigungsanlage, ist besonders sehenswert. Direkt an der Hauptstraße ergattern wir einen super Platz, für uns naseweisen Personen gerade recht, wir haben alles im Blick. Ein Jäger mit einem kapitalen Hirsch auf dem Wagen fährt durch die Stadt an uns vorbei. Wir sitzen an der Bar "Die Katze". Sie hat innen ein Gewölbe aus dem 16. Jh., sieht ganz toll aus. Die ältere Inhaberin ist stolz, mir alles zu zeigen.

Heute auf unserem Weg haben wir ganz merkwürdige Rinder gesehen, sehr groß, hoch, mit langen Beinen, fast wie Pferde aussehend. Leider konnte ich die Rasse nicht herausfinden.

Nachdem wir einen Spaziergang durch den schönen Ort gemacht haben, fahren wir weiter, durch die Gorges de la Jonte, eine malerische Schlucht. Sie hat nicht die gewaltigen Ausmasse, wie die des Tarn, doch ihre Steilhänge aus Kalkstein verleihen ihr ein ebenso erstaunliches Gepräge. Die Jonte entspringt in 1.350 m Höhe am Nordhang des Aigoual-Massivs. Zunächst fliesst sie in ein schönes, bewaldetes Tal und trennt dann den wüstenartigen Causse Mejean von dem mit Weiden und Kastanien bedeckten Cevennen. Ab Meyrueis bahnt sich die Jonte einen Weg zwischen den Wänden des Causse Noir und den ruinenartigen Steilhängen des Causse Mejean, windet sich dann durch einen herrlichen Canyon bis Le Rozier, wo sie in den Tarn mündet. Mir gefällt die Jonteschlucht, ca. 500 m tief, mit ihrer wildromantischen Unberührtheit fast noch besser als die Tarnschlucht. Vorbei an der Arcade de Berger, dem Roc St. Gervais. Auf diesem mächtigen Felsen, der über dem Ort Les Douzes aufragt, steht die romansiche Kapelle von St. Gervais. Am Himmel sehen wir einen Königsadler schweben. Neben dem Schlangenadler, dem Turm- und Wanderfalken sind diese Raubvögel hier heimisch. In der Nähe es Dorfes Le Truel gibt es einen schönen Aussichtspunkt, von wo aus man die ausgewilderten Gänsegeier gut beobachten kann.

Die Causses
Die ausgedehnten Kalkplateaus im Süden des Zentralmassivs bilden eine der eigentümlichsten Gegenden Frankreichs. Im Osten werden sie von den Cevennen und im Norden vom Lot-Tal begrenzt. Der Kalkstein verleiht der Landschaft - karge Hochplateaus, gigantische Canyon und natürliche Klüfte - ein markantes Aussehen. Die wenigen Häusern in den kleinen Weilern bestehen aus weißen Trockenmauerwerk, was ihnen ein raues Aussehen verleiht. Der Kalkstein, der den Regen wie ein Schwamm aufsaugt, verursacht die Trockenheit der Böden, doch unter dieser ausgedörrten Erdoberfläche verbirgt sich eine reiche Höhlenwelt. Auf den Hochplateaus gibt es heiße, trockene Sommer und strenge Winter mit lang anhaltenden Schneefällen und heftigen Winden. Die Causses sind schon immer ein bevorzugtes Gebiet für die Haltung von Schafen gewesen, die sich mit der kargen Vegetation zufrieden geben. Kleine Teiche - La-vognes - dienen als Tränke für das Vieh. Der Untergrund wird durch eine Tonschicht oder Pflastersteine wasserundurchlässig gemacht.

Die Erforschung der Causses ist eng mit dem Namen Edouard-Alfred Martel verbunden. Martel, eigentlich ein Anwalt in Paris, begeisterte sich schon in der Jugend für Höhlenforschung (Speläologie). Der unerschrockene Forscher bereiste Italien, Deutschland, Österreich, England und Spanien, wo er die berühmtesten Höhlen besuchte und neue entdeckte. Ab 1883 untersuchte er systematisch die bis zu jener Zeit unbekannte Gegend der Causses. Auf seinen lebensgefährlichen Expeditionen entdeckte er Hunderte bemerkenswerte Naturdenkmäler. Martel führte auch wissenschaftliche Studien durch, gründete eine neue Wissenschaft, die unterirdische Höhlenforschung (Speläologie). Dank seiner Untersuchungen des unterirdischen Wasserkreislaufs konnten Wasserverseuchungen vermeiden werden. Seine Entdeckungen trugen mit dazu bei, dass sich in diesen ärmeren Landstrichen der Fremdenverkehr entwickeln konnte.

Um 16.30 Uhr sind wir zurück am Campingplatz. Rolf ist von seiner langen Wanderung etwas müde, Gott sei Dank fallen heute keine Arbeiten (Abwasser etc.) an, so schmeckt erst einmal ein kühles Bier nach der schönen Tour. Unser Platz an dem Tarn ist ideal: Morgens sonnig und warm, abends kühl nach einem heißen Tag. Heute gibt es wie gestern kalte Küche. Plötzlich erleben wir die Enteninvasion, mind. 21 Tiere, weibliche und männliche, flattern zu uns herauf an den Tisch. Unser restliches Baguette, Reste vom Schinken und Käsekrumen, schön zerkleinert, finden reißende Abnahme. Ein schönes Bild, die schmausenden Enten. Dann, wie auf Kommando, fliegen alle davon und wir sind wieder allein mit dem Rauschen des Tarn. Ein einziges Kanu kommt vorbei. Der Mann muss mehr schieben als fahren. Der Campingplatz ist fast leer, nur ein paar Zelter und ein französisches Ehepaar mit einem Mops. Leider führt die Frau ihn auf dem Platz "Gassi", was uns gar nicht gefällt. Überall in Hundekacke zu treten ist nicht unser Fall. Rolf, der jahrelang selbst einen großen Hund hatte und ich, die ich Viecher aller Art liebe, werden stinksauer, wenn die Leute ihre Hunde überall hinmachen lassen und man, weil man beim Fotografieren nicht immer auf den Weg schaut, hineintappt.

Morgen wollen wir erkunden, wie lange der Platz geöffnet hat, ob bis zum 30. September oder länger. In Meyrueis hat uns ein belgisches Ehepaar angesprochen, die uns auf dem Campingplatz gesehen haben. Sie fahren weiter gen Süden, die Frau hat wahnsinnige Angst mit dem Campingcar in den engen Straßen. Ich kann das gut verstehen, ging mir 2009 mit dem Campingbus genauso, ich stand immer kurz vor dem Herzinfakt. Doch jetzt, in diesem Jahr, sind die engen kurvigen, teilweise schlechten Straßen kein Problem. Bis um 21 Uhr geniessen wir draußen den schönen Abend, es folgt noch ein spannender Film und dann gehen wir schlafen.

© Uschi Agboka, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Tour über 39 Tage, von Niederbayern, durch Frankreich (Zentralmassiv) und weiter nach Italien (Ligurien - Aosta-Tal) Hier der erste Teil - Frankreich.
Details:
Aufbruch: 07.09.2011
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 15.10.2011
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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