Kanada - Praktikum und Rundreise entlang der Ostküste
Flug und die ersten Tage: Die erste Arbeitswoche
Am Dienstag, den 02.07. stehe ich pünktlich um neun im College bereit, um meine Arbeit anzutreten.
Wie befürchtet, aber natürlich erwartet, ist man auf mich noch nicht so wirklich vorbereitet. Alle freuen sich, mich zu sehen, und wissen irgendwie irgendwoher, dass ich diese Woche kommen werden. Das Problem an der Situation ist, dass die Dame aus dem International Office, die mein Internship organisiert hat, krankheitlich für mehrere Monate eine Pause eingelegt hat. Die Frau, die sich in der Abteilung um mich kümmern sollte, hat überraschend zwei Monate zu früh ihre Zwillinge zur Welt gebracht. Wenn das keine Zufälle sind...
Dennoch wird mir alles gezeigt und Kaffee angeboten (den man leider nicht trinken kann... Das Kaffeemaschinenproblem hat sich bis zum Ende der Woche nicht wirklich gelöst und deswegen rennen alle regelmäßig zu Tim Horton's, dem großen Kaffee/Süßwaren-Anbieter Kanadas, den es praktischerweise im Collegegebäude gibt).
Schließlich nimmt sich Lindsey meiner an, die an der Uni während des Semesters Marketing studiert und nun ihren Sommerjob in der Abteilung macht. Die meisten Universitäten haben im Sommer ca. 4 Monate geschlossen, die sinnvoll genutzt werden wollen. Schließlich zahlen die Studenten hier enorme (im Vergleich zu Dt.) Studiengebühren. Dennoch halten sich viele Studenten im College auf, die dort entweder arbeiten oder Sommerkurse belegt haben.
Lindsey übernimmt die Photoshop und Marketing Aufgaben der Abteilung und entwirft so Flyer, Plakate usw. Den ersten Tag verbringe ich damit, in die Aufgaben der Abteilung eingewiesen zu werden und Lindseys Aufgabenbereich kennenzulernen.
Ich bin nicht, wie ich am Anfang vermutet hatte, in der HR/Personalabteilung, sondern im "Co-op und Career Center". Das Center setzt sich aus zwei Bereichen zusammen:
- Stundenten können hier vorbei kommen und ihr Resume/Lebenslauf Korrektur lesen lassen und sich Tipps für Bewerbungen nach dem Studium holen. Dabei werden auch Fake Interviews zum Üben geführt, Tests für die richtige Berufswahl gemacht, usw.
- Beinahe wie bei einem dualen Studium gibt es am College Studenten, die ein sog. Co-op Studium machen, das heißt, sie müssen immer wieder Praxissemester in Firmen absolvieren. Dafür müssen sie sich für ausgeschriebende Stellen (Was in der Abteilung gemacht wird) bewerben. Auch werden sie bei der richtigen Firmenauswahl von Experten für den jeweiligen Studiengang unterstützt.
Die Studenten werden also kostenlos auf ihr zukünftiges Arbeitsleben vorbereitet, wobei man nicht davon ausgehen darf, dass ihnen alles in den Schoß gelegt wird. Die Coaches geben Tipps, korregieren und helfen, wenn nötig, aber machen müssen es die Studenten schon selbst. Das gesamte Bewerbungsverfahren ist anders als ich es kenne. Networking und Berufserfahrung sind in Kanada viel wichtiger als in Deutschland, um einen guten Job zu bekommen. Auch das Resume wird anders geschrieben als in Deutschland. (z.B. werden keine persönlichen Angaben gemacht)
Das lerne ich auch am zweiten Tag kennen. Audrey, die derzeit eine Art Masterstudium im HR Bereich macht, arbeitet einmal in der Woche für das Co-op und Career Center. Zusammen sitzen wir vor der Bibliothek und beraten Studenten, die ihr Resume vorbei bringen, wie sie es besser machen können. Audrey ist es auch, die mir für kommenden Dienstag einen Platz in ihrem HR Kurs ermöglicht. Ich bin gespannt, wie unterschiedlich die Lernformen, aber auch die Inhalte zu meinen eigenen sind.
Nach und nach bekomme ich auch eigene kleine Aufgaben und habe mittlerweile fast alle notwendigen Zugänge und Passwörter. Den Studenten werden eine Menge an Materialien für ein Bewerbungsschreiben online zur Verfügung gestellt (z.B. Templates, hilfreiche Verben/Adjektive, Checklisten usw.)
Außerdem stellt sich mir gegen Ende der Woche Jodi vor. Sie entschuldigt sich tausendmal bei mir, dass sie mich vergessen hat - (kein Thema - und dass sie dachte, ich käme erst im August... ok? Sie ist im Bereich Co-op der Abteilung, hat aber einen HR Hintergrund. Sie wirbt Firmen für das Co-op Programm an, d.h. die Firmen nehmen Studenten des College für ein Semester auf, in dem sie ihren Praxiteil des Studiums ableisten. Während des Praxissemesters besucht Jodi die Studenten auch vor Ort und hat mir angeboten, sie auf einem ihrer Trips zu begeleiten. Das hört sich super spannend an!
Auch in Zukunft werde ich einige HR Projekte von Jodi übernehmen.
Hin und zurück geht es mit dem Bus. Der geht alle halbe Stunde fast vor unserer Haustür. Dennoch ist es immer wieder qualvoll mitzufahren. Nicht nur, dass alle 500m eine Haltestelle ist, und der Bus, kaum, dass er beschleunigt hat, schon wieder bremsen muss. Der Kanadier will ja nicht so gerne laufen... Nein, auch an nahezu jeder Kreuzung stehen an allen vier Seiten Stopp-Schilder. Und da hält man sich als Kanadier dran. Es wird Gas gegeben, bis kurz davor und dann eine Vollbremsung eingelegt. Dann gilt "first comes, first goes", wer zuerst da war, darf zuerst losfahren. Egal ob er links, rechts oder grade aus will. Da ist mir mein morgendliches Bacon and Egg schon manchmal wieder hoch gekommen.
Abends kocht Vicki für mich und Rosi. Zwar gibt es kein Fertigessen, dennoch wird wenig "groß" gekocht. So erklärt sich auch, warum Vicki keine Spühlmaschine benötigt. Die Familie lebt aus der Mikrowelle. Hier wird Gemüse, Kartoffeln, Fleisch aus der Packung, .... aufgewärmt bzw. gekocht. Da wird der Topf hinfällig. Gut, dass ich Kartoffeln mag, (@Mama: Die brauche ich, wenn ich wieder daheim bin, die nächsten Wochen erst mal nicht...) denn Vicki liebt sie. Ein paar mal mit der Gabel eingestochen, für 5 Minuten in die Mikrowelle, schon sind sie durch...
Am Abend von Freitag auf Samstag gehen Rosi, ihre Freundin Sarah und ich gemeinsam in eine Bar. Sarah hat erst vor kurzem Deutschland bereist und findet "Prost" zu sagen, mega gut. "Then you really mean it" Ich könnte so lachen, wenn sie das R bewusst rollt und mir dabei ins Gesicht starrt. (Siehe Bild) Besonders den Blickkontakt hat sie in Deutschland gelernt und hat seitdem Angst vor 7 Jahren schlechten Sex . Den hat Rosi eigenen Angaben zufolge eh schon . Da kann man das "in-die-Augen-schauen" schon mal vergessen. Nur so am Rande, sie ist single
Trotzdem mussten wir alle lachen, als ihr ein Typ aus ihrer Kinderzeit eine SMS schreibt, ob sie nicht noch Lust hat, sich heute mit ihm zu treffen. Nach ihrer Verneinung schreibt er " I just tried a shot in the dark" Weder Rosi noch ich wissen, was genau damit gemeint ist (natürlich aus unterschiedlichen Gründen...), und nach dem vorigen Thema gehen unsere Vermutungen erst mal unter die Gürtelinie.... Bis uns Sarah darüber aufklärt, dass er einfach etwas versucht hat, ohne zu wissen, was dabei herauskommt... Achsoooo dann ist es ja gar nicht so schlimm!
An diesem Abend werden wir uns noch über einen weiteren Wortwitz klar. Das ganze Wochenende über ist Rib-Fest in Barrie, d.h. Weltmeister ihres Fachs verkaufen Ribs in der Stadt, auch Bier wird ausgeschenkt. Natürlich gehen wir hin, auch wenn ich nicht sonderlich viel Ahnung vom Geschmack von Ribs habe. Matthias sitzt neidisch zuhause in Deutschland und so versuche ich ihnen das Sprichwort "Perlen vor die Säue zu werfen" zu erklären. "To throw perls in front of a pig", klingt nicht sonderlich. Dennoch wissen alle sofort was gemeint ist. Woher? In Kanada sagt man "throwing perls in front of swein" Keiner weiß, warum swein, man sagt es einfach... Witzig! Na wenn das mal kein Deutscher im Englischsprachigen Raum von sich gegeben hat... Wieder eine Wissenslücke über die eigene Sprache gefüllt!
Heute ist Samstag und ein Trip des International Office zur Yorkdale Mall in Toronto stand an. Zusammen mit dem kanadischen Organisator, 15 Chinesen/Japanern/Koreanern, einer Brasilianerin (die dem Englischen nicht sonderlich mächtig war) und zwei Deutschen (mich eingeschlossen) geht es los im gelben Schulbus. Der mal zur Abwechslung über keine Klimaanlage verfügt. Nahezu jeder Raum/fahrbarer Untersatz in Kanada hat eine Klimaanlage, die auf durchschnittlich 15 °C eingestellt ist und so die morgendliche Klamottenfrage zu einem echten Problem werden lässt. Auch in der Arbeit behält man den Blazer lieber an. Tendentiell eher noch einen Schal mitbringen... Also Fenster auf und los geht die Fahrt auf dem Highway Richtung Süden.
Die Mall scheint nach Angaben der Chinesen (soweit das vertrauenswürdige Quellen sind) eine der größeren in Kanada zu sein. Groß ist sie, und teuer. Gucci, Hugo Boss, Lacoste usw. sind hier zu finden. Dennoch gibt es auch etwas für meine Kragenweite und schließlich ist es einfach nur interessant durch die Läden zu laufen und zu stöbern. (Siehe Bilder)
Der andere Deutsche, Patrick, studiert übrigens an der DHBW Lörrach Wirtschaftsingeneurwesen und arbeitet ebenfalls an der Uni. Wir wurden uns schon während der Woche vorgestellt und haben zufällig festgestellt, dass er nur ein paar Straßen weiter wohnt.
Da wird sich sicher noch die ein oder andere Gelegenheit für ein Treffen ergeben.
Die Yorkdale Mall in Toronto. Ein wenig steril vielleicht, aber alles vorhanden, was das Herz begehrt
Aufbruch: | 26.06.2013 |
Dauer: | 11 Wochen |
Heimkehr: | 10.09.2013 |
Vereinigte Staaten