Fahrradtour von Venedig nach Bremen
....auf zum Reschen
...auf zum Reschenpass
16.05.2012
Ich fuhr bzw. schob mein Fahrrad durch Mals. Es ging im Dorf schon recht steil zur Sache.
Heute sollte die Alpenüberquerung mit dem Fahrrad losgehen.
Bei der Planung meiner Tour las ich im Internet immer wieder von den Pässen: Reschenpass und Fernpass. Der Reschenpass sollte 1.500 m ü.N.N. und der Fernpass 1.200 m ü.N.N. hoch sein. Ab Mai sollten Sie eigentlich schneefrei sein. Eigentlich. Eigentlich hatte ich auch mit einem Radweg zwischen Venedig und dem Festland gerechnet.
Von Mals führte eine kleine Straße nach Burgeis. Die Straße war traumhaft. Ich hatte hier das Gefühl ich bin in den Alpen angekommen. Um mich rum überall riesige schneebedeckte Berge. Auf der Straße lief überall Schmelzwasser ab und suchte sich sein Weg ins Tal. Die Straße führte nach oben. Das sollte übrigens heute den ganzen Tag so bleiben. Ich versuchte zu fahren. Ich hatte aber keine Kraft die Steigung tretenderweise zu überwinden. Ich schob. Über meinen MP3 Player hörte ich Clueso. Die Musik passte irgendwie.
Burgeis ist ein total idylisches Dörfchen. Ich schob über einen Platz mit Brunnen. Ein alter Mann mit Milchflasche grinste mir zu und sagte "runter geht es einfacher".
Nach Burgeis ging es richtig zur Sache. Es ging am Fluss Namens Etsch F Adige immer weiter nach oben. An Fahrradfahren war nicht zu denken. Ich schob und schob. Ich sah ein Schild mit Wanderstundenangaben nach St. Valentin. Ich schaute auf meine Uhr und fragte mich wie viel km ich heute wohl schaffen sollte. Bzw. ich fragte mich ob ich heute noch zum Fahrradfahren kommen sollte.
Irgendwann kam der Haidersee/Lago della Muta. Fernradfahren ist manchmal einsam. War mal wieder weit über eine Stunde unterwegs ohne ein Auto oder einen Menschen gesehen zu haben.
Ich kam immer höher und es wurde merklich kühler. Den See umfuhr ich am westlichen Ufer und dann kam ich nach St. Valentin.
In St. Valentin wollte ich frühstücken und hielt an einer Pension mit Namen Hotel St. Valentin an. Ich fragte ob ich hier auch frühstücken könnte. Die nette Chefin Ü 60 sagte na klar. Ich sollte mein Fahrrad doch am besten einmal ums Haus in die Garage fahren und es neben das Motorrad stellen.
Ich tat dies und ging ins Haus. Im Essensraum saß der Motorradfahrer beim Frühstück. Die Chefin der Motorradfahrer und ich kamen in Gespräch. Der Motorradfahrer erinnerte mich an Hape Kerkeling. Er war mit dem Motorrad aus Berlin gekommen. Er war erstaunt dass ich mit dem Fahrrad über den Reschenpass fahren wollte. Da kannst Du nicht rüber da liegt Schnee. Das sagen die ständig im Radio. Die Chefin hielt dagegen. Alles Quatsch die Straßen sind frei. Du bist hier schon auf fast 1.500 m ü.N.N und bis zum Reschen ist es auch nicht mehr höher. Die Straßen sind frei basta!!!. Das Frühstück war total nett. Ich fuhr weiter Richtung Reschen.
Es wurde so richtig kalt. Ich zog mir meine wärmsten Sachen aus den Taschen: doppelte T Shirts, Kapuzenpulli, Jacke, Jeans. Ich zog mir die Kapuze über den Kopf und setzte zum ersten Mal den Helm auf.
Der Weg führte mich am östlichen Ufer des Reschensees entlang. Ich kam am Kirchturm von Graun vorbei. (Der Kirchturm ragt aus dem Stausee heraus und ist das letzte sichtbare Überbleibsel vom, im Stausee versunkenem, Dorf). Ich machte Fotos. Ich war zwar noch nie in Norwegen. Aber so wie diese Gegend daherkam so stellte ich mir Norwegen vor.
Dann kam der Reschenpass. Der tatsächlich schneefrei war. Hier war die Grenze zwischen Italien und Österreich. Den Reschenpass fand ich total unspektakulär. Das mag daran liegen, dass die Steigungen schon viel weiter vorher kamen.
Nun war ich in Österreich. Der Radweg führte nun mit sehr leichten Gefälle Richtung Nauders zwischen Wiesen und unter Skilifte. In Nauders sagte man mir, dass die Straße über die Norbertshöhe heute stark befahren sein wird. Der Grund war ein Vollsperrung der Bundesstraße in Richtung Pfunds. Aufgrund dessen mussten alle Autos über die Norbertshöhe rüber. Ich hörte den Begriff Norbertshöhe zum ersten Mal.
Schnell fand ich eine Beschreibung in meinem Radbuch
Norbertshöhe:
Ein Anstieg in 11 Kehren. Höhe 1.405 m ü. N.N.
In Nauders fuhr ich unter der Bundesstraße durch in Richtung Norbertshöhe.
Schon vor dem Anstieg fing es zu schneien an und viele Autos preschten an mir vorbei. Da die Sicht durch den Schnee schlecht war nahm ich meine Stirnlampe und setzte sie mit der Leuchte nach hinten auf meinem Kopf. Das gute war, dass die Straße bis nach oben recht gerade verlief und der Schnee auf der Straße nicht liegenlieb. Das blieb auch so bis nach Oben. Mir kamen 2 Radfahrer mit einem Affenzahn entgegen und ich freute mich schon auf das Erreichen des Gipfels.
Dann kam ich oben an und machte ein paar Fotos. Vor allem ein Foto vom Schild Norbertshöhe 1.405 m ü. N. N.
1.405 m ü. N. N.
Dann ging es bei leichtem Schneefall bergab. Führte der Weg von Nauders auf die Norbertshöhe auf einer Straße immer geradeaus berghoch war hier ein ganz anderes Bild über 11 Kehren (Serpentinen) ging es bergab. Das machte total Spass. Vor allem deswegen, weil ich genauso bzw. schneller als die Autos war die aufgrund der Kurven langsam fahren mussten. Irgendwann war die Abfahrt vorbei und ich kam in die Schweiz!!!
Auch ein kleines Highlight dieser Tour. Aufgrund dessen, dass ich mich im Dreiländereck zwischen Italien, Österreich und der Schweiz befand sollte ich innerhalb eines Tages mit dem Fahrrad durch Italien- Österreich-Schweiz und wieder Österreich kommen.
Nun ging es durch die Schweiz auf einer Bundesstraße durch ein enges Tal. Das Tal war so eng das gerade ein Fluss, der Inn, und die Bundesstraße B184 reinpasste. Verfahren unmöglich!!.
Die Bundesstraße war wie bereits im Tourenbuch beschrieben wenig befahren. Dafür kam ich an 2 Tunnel, durch die ich durchmusste.
Die Tunnel waren dunkel kurvig und eng. Trotz meiner Stirnlampenvariante, die wieder zum Einsatz kam waren das gefährliche Minuten. Unverständlich warum diese Tunnel keine Berücksichtigung im Radtourenbuch fanden.
Nach nur etwa 6 km durch die Schweiz kam ich schon wieder unbemerkt nach Österreich.
Nun ging es immer bergig am Inn entlang.
Der Weg führte durch kleine Orte wie Pfunds, Tösens und Ried. Wie Wegbeschaffenheit war recht gut und so fuhr ich schnelle Kilometer durch das schöne Österreich. Der Weg führte immer in der Nähe des reißenden Inns entlang. Immer mal wieder überquerte ich ihn. Mal fuhr ich an einem Radstreifen auf einer Straße, meistens aber auf einem Weg oder auf einer kleinen Nebenstraße. In Pfunds kam kurzzeitig Regen auf. Also Regenklamotten an und weiter. Nach kurzer Zeit konnte ich die Regenklamotten wieder einpacken. Zu dem Zeitpunkt wußte ich jedoch noch nicht dass es regentechnisch noch ganz Dicke kommen sollte.
Da das Wetter ziemlich unbeständig war freute ich mich aufs ankommen. Im Radtourenbuch war ein Zeltplatz in Landeck eingezeichnet. Das passte. Also strampelte ich zielstrebig drauf los.
Irgendwann kam ich auf dem Radweg an eine große Baustelle. Hier war großflächig der Radweg verschwunden und Gräben versperrten mir den Weg. Als ich da stand pfiffen die Bauarbeiter mir zu. Sie sagten ich könne über die Gräben rüber und Sie würden mir mit dem Fahrrad helfen. So trugen wir zu Zweit mein Fahrrad durch die Gräben. Super Sache. Vielen Dank.
Landeck kam und ich war nach über 80 km froh anzukommen (mir steckten die Steigungen doch schon ein wenig in den Knochen). Ich fuhr durch die Stadt, holte mir Geld am EC Automaten und fragte mich zum Campingplatz durch. Auf der Suche fand ich eine Infotafel von Landeck. Alle wichtigen Straßen waren drauf. Sogar die Straße vom Campingplatz. Aber irgendwie passte das mit der Karte nicht. Ich schaute immer wieder drauf um mich zu orientieren. Ich fragte einen Passanten der Vorbeikam und wir kamen beide drauf, dass der Standpunkt der Tafel völlig falsch eingezeichnet wurde. Wahrscheinlich stand diese Tafel mal ganz wo anders. Na toll. So der Campingplatz war gar nicht weit entfernt. 1 Kilometer nur noch.
So, dann kam die Straße und der Campingplatz. Das Tor war verschlossen und folgendes Schild war dran aufgehangen:
Camping wegen Renovierung im Mai geschlossen (closed). Wir freuen uns auf Ihren Besuch im Juni- offen (open). Camping Riffler.
Ein Schlag ins Gesicht!
Ich nahm mir mein Radtourenbuch und suchte den nächsten Campingplatz auf meinem Weg. Da fand ich einen in Imst. Erst in Imst. Beim zusammenzählen der Kilometer kam ich auf 23.
Kurze Überlegung. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt auf der Tour zu campen. Also weiterfahren. Die Straße führte immer parallel zu einer Eisenbahnstrecke (später auch zu der Autobahn A12) und ich fuhr ein schnelles Tempo. Dieses Tempo steigerte ich immer mehr da zwischenzeitig ein Dauerregen einsetzte. Es kam richtig was runter. Trotz kompletter Regenmontur (incl. Überstülper über die Schuhe) wurde es richtig ungemütlich. Hinzukam, dass die Temperaturen in den Keller gingen.
Tempo, Tempo. Ich knallte nur so über den Asphalt und hoffte darauf, dass der Campingplatz schnell kommen und Dieser ein guter sein möge.
Imst kam, der Campingplatz ließ sich aber Zeit. Ich folgte einem Campingplatzhinweisschild (kein Werbeschild sondern das standardisiertes Schild für einen Campingplatz was wir aus Deutschland auch kennen). Unten stand vor dem Wort Campingplatz ein Zusatz. Das Wort "int."
Was wollte man mit damit sagen? Dass es ein Internationaler Campingplatz ist? Das mich ein Foyer mit einem weltoffenen Flair erwartet. Rucksacktouristen aus allen Teilen der Welt sitzen an einer freakigen Theke, an der Wand hinterm Tresen hängen Sachen die von den Weltenbummlern als Erinnerung hiergelassen wurden. Die Tür geht auf ich trete ein und ein australischer bagpacker sagt "Thomas nice to see you take a beer!".
Die Fantasie ging mit mir durch und ich fuhr durch das regennasse und dadurch trist wirkende Imst. Kurz vor dem Ziel zeigten mit zwei Mädchen mit Regenschirmen noch den Weg zum Platz und wünschten mit noch "viel Spass".
Der Platz war lag mitten im Wohngebiet. Es regnete stark und am Holzhäuschen war eine Klingel. Auf dem ersten Blick war mir klar, dass mich ein spartanischer Aufenthalt erwarten würde. Das störte mich im Allgemeinen gar nicht da Campen nun mal Campen sein sollte und wenn ich in einen Center Park möchte fahre ich nach Bispingen. Outdoor ist outdoor. Ravioli aus der Dose auf dem Campingkocher. Ameisen im Schuh. Morgens mit freiem Oberkörper draußen am Waschbecken stehen. Ja das ist es! >>>>>> bei schönen Wetter!!!!.
Wie sieht´s denn eigentlich aus bei kalten Dauerschneeregen? Temperaturen leicht über den Gefrierpunkt?.
Ich drückte auf die Klingel. Ein Mann sprach aus einer Fernsprechanlage "Komme gleich". Dann kam der Ü 60 iger gemächlich auf mich zu und schloss das "Gartenhaus" auf. Das Häuschen erinnerte mich an ein Kassierhäusschen auf einem Forellenhof.
Er setzt sich und teilte mir mehrere Sachen mit. Jeder Satz endete mit den Worten "ich wollte es ja nur gesagt haben". Zum Beispiel der ernüchternde Satz das das Waschhaus nicht beheizt sei.
Ich fragte ihn, wie den der Wetterbericht aussehe. Er sagte, dass es morgen noch kalt sein sollte und dass das Wetter nicht so ganz normal sei. Am Wochenende sollte es wieder schöner werden.
Da er kein Wechselgeld in der Kasse hatte gab er mir statt Wechselgeld zwei Bierflaschen. Ach ja Essen kannst Du hinten in der Dorfhalle da ist ein Restaurant drin. Am Ausgang der Campingplatzes immer rechts halten. Ich wollt´s ja nur gesagt haben.
Der Platz war klein. Es standen 5 Wohnwagen drauf. 1 Wohnwagen aus Holland (war ja auch ein internationaler Campingplatz ). Als Aufenthaltsraum diente eine kleine Holzhütte mit dem Schild drüber "zur Laube". In der Laube war ein in die Jahre gekommener Kaffeautomat. Ich brachte meine Sachen hier rein weil es immer noch regnete. Dann baute ich zum ersten Mal ein Zelt im strömenden Regen auf.
Als es stand legte ich meine Sachen rein und ging erst in meinen Schlafsack. Mir war kalt.
Was sagte der Platzwart. Das Waschhaus ist nicht beheizt. Von kaltem Wasser hat er nichts gesagt. Ich schnappte mir meine Waschsachen. Mittlerweile waren trotz Regenüberzug auch meine Schuhe nass.
Dann kam ich ins Waschhaus. Das Waschhaus war eher ein zusammengeschusteter, in die Jahre gekommener, undichter Verschlag. Man konnte Ihn gar nicht beheizen! Egal, ich betätigte den Duschknopf um zu checken ob das Wasser warm war. Es war warm, es dampfte im ganzen Verschlag.
Ich wagte es und zog mich aus. Es war um die 0 Grad. Draußen waren wir mittlerweile bei Schneeregen angekommen. Die Wasserboiler machten heftige laute Geräusche so dass man damit rechnen musste, dass jede warme Dusche die letzte sein könnte.
Es war schweinekalt als ich aus der Dusche raus musste und in meine klammen Klamotten stieg. Draußen kämpfte der Holländer mit einem Gummiabzieher gegen die Regenmassen, die vom Welldach des Verschlags auf die Treppe zum Verschlag gossen, einen ungerechten Kampf. Sinn und Zweck ließen sich nicht ergründen. Passte aber zur gesamtem Szene dieses melancholischen Dramas. Eine alte Frau lief mir bei den Treppen über den Weg sie schien zur Besitzerfamilie zu gehören. Sie fragte mich ob ich der Mann sei der mit dem Zelt gekommen ist. Sie schüttelte den Kopf und sagte nein, bei diesem Wetter. O wahnsinn!!!.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war mir klar dass es eine ungemütliche Nacht werden würde. Aber ich wusste auch, dass wenn ich mir was vorgenommen habe weiche ich normalerweise nicht ab. Und ich hatte mir vorgenommen zu zelten.
So ich hatte noch Hunger und vor allem wollte ich ins Warme. Ich folgte der Wegbeschreibung des Platzwarts. An der Halle angekommen!. Ein Schild an der Tür des Restaurant: Aufgrund einer Veranstaltung heute geschlossen!
Es schien der Tag der Schilder zu werden. Geschlossener Campingplatz, geschlossenes Restaurant.
Ich fragte eine Frau auf der Straße ob es hier noch was geben würde. Sie sagte oh nein nur direkt in Imst in der Stadt. Die Lage schien hoffnungslos. Ich ging zum Campingplatz zurück zog mir über meine normalen Klamotten einen Trainingsanzug mit Kaputzenpulli und vergrub mich in meinen Mumienschlafsack. Ich verschnürte meinen Schlafsack am Kopfteil so, dass wirklich nur noch Augen, Nase und Mund rausschauten. Ich kam mir vor wie ein Engerling.
Die Nacht war kalt und mein kondensierender Atem machte meine Schlafsackkaputze nass. Ich wachte oft auf und hoffte, dass diese Nacht schnell vorbei sein möge.
Tagesetappe: 100 Kilometer
Gesamt: 520 km
Campingplatz in Österreich
Aufbruch: | 11.05.2012 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 27.05.2012 |
Österreich
Deutschland