Fahrradtour von Venedig nach Bremen

Reisezeit: Mai 2012  |  von Thomas Eggers

...auf zum Fernpass

....auf zum Fernpass

17.05.2012
Um 5:38 beschloss ich, dass die Nacht zu Ende sein musste. Ich wollte nur weiter. Richtig regnen tat es nicht mehr als ich aus dem Zelt kam. Aber es war kalt und Tropfen kamen aus dem Nebel. Schnell erledigte ich alle Sachen und verschnürte die Sachen auf den Rad.
Mein Zelt war klitschnass.
Meine Jacke war klitschnass.
Meine Schuhe waren feucht.
Meine Radhandschuhe waren nass.
Aber ich fuhr weiter und hakte schnell die schlechten Gefühle wie eine Strichliste ab.
Ich fuhr durch die Wohnstraßen von Imst. Auf meinen Fahrradtachometer konnte ich auch die Temperatur ablesen. Es war +1,2 Grad.

....früh morgens mir dem Rad durch Österreich

....früh morgens mir dem Rad durch Österreich

Nach Imst kam ich zunächst über Wiesenwege in ein großes Waldgebiet. Am Waldeingang fuhr ich an der Knappenwelt Gurgietal vorbei. Was auch immer das sein mochte??
Der Weg durch den Wald war eigentlich sehr schön. Überall Nebel und leichte Schneereste. Totale Einsamkeit. Ein Reh steht irgendwann auf meinem Weg, schaut mich kurz an und verschwand.

.....dichtes Waldgebiet!!

.....dichtes Waldgebiet!!

...hatte was "verwunschenes"

...hatte was "verwunschenes"

Dieser Wald scheint eine beliebte Marathonstrecke zu haben, da diese Beschilderung überall present ist (im Gegensatz zu meiner Radwegsbeschilderung). Prompt verfahre ich mich und stehe an einem kleinen Bach. Ich finde schnell wieder den Weg und bin nach 8 km raus aus dem Wald.

-----die via claudia augusta war ausgeschildert!!!!!!!!

-----die via claudia augusta war ausgeschildert!!!!!!!!

Am Ausgang des Waldes treffe ich auf folgendes Schild:
Busshuttle für Fahrradfahrer über den Fernpass. Anmeldung bitte 1 Tag vorher.
Wenn ich so die Berge hochschaute sah ich Schnee. Leichter Zweifel. Wie wird das sein über einen verschneiten Pass mit dem Fahrrad zu fahren. Soll ich das machen??
Mein Radtourenbuch sagte dazu folgendes:
Ab Biberwier gibt es den sogenannten Bikeshuttle Fernpass. Dieser wird vom Reisebüro Zoller durchgeführt. Dieser Transfer wurde eingerichtet, weil die Überquerung des Fernpasses sehr schwierig und anstrengend ist. Sie sollten für diese Passage mehrere Stunden einplanen, Übernachtungsstop ist nicht möglich. Daher nur am Vormittag starten. Beachten Sie auch, dass Sie sich im Hochgebirge befinden und somit schnelle Wetterumschwünge keine Seltenheit sind.
Im Buch stand auch ein Erfahrungsbericht eines Mountenbikers:
Zwischen den Fernpass und Nassereith war die Route abseits der Hauptstraße nur für Mountainbiker ohne schwerem Gepäck geeignet. Das Wegstück ist fahrtechnisch sehr anspruchsvoll und bei Nässe sogar gefährlich. Daher empfiehlt es sich hier im Zweifelsfall auf die leider stark befahrene Hauptstraße auszuweichen.
Ich fuhr mal einfach drauf los. In Nassereith traf ich auf eine ältere Frau die ich einfach mal so nach Ihrer Meinung fragte. Das passte ja auch bei der Chefin vom Hotel St Valentin bei der Reschenpassüberquerung.
Sie konnte mir total gut weiterhelfen. Sie sagte die Wanderstrecke/ Mountainbikestrecke wird
verschneit sein. Da wird's wohl nicht gehen. Auch mit Ihrem Gepäck nicht.
Sie meine aber dass die Passstraße frei sein wird und heute ist aufgrund des Feiertags nicht viel Verkehr. Beiläufig fiel mir auf das ja heute Vatertag war.

Machen Sie es!!!
Das wollte ich hören. Vielen Dank.
Ich machte mich auf den Weg zum Pass, wollte aber vorher noch was essen. In St Wendelin geht´s nach oben. Hier fragte ich in einer Pension ob man hier frühstücken könnte. Leider ging es nicht und die Frau schickte mich zur Raststätte am Fuße des Passes. Da angekommen fing auch die Passtraße an. Auf der Raststätte war die Hölle los. War irgendwie lustig. Ich passte hier irgendwie so gar nicht ins Bild. Ich war der einzige Fahrradfahrer weit und breit.
Ich stellte mein Fahrrad ab und holte mir Brezel, Snickers und Kaffee.
Ich schob mein Fahrrad etwas abseits vom Parkplatz und stand direkt an der Auffahrt zur Mountainbikestrecke und as erst einmal.
Eine Gruppe Frauen kam zu mir und wollte wissen ob es schwer war und was ich für eine Flagge am Fahrrad hatte. Ich sagte Ihnen, dass ich es noch vor mir hatte.
Wir quatschten lange. Sie waren gerade über den Pass aus Deutschland gekommen. Sie konnten mir bestätigen, dass der Pass schneefrei war. Aber mit Fahrrad darüber?
So nun muss ich von 800 m ü.N.N. auf 1.200 m ü.N.N. Und das alles in 6 km.
Ich fahre dann also mal los. Zunächst geht es auf einer breiten Straße gerade aus nach oben. Alle sowieso kein Problem, da man immer noch von der Straße immer auf die Wiese gehen und hier im sicheren Terrain verschnaufen kann.
Ich fahre an einem Campingplatz vorbei und muss gelegentlich schieben. Dann komme ich zur Raststätte Schloss Fernstein. Hier mache ich kurz Pause und hole mir eine Flasche Red Bull.

....auf gehts lieber mit nem Helm !!!!

....auf gehts lieber mit nem Helm !!!!

Weiter geht's. Nun geht die Passstraße eigentlich so richtig los. Es wird steil und es wird eng weil die Ausweichmöglichkeiten auf dem Grünstreifen nicht mehr vorhanden sind somit bleibt zwischen den überholenden Autos und mir nicht mehr viel Platz. Das ist das eigentlich nervige an dieser Überquerung. Ich hatte aber Glück da auf meiner Fahrbahn wenig Verkehr war. Die meisten kamen aus Deutschland nach Österreich rein. Und somit war nur die Gegenfahrbahn voll.
An einer 180° Kurve war ein Raststreifen der wie gerufen kam. Pause. Red Bull. Kamera raus.

...Pause in einer Kehre!!

...Pause in einer Kehre!!

Dann ging´s weiter. Die Landschaft war verschneit aber die Straße war frei. Nun hatte ich nach der Kurve den Fels neben mir. Ausweichen unmöglich. Ich konnte auch nur noch schieben. Ich fuhr nur noch wenn uneinsichtige Kurven kamen und ich schnell da durch wollte. Ein- bis zweimal hätte ich fast eine Kollision mit einem Harakiri Motoradfahrer gehabt.
Nach einer Kurve kam wieder ein kleiner Standstreifen auf dem sich ein holländisches Wohnmobil hingestellt hatte. Die Besitzer hatten Tisch und Stühle rausgestellt und tranken Kaffee im Schnee.
Ich schob zu den Paar Ü60 und fragte ob Sie wissen wann die Passhöhe erreicht ist.
Sie sagten gleich nach der Kurve. Ich bedankte mich und schob weiter. Dann kam der Holländer mit hinterhergelaufen und fragt mich ob ich nicht mit ihnen Kaffee trinken möchte. Na klar.
Und so saß ich mit den beiden kurz vor der Fernpasshöhe im Schnee und trank Kaffee und aß Erdbeerkuchen und Mozartkugeln.

----Hölländische Kaffeepause

----Hölländische Kaffeepause

...kurz vorm Gipfel !!!!!

...kurz vorm Gipfel !!!!!

.....die coolen Holländer. Nochmal vielen Dank !!!

.....die coolen Holländer. Nochmal vielen Dank !!!

Weiter ging es. Dann nach der letzten Kurve sah ich das Plateau der Passhöhe mit Tankstelle und allem pipapo.
Cool ich war oben. Ich hatte den 2. Pass geschafft.

...ich bin oben !!!!!!!!!!

...ich bin oben !!!!!!!!!!

Ich blieb kurz und fuhr wieder. Nun ging es abwärts. Aber nach kurzer Zeit kam das Restaurant Zugspitzblick. Ich sah Biertische und im Hintergrund sah ich die Zugspitze in Postkartenqualität. Also nichts wie in die Eisen und links rüber.
Fahrrad abgestellt und Weizenbier bestellt. Alkoholfrei natürlich. Geiler Moment: Mit dem Fahrrad die Alpen überquert; ich sitze an einem Biertisch und genau vor mir steht da die Zugspitze voll von der Sonne ins Licht gestellt.

...im Hintergrund die Zugspitze!!!

...im Hintergrund die Zugspitze!!!

.........ich bin oben !

.........ich bin oben !

Ein altes Paar kommt auf mich zu und fragt mich ob ich wirklich mit dem Fahrrad hier hoch bin. Der Mann sagt zu seiner Frau. Sieh, so sieht das sportliche Deutschland aus. Wenn man sich bewegt kriegt man keinen Bauch. Danke Sir.
Als ich mich wieder auf das Rad schwinge halten zwei Leute den Daumen nach oben und wünschen mir eine gute Fahrt.
Scheiße, diese Szene ist nah am Kitsch aber trotzdem einfach geil!!!!
Nun kam die Abfahrt!!! Immer weiter runter in einem Affenzahn.

.....den Fernpass runter

.....den Fernpass runter

Dann kam eine Abfahrt nach Biberwier und ein Schild das ein weiterfahren für Fahrräder verboten sei. Also nichts wie abgebogen.
Ich fuhr durch Bieberwier. In Bierwier verfahre ich mich leicht und komme über Ehrwald.
Zwischenzeitig kriege ich richtig Durst. In Bichlbach verkauft mir eine Frau an einem eigentlich geschlossenen Getränkemarkt (welcher wie ein Bauernhof aussieht) zwei Flaschen Orangensprudel. Laut meinem Radtourenbuch soll es übrigens bis nach Donauwörth jetzt nur noch bergab gehen.
Dann kommt auch noch ein Dönerladen und ich bin mit der Welt im Einklang.
Der Weg gleicht einer Fahrt in der man das Gefühl hat man fährt durch die Milka Werbung. Saftige Weiden mit gelben Löwenzahnblumen überall schneebedeckte Berge.

.........Alpen!

.........Alpen!

.....manchmal musste ich schieben....

.....manchmal musste ich schieben....

Die Wegbeschaffenheit wurde teilweise aber richtig schlecht. Manchmal richtige Geröllwege die echt nur Mountainbiketauglich waren.

...geröll

...geröll

War da sonst noch was? Ach ja Lachanfall irgendwo an einer Dorftankstelle, drum herum weit und breit nichts. Ich fuhr an einer Hauptstraße und wollte auf einen Radweg fahren. Halte an der verlassenen Tanke an, an der ein Atze Schröder verschnitt auf einem Stuhl draußen in der Sonne dößt. Ne Radweg gibt's hier nicht!! Unerträglich geile Situationskomik.
Ich fahre durch Reutte und habe irgendwann die Deutsch Österreichische Grenze erreicht.
Als erstes kommt die Stadt Füssen. Ich bin am Überlegen ob ich das Schloss Neuschwanstein besuchen sollte. Eigentlich müsste man dieses aber ich will beim Campingplatz ankommen. Der nächste ist in Rieden am Forggensee.
An der Zufahrtstraße nach Füssen kam ein Würstchenwagen. Angehalten, Würstchenpause!!
In Füssen schob ich durch die Innenstadt Richtung Rieden.

....Füssen in Deutschland...

....Füssen in Deutschland...

Noch ein paar Kilometer am See gefahren und ich war um 17:30 Uhr am Campingplatz Magdalena angekommen.

...campen am Foggernsee!

...campen am Foggernsee!

Der Campingplatz schien vom ersten Eindruck top zu sein und das bewahrheitete sich auch.
Er lag direkt an einem schönen See, hatte ein richtig gutes Restaurant und einen super Sanitärbereich.
Neben mir zeltete eine Motorradgruppe aus Bayern mit Kennzeichen BB. Leider waren die Jungs wenig kommunikativ und die erhoffte Einladung zum Grillen blieb aus.
Da der Trockner am Campingplatz leider defekt war und die Abendsonne zum trocken nicht mehr reichte mußte der geplante Waschgang auf den nächsten Tag verschoben werden. Als ich mein Handy bei einem Camper aufladen wollte merkte ich beim abholen das es nicht auflud.
Ich ging in den Waschraum versuchte es hier nochmal an einer Steckdose. Aber es funktionierte nicht.
Mit meinen letzten Saft vom Handy schrieb ich eine letzte Nachricht nach Hause und meldete mich kurzfristig ab. Das Handy sollte mir noch einige Schwierigkeiten machen.
Das Wetter hatte sich übrigens geändert. Es wurde zunehmend wärmer. Von der Kälte in den Bergen sind mir jedoch die Lippen aufgeplatzt. Das hatte ich noch nie.
Ich ging in den Gasthof und bestellte das Vatertagsessen: Schweinsbraten mit Kraut und Bier. Ja ich bin in Bayern angekommen. Es wurden 2 Bier und ein halber Liter Rotwein. Ich dachte mir das Alpenüberquerungen spontan gefeiert werden müssen.
Ich dachte an den Tiefpunktag von gestern und an die Glücksmomente von heute. Ich dachte an den Klappsparten in Venedig und an die Holländerin ohne Buch. Ach ja und ich dachte daran, dass ich morgen einen Arbeitskollegen aus Rostock in Landsberg am Lech treffen sollte. Der macht da Urlaub und wollte mich abholen zum Kloster Andechser. Telefonisch hatten wir tagsüber abgemacht, dass wir uns gegen 17 Uhr am Campingplatz treffen wollten. Ich hatte abends noch die Kilometer bis nach Landsberg zusammengerechnet und kam auf entspannte 75 km (ohne Steigungen).
Als ich aus dem Gasthof kam versuchte ich zum 4. Mal meinen Campingplatz beim völlig überforderten Chef zu bezahlen. Endlich klappte es. Ich bezahlte nur 1 Euro mehr als bei meinem letzten. Was für ein Hohn.
Tagesetappe: 86 km
Gesamt: 606 km
Campingplatz Magdalena
Bachtalstraße 10
87669 Rieden- Osterreinen

© Thomas Eggers, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Fahrrad von Venedig nach Bremen. (Italien, Österreich, Schweiz, Österreich, Bayern, Hessen, Thüringen, Nordrhein Westfalen, Niedersachsen, Bremen) Über die via claudia augusta, die Romantische Straße, den Main Tauber Fränkischer Radachter, Main Radweg,Saaletal Radweg, Rhön Radweg, Werra Radweg, Weserradweg und unzähligen Querfeldeinwegen nach Hause.
Details:
Aufbruch: 11.05.2012
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 27.05.2012
Reiseziele: Italien
Österreich
Deutschland
Der Autor
 
Thomas Eggers berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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