Fahrradtour von Bremen bis an die Mittelmeerküste Südfrankreichs

Reisezeit: Mai / Juni 2011  |  von Thomas Eggers

Von Guxhagen nach Fulda

30.05.2011
Guxhagen bis Fulda 128 km (6:10 Uhr bis 18:00 Uhr)

Die Nacht habe ich nicht gefroren außerdem war es trocken. Um 6:10 Uhr befinde ich mich schon wieder auf dem Radweg. Es ist gutes Wetter und der Tag sollte noch richtig warm werden. Bin wie immer um diese Uhrzeit auf völlig einsamen Strecken unterwegs. Ich durchquere kleine Dörfer wie Grebenau oder Lobenhausen die alle noch im Tiefschlaf zu liegen scheinen. In der Stadt Melsungen dann wieder viele Menschen auf der Straße.

schöne Morgenstimmung

schöne Morgenstimmung

Als ich nach Beiseförth komme weist die Radwegsbeschilderung darauf hin, dass der Fuldaradweg sich nun gabelt. Es steht zur Entscheidung den Weg nach Fulda über mehrere Steigungen zu fahren oder kurz nach Beiseförth die Radseilbahn über die Fulda zu nutzen. Ich konnte mir unter einer Radseilbahn nichts vorstellen, den Begriff Steigung konnte ich sehr wohl einordnen. So entschied ich mich den Weg zur Seilbahn zu folgen. Nach nur wenigen Kilometern stand ich dann mutterseelenallein an der Fulda über die ein Seil gespannt war an der am gegenüberliegenden Ufer ein Metallkorb hing.

vor der Seilbahn

vor der Seilbahn

Völlig begeistert lese ich mir die Betriebsanweisung durch, kurbel den Korb an meine Uferseite, schiebe mein Fahrrad in den Korb, steige selbst eine und kurbel mich eigenständig an das gegenüberliegende Ufer. Der Umstand ganz alleine an diesem Ort zu sein macht diese Flussüberquerung für mich zu einem intensiven Erlebnis. Ich danke dem Ingenieurbüro welches diese Seilbahn geplant hat.

Fahrragkorb rüberkurbeln

Fahrragkorb rüberkurbeln

In Rotenburg an der Fulda frühstücke ich draußen und fahre weiter durch Bad Hersfeld Richtung Fulda. Anschließend verfahre ich mich aufgrund einer Straßensperrung zwischen Nierderaula und Wegfurth. Ich weiß, eigentlich ist dieses bei diesem wirklich perfekt beschilderten Fuldaradweg nicht möglich zudem hatte ich ja die Karte aus dem Fuldaradweg Tourenbuch. Trotzdem war ich dann irgendwie in einem falschen Ort der auf meiner Karte gar nicht mehr drauf war. Vielleicht habe ich auch einfach nur geträumt und die Hitze dieses Tages hat mein Gehirn weich gekocht.

Was also machen? Klar einfach die ortsansässige Dorfbevölkerung löchern:

1. Althippie mit Rastazöpfen, Hund mit Fusselfell an der Leine, Sperrmüll aufm Gepäckträger: "Ja die haben die Beschilderung geändert und verarschen die Leute" (dies sagt er gaaaaanz langsam in einem für mich österreichisch klingenden Dialekt) er zeigt mir mit der Hand die Richtung.

2. Wirtin und Gäste einer direkt an einer Hauptstraße befindlichen Pommesbude. Hier bekam ich eine Super Wegbeschreibung die mich durch ein Gewerbegebiet führen sollte. Irgendwann dann ein Wegweiser des Hessischen Radweges. Feierstimmung in einer Bruthitze. Ich fahre ungefähr 2 Kilometer als mir der Gedanke kommt das ich mich zwar definitiv auf dem richtigem Radweg befinde es sich aber durchaus im Rahmen des Möglichen bewegt, dass ich in die falsche Richtung fahre.

3. junger Fussgänger auf einsamer Straße: "Hm das könnte die falsche Richtung sein. Bin mir zwar nicht sicher aber ich glaube nach Fulda geht´s in die andere Richtung"

4. 2 Männer und 2 Frauen auf Rädern (Ü 55) perfekt ausgestattet. Männer mit GPS am Lenker. Im nach hinein vermute ich folgendes: diese Radgesellschaft hat sich vermutlich zwischen Fulda und Menghausen über Stunden darüber unterhalten wie toll doch der Fuldaradweg ausgeschildert ist. Es liegt im Rahmen des Wahrscheinlichen, dass vielleicht einer der Männer maßgeblich am Projekt "Perfektionierung der Ausschilderung Fuldaradweg" beteiligt bzw. Projektverantwortlichkeit hatte und diese auch nach Erreichen des Rentenalters nicht abgeben wird.

Die vier halten an und der junge Fussgänger steht noch neben mir. Ich:"Wissen Sie welche Richtung es nach Fulda geht ich habe mich irgendwie verfahren". Ich wußte nicht, dass ich mit dieser Frage die Weltordnung des Frontmannes der 4 er Gruppe in perfekt ausgerichteter Reihe einstürzen ließ. Er: "Ja wo wollen Sie denn hin?" Ich denke bei mir: "Na das habe ich doch gerade gesagt du Dussel". Ich sage: "Nach Fulda!". Er: "Das ist alles perfekt ausgeschildert!". Die Reihe hinter ihm nickt oder wiederholt seinen Satz "Es ist alles perfekt ausgeschildert". Einen Moment denke ich Sie wollen das Geheimnis der Richtung mit ins Grab nehmen, dann zeigt der Frontmann in die Richtung aus der er gekommen ist. Zufällig auch die Richtung aus der ich gekommen bin! Er: "Seit Fulda ist alles eindeutig ausgeschildert da kann man sich nicht verfahren". Ich: "Ja da war ich ja noch nicht. Ich komme aus der anderen Richtung und da ist eine Straße gesperrt". Er: "Das ist alles perfekt ausgeschildert!". Die Hinteren auch völlig von der Tatsache niedergeschmettert das jemand auf dem Fuldaradweg nach dem Weg fragt wiederholen immer wieder "Richtung Schlitz, Richtung Schlitz, Richtung Schlitz".
Oh Gott ich muss hier weg!!!!!.
Ich drehe mein Fahrrad und fahre in die Richtung aus der ich und aus der die 4 Spezies kamen (die übrigens ein GPS System am Lenker hatten !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!. Wie passt das denn zu einen perfekt ausgeschilderten Radweg?

ICE Strecke

ICE Strecke

Luftangriffe

Luftangriffe

Pause

Pause

Die Sonne brennt an diesem Tag höllisch und die Landschaft wurde schöner.
In einem kleinen Dorf namens Pfordt werfe ich einen Blick auf mein juckendes Knie (in Gedenken an die toten Armeisen) und spüre eine heftige Schwellung der Haut.

Am Ortsausgang Pfordt komme ich auf einmal an einen See vorbei. Auf der Wiese liegen vereinzelt Leute. Ich entschließe mich mein Rad auf die Wiese zu legen und auf unkonventionelle Art die Kleidung zu wechseln. Ich komme mir vor wie in einen schwarz-weiß Film mit Heinz Rühmann als ich im Wasser schwimme.

spontanes Bad im See

spontanes Bad im See

Als ich aus dem Wasser herauskomme habe ich murmelgroße Blasen (Ameisenverätzung) am Knie (Durch die Abkühlung der Haut entstanden). Ich hole das Radfahrer Erste Hilfe Set aus meinen Fahrradtasche (Habe ich von meinen Freuden vor meiner Tour geschenkt bekommen. Danke nochmal an dieser Stelle) und verbinde mein Knie.

Achtung!!!!! Es ist eckelig!!!!!

Achtung!!!!! Es ist eckelig!!!!!

Auf einer Bank sitzt ein dicker Mann der mich beobachtet. Irgendwann fragt er mich was für eine Fahne das am Fahrrad ist. Ich erkläre ihm kurz mein Vorhaben. Er ist hier im Urlaub und macht von mir ein Foto (Er fand´s halt Lustig; der Mann aus Bremen!). Dann kommt er her und fragt mich ob ich schöne Frauen auf meinem Weg getroffen habe. Ich: "ja". Eigentlich habe ich kaum Frauen gesehen aber was soll ich ihm das erzählen! Er "Und auch mehr gewesen?". Ich "Nein. Bin auch verheiratet". Er: " War lange mit meiner Frau verheiratet dann ging Sie zum Arzt und kurze Zeit später war sie tot. Habe nie eine andere Frau gehabt. War nie im Bordell gewesen". Ich kannte diesen Menschen 5 Minuten !!!!!!

Frisch ging es weiter. Der Weg nach Fulda war noch weit. Irgendwann überholten mich 4 Männer Ü 55 die aus Schweinfurt kamen und eine 5 Tagestour fuhren. Ich fuhr eine ganze Weile hinter ihnen her. Da sie ein ordentliches Tempo fuhren machte ich so einige Kilometer. Lustig war ihr eingespielter Fahrstiel (ordentlich in einer Reihe, bei Gegenverkehr oder ein Hindernis wurde vom Ersten der linke Arm gehoben und die ganze Reihe tat es ihm nach). Irgendwann hielten sie an und wir quatschten ne weile über Flussradwege und Strecken. Sie wollten nächsten Tag auch an den Main. Wir beschlossen, wenn wir uns am Main treffen sollten hier auf jeden Fall ein Bier trinken werden. Habe Sie am Main nicht mehr getroffen.

In Fulda gab es keinen Campingplatz (wurde mir bereits von einem Fernradfahrer auf dem Weg dahin geschildert). Nachdem ich in Fulda eine Apotheke gefunden, mich dort mit Brandsalbe gegen meine scheiß Ameisenverletzung eingedeckt hatte, an einer Pension wegen Ausbuchung abgewiesen wurde fand ich das Hotel Gasthof Harth und checkte ein.
Abends saß ich im Hotelbiergarten.

Morgens vor dem Hotel

Morgens vor dem Hotel

© Thomas Eggers, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fahrradtour von Bremen über den Weserradweg, Fuldaradweg, Mainradweg, Rheinradweg, Eurevelo 6, einsamen französischen Straßen bis an die Mittelmeerküste von Südfrankreich nach Palavas-les-Flots
Details:
Aufbruch: 27.05.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 16.06.2011
Reiseziele: Deutschland
Frankreich
Der Autor
 
Thomas Eggers berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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