Fahrradtour von Bremen bis an die Mittelmeerküste Südfrankreichs
Von Plittersdorf nach Hochstetten
4.06.2011
Plittersdorf nach Hochstetten 137 km (6 Uhr bis 16:50 Uhr)
Morgens als ich aufstand und der Campingplatz noch schlief war es zum ersten Mal richtig warm beim Zeltabbauen und ich konnte mein Zelt trocken ohne Morgentau verstauen. Es war eine schöne Stimmung und ich sah beim Verlassen des Platzes die Sonne über die weit entfernten Berge des von nun an sichtbaren Schwarzwaldes aufgehen. Schwarzwald! Verrückt!
Schnell war ich wieder am Rheinradweg angekommen. Diese frühen Zeiten zwischen 6 Uhr und 8 Uhr waren immer so einsam, dass jede Begegnung mit einem Menschen extrem selten war. Es kam mal vor das ich ein Schiff sah aber Menschen sah ich wirklich selten. Dafür kreuzten in diesem Gebiet viele Weinbergschnecken meinen Weg.
Nach ungefähr 5 Kilometern fuhr ich bei Wintersdorf über eine Rheinbrücke auf die linke Rheinseite und befand mich zum ersten Mal auf dieser Tour in Frankreich. Es gestaltete sich als schwierig vom Rheinradweg auf die Straße zu kommen. Ich fuhr unter die Brücke durch und fand einen Trampelpfad der mich auch die Straße führte.
Auf der französischen Seite ging es auf Asphaltstraße schnell voran. Über Drusenheim und Herrlisheim. Bei Gambsheim ging es dann wieder über eine Brücke auf das rechte Rheinufer und somit wieder nach Deutschland. Hier verläuft der Weg wieder direkt am Rhein entlang bis nach Kehl. In Kehl habe ich mich in einem Supermarkt nochmal mit Getränken und meinen Drogen (M und M`s) eingedeckt.
Dann wieder über eine Brücke den Rhein überquert. So nun bin ich in Straßburg. Die Beschilderung des Rheinradweges ist in Straßburg nicht auffindbar.
Doch wahrscheinlich wird sie da sein aber im Schildergewühl einer Großstadt wird sie unsichtbar. An einer Ampel treffe ich 2 Kölner Studentinnen die in Basel losgefahren sind und die zurück nach Köln wollen. Ich finde ihre Fahrradausrüstung lustig. Ohne Tacho!!. Das erinnert mich an meine Interrailtouren. Ohne Uhr!. Wir fahren ein Stück zusammen durch Straßburg bis wir merken, dass wir verschiede Ziele haben.
Ich frage mich in Straßburg durch und fahre durch Wohnbebauung immer Richtung Illkirch-Graffenstaden. Irgendwann bin ich dann wieder auf den Rheinradweg der ab hier schnurrgerade am Rhein-Rhön Kanal verläuft. Hier trifft man auf zahlreiche Radfahrer (na ja zahlreich ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Aber da man ja schon Rheinradwegerfahren ist nimmt man diesen Begriff schnell mal in den Mund ).
Auf diesen schnurrgeraden Abschnitt direkt ab Kanal ist es übrigens schwer den Standpunkt festzustellen, da man durch keine Ortschaften kommt. Über Boofzheim, Friesenheim und Diebolsheim komme ich über eine Kraftwerksbrücke über den Grand Canal d´Álsace und befinde mich auf einer Landzunge zwischen dem Kanal und dem Rhein. Ein Schild warnt mich das auch ohne Hochwasser dieses Gebiet schnell überflutet werden kann. Als ich die Brücke runterfahre verpasse ich wohl ein Hinweisschild das auf eine Deichstraße führt.
Ich fahre leider auf einem Schotterweg zwischen Deichweg und Waldgebiet. Vom Deichweg wusste ich zunächst nichts. Der Weg wurde nach einigen Kilometern mit Rad kaum noch befahrbar (Der Schotter entwickelte sich zum großen Steinweg). Der Schweiß fliest. Es ist heiß. Irgendwann sah ich Radfahrer auf dem Deichweg die scheinbar mühelos auf perfekten Untergrund zu fahren schienen. Die Trennung zwischen meinem Weg und Deichweg bestand aus einer heftigen Steigung die mit Riesensteinen (die ich vom Weserufer in Bremen kenne) befestigt war.
Die Radfahrgruppe rief zu mir runter ich soll hochkommen. Tja wie sollte das gehen? Umdrehen? Bin schon eine Strecke von zirka 6 km diesen Scheißweg gefahren. Umdrehen wäre schon frustrierend gewesen. Die Radfahrer fuhren weiter.
Irgendwann wurde der Weg katastrophal und ich entschied mich die Steigung zu überwinden. Nur wie? Zunächst schnallte ich mein Gepäck vom Fahrrad und balancierte über die Steine die Steigung hinauf. Gepäck oben!. Dann das Fahrrad. Hier hatte ich Glück gehabt, ein Fehltritt auf einem wackeligen Stein hatte keinen Absturz zur Folge, konnte mich gerade noch halten. So nun war ich oben. Die Aktion war nicht ganz ungefährlich. Umso mehr freute ich mich dass ich oben war. Fahr nun direkt am Kanal auf asphaltierter Straße und frage mich warum ich die denn verpasst habe.
Nach 10 Kilometern komme ich dann ans Ende der Landzunge und es geht über eine Brücke über den Rhein wieder nach Deutschland. Hier auf einmal das Paradies auf Erden für mich. Wie eine Fata Morgana taucht in absoluter Postkartenidylle ein Biergarten mitten in dieser Einsamkeit auf. Ich schleppe mich an die Theke (hätte am liebsten mein Wurfzelt zwischen die Bierzeltgarnituren aufgeschmissen!!). 2 Hefeweizen bitte!!!.
Hinter meinem Rücken ruft einer "Na bist angekommen". Es ist die Fahrradgruppe die zu mir runterschrie, dass ich hochkommen sollte! Ich setzte mich zu der Gruppe die aus 2 Paaren Ü 55 bestand. Ich erfahre, dass man mich als arme Sau bezeichnete die man nicht beneidete. Wie will der hier hochkommen??
Ich kann ein bisschen auf den Putz hauen in dem ich sage wer von Bremen hier hochkommt kommt doch auch diesen "kleinen Deich hoch" !!. Wir sitzen noch etwas zusammen und der Mann sagt, dass ich ein Foto von diesem Tag an diesem Platz mit mir mittendrin brauche und verlangt meinen Fotoapparat. Total nett das er daran gedacht hat!!.
Es geht weiter direkt am Rhein. Hatte ich bisher den Rheinradweg als einsam empfunden. Muss ich nun von einer klaren Steigerung in die Richtung Saueinsam sprechen. Links Waldgebiet, rechts der Rhein. Totale Natur, aber kaum Menschen.
Irgendwann kommt Breisach. Hier fahre ich quer durch die Stadt. Ich habe mal in einem Reisebericht eines Fernradfahrers gelesen, dass das besondere einer Fernradtour sein sollte das man die Landschaft riechen kann und die Orte intensiver erlebt. Dieses Gefühl hatte ich ganz klar in dieser Stadt. Für mich hatte es auch nichts Negatives einfach durch die Städte zu fahren ohne sich großartig Zeit zu nehmen Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Ich fand es einfach schöner durch die Stadt mit meinem Fahrrad durchzufahren. Und das am besten Querdurch!
In Hochstetten fahre ich durch den kleinen Ort zum ausgeschilderten Campingplatz. Hier hatte ich das erste Mal das Gefühl in Süddeutschland angekommen zu sein. Ich frage mich als ich dieses schreibe ob man dieses Gefühl auch hätte wenn man mit Zug oder Auto hier wäre. Mir kam dieser Ort so krass Süddeutsch vor wie wahrscheinlich einem Süddeutschen ein Ort, wo er mit den Füssen im Watt steht, krass norddeutsch vorkommen muss.
Ich komme am Campingplatz Münsterblick im Hinterhof des Hotels Landgasthof zum Adler an. Dieses ist und wird der kleinste Campingplatz auf meiner Tour bleiben. Umso mehr bin ich erstaunt, dass ein Minicampingwagen mit Oldenburger Kennzeichen draufsteht. Das Paar aus Ganderkesee schenkt mir einen Kugelschreiber. Oh Gott wie sich das anhört!!!. Meiner war kaputt und man findet auf der Tour wenig Schreibwarengeschäfte!
Der Campingplatzwart ist familiär und nett. Mein Zelt steht auf einem Campingplatz mitten im Ort an der Zaungrenze eines Einfamilienhauses.
Vor dem Essen lege ich mal wieder eine Klamottenwascheinheit im Waschbecken ein. Aufgrund eines nächtlichen Schauers werden die Sachen nicht trocken und werden am nächsten Morgen am Fahrrad im Fahrtwind getrocknet. Was meine Outdooraussenwirkung um den Faktor 3 erhöht.
Abends gehe ich in den Landgasthof zum Adler und frage nach meiner täglich benötigten Steckdose zum Handyaufladen. Auf der ausgebuchten Restaurantterasse frage ich nach einem Platz und man setzt mich an den Tisch zu dem "weiteren Herren der allein unterwegs ist". Dieser Herr ist noch nicht am Tisch aber ich bin gespannt. Irgendwann kommt er. Es ist ein hagerer
Schweizer Ü 60 ?. Ich kann sein Alter nicht einschätzen frage auch nicht. Er ist in der Schweiz losgewandert und wollte bis an die Mündung des Rheins in die Niederlande wandern. Ist aber von der Einsamkeit des Rheins überrascht worden und wird sein Vorhaben abbrechen. Er kommt nicht mit der monotonen Wegführung klar. Er erzählt mir, dass er schon von der Schweiz nach Santiago de Compostela (Jacobsweg) gewandert ist. Von der Schweiz wohlgemerkt!!. Er macht auf mich einen sehr gebildeten Eindruck und wirkt auf mich weise.
Er bezeichnet mich als asketischen Menschen. Ich kann mit diesem Begriff natürlich was anfangen beschließe jedoch den Begriff irgendwann in einer ruhigen Minute bei wikipedia nachzulesen da er mich hier so abgestempelt hat. Jetzt nachdem ich Zeit hatte mich schlau zu lesen kann ich sagen nein ein Asket bin ich nicht. Er hat mich nicht durchschaut. Ich ihn aber wohl auch nicht!
Es war ein sehr netter Abend.
Ich gehe um 22 Uhr in mein Zelt und schlafe. Morgen wird mein Zelt nicht mehr in Deutschland stehen! Ich bin gespannt.
Aufbruch: | 27.05.2011 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2011 |
Frankreich