Auf dem Jakobsweg - von Pamplona nach Santiago de Compostela
Wanderung auf dem berühmten Jakobsweg mit Übernachtung in den Pilgerherbergen
Vorbereitungen. Hamburg - Bilbao. Start in Pamplon
Vorbereitungen und die ersten drei Tage
Nachdem ich Hape Kerkelings Buch "Ich bin dann mal weg" gelesen hatte, sollten noch einige Jahre vergehen, bis der Wunsch in mir reifte, selbst auf dem Jakobsweg zu wandern. Ich las viele Bücher zu dem Thema, besuchte Vorträge und erfreute mich besonders an dem Spielfilm: "Saint Jacques, Pilgern auf Französisch". Im Freundeskreis erzählte ich meinen Traum und von meiner Freundin Heide hörte ich ein ernsthaftes: "Da komme ich mit". Obwohl wir uns seit vierzig Jahren kennen, hatten wir bisher nie länger als ein Wochenende zusammen verbracht. Und so schlug ich eine Probewanderung vor, die wir dann im Oktober 2013 in die Tat umsetzten. Fünf Tage wanderten wir mit Rucksack und kompletter Ausrüstung durch die niedersächsische Landschaft, übernachteten in Klöstern und erreichten schließlich erschöpft, aber zufrieden das Kloster Loccum. Nach dieser Wanderung waren wir uns sicher, eine gemeinsame Wanderung auf dem Jakobsweg meistern zu können.
So beschlossen wir, von Mitte Mai bis Mitte Juni 2014 zu wandern, weil es zu früherer Jahreszeit in den oberen Regionen noch zu kalt sein könnte und wir die Natur grün und blühend erleben wollten. Im Januar buchten wir die Flüge und Anfang April fing ich an zu trainieren. Statt mit dem Auto zum fünf Kilometer entfernten Fitnessstudio zu fahren, wanderte ich mit meinen Walkingstöcken hin und zurück. Mehrmals machte ich auch Wanderungen von 15 bis 25 km, um mir bereits zu Hause "stramme Waden" anzutrainieren. Auch meine Füße cremte und salbte ich schon Wochen vor dem Start und hatte dadurch später beim Wandern dann auch keine einzige Blase.
Von den Paderborner Jakobusfreunden bekam ich einen Pilgerausweis, eine Herbergsliste und eine wohldurchdachte Packliste. Mein neuer 30-l-Rucksack von Fjällräven war perfekt konzipert, die halbhohen Goretex-Wanderschuhe neu, aber bequem wie Hausschuhe, für heiße Tage ein Paar Trekkingsandalen und die Kleidung nur aus Microfaser. Lange überlegte ich, welche Jacke ich mitnehmen sollte und entschied mich dann für eine orangefarbene ,200 g leichte Daunenjacke. Mit dieser Wahl war ich dann sehr zufrieden, weil die Abende auch im Juni oft noch kühl sind und die Jacke so kuschelig ist. Mein billiger Aldi-Schlafsack war dagegen nicht so ideal. Beim nächsten Mal würde ich einen Daunenschlafsack in einer kleinen Größe wählen. Als Unterlage hatte ich eine gefaltete Alumatte, die ich später beim Rasten nützlich fand. Das teure Blasenpflaster und die Fußsalben hatte ich natürlich auch im Gepäck. Mehrfach packte ich den Rucksack ein und aus und kam dann letztendlich auf etwa 7 kg, dazu noch einen superleichten Rucksackbeutel mit Proviant für den ersten Tag. Als Reiseführer hatte ich den "Rother" gewählt, Heide hatte als wunderbare Ergänzung den "outdoor" dabei. In beiden Büchern sind die Beschreibungen und Streckenabschnitte sehr gut, aber zusätzlich würde ich beim nächsten Mal eine GPS-kompatible Wanderkarte mit offline-Funktion auf mein smartphone hochladen, sodass ich auch unterwegs meine Position bestimmen kann.
13. Mai 2014 - Von Schleswig nach Bilbao
Mit dem Zug nach Hamburg und mit der S-Bahn zum Flughafen. Bei Air Berlin habe ich einen Flug von Hamburg nach Bilbao und von Santiago de Compostela zurück nach Hamburg für 320 € gebucht. Die Abflug- und Ankunftszeiten sind günstig, so dass keine zusätzlichen Übernachtungen in Hamburg eingeplant werden müssen. In der Flughafenhalle treffe ich meine Freundin Heide, mit der ich zusammen wandern will. Am Schalter von Air Berlin will man mir für den Transport meiner Walkingstöcke, die ich nicht zusammenschieben kann, 70 € abnehmen. Nach meinem Weigern, diesen Preis zu akzeptieren, schlägt mir die Mitarbeiterin vor, die Stöcke irgendwie an den Rucksack zu klemmen und zusammen am Sondergepäck-Schalter abzugeben. Über den Rucksack habe ich eine Mülltüte gezogen, schiebe die Stöcke noch dazwischen, binde ein Band um das Ganze und schon brauche ich keinen Aufpreis zu zahlen.
Unser Flug geht über Palma de Mallorca, wo wir umsteigen sollen. Auf dem Weg dorthin wird ein Mitreisender so krank, dass wir eine Zwischenlandung in Lyon einlegen müssen. Ein Krankenwagen holt den Patienten ab. Die Flugreisenden bleiben ruhig, obwohl klar wird, dass etliche ihre Anschlussflüge nicht erreichen werden. Wegen des außerplanmäßigen Stopps muss die Maschine auch wieder aufgetankt werden. Mit zwei Stunden Verspätung erreichen wir schließlich Mallorca. Unser Flieger nach Bilbao ist inzwischen ohne uns gestartet, wir werden auf einen Flug nach Barcelona umgebucht und von dort weiter nach Bilbao. Abends um zehn Uhr kommen Heide und ich an, Rucksack und Walking-Stöcke haben auch das zweimalige Umsteigen gut überstanden. Wir erwischen laufend noch den Bus, der in die Innenstadt fährt. Dort fragen wir uns durch zu unserer Pension, in der ich für die erste Nacht ein Zimmer reserviert habe.
Bilbao wird von dem Fluss Ria del Nervion durchschnitten, gewaltige Brücken verbinden beide Seiten der Stadt. Zu später Stunde irren wir über eine hohe Brücke, von der wir auf der anderen Seite sechs Stockwerke mit mindestens hundert Stufen herabsteigen müssen. Dann geht es wieder eine Straße bergan und endlich erreichen wir unsere Pension "La Salve". Von unserem Zimmer aus haben wir einen Blick auf eine andere gewaltige Brücke, die direkt vor dem Haus durch das Viertel führt.
14. Mai 2014 - Von Bilbao nach Pamplona
Den Rundgang durch Bilbao, den wir am Abend noch machen wollten, holen wir am nächsten Vormittag nach. Wir wandern mit unseren Rucksäcken am Fluss entlang, haben einen großartigen Blick auf die ungewöhnliche Architektur des Guggenheim-Museums und die Brücken. Viele Frauen sind mit ihren Hunden unterwegs, deren Hinterlassenschaften sorgfältig eingesammelt werden. Die Stadt ist sehr großzügig angelegt, die enge Altstadt ohne Autoverkehr mit der Kathedrale gut erhalten. Daneben eine neue Markthalle mit einem riesigen Angebot an Fisch, Fleisch und Gemüse. Wir gehen durch schöne Parkanlagen am Fluss, biegen ab in Richtung Bahnhof. Dieses Viertel sieht eher ärmlich aus, viele Afrikaner und Araber sind unterwegs. Morgens war es noch recht kühl, inzwischen wärmt die Sonne. Auf dem Weg zum Bahnhof erfahren wir, dass kein Zug von Bilbao nach Pamplona fährt, so laufen wir weiter zum Busbahnhof, wo mittags ein Bus abfahren soll. Mir fällt auf, dass alle Hinweise zweisprachig sind, spanisch und baskisch. Während des Wartens füttere ich die Spatzen, von denen sich einer mutig auf meine Hand setzt. Wir fahren zwei Stunden mit dem Bus, zunächst durch eine hügelige Waldlandschaft, dann durch eine verkarstete Gegend mit alten Häusern aus Naturstein und vereinzelten Bäumen.
Gegen 15 Uhr kommen wir in Pamplona an, inzwischen ist es richtig heiß geworden. Wir marschieren durch die Stadt zum Flussufer, wo die hochgelobte Pilgerherberge der Paderborner Jakobusgemeinschaft liegt. Man sieht uns nur mitleidig an, alle Betten sind belegt. Neidisch blicken wir auf die wunderschöne Anlage mit dem großzügigen Garten, in der einige Wanderer auf dem Rasen liegen. Wir kommen auf dem Pilgerweg an, wandern weiter in Richtung Altstadt; auch die nächste Herberge ist ausgebucht. Auf dem gut gekennzeichneten Camino de Santiago ist in regelmäßigen Abständen eine Jakobsmuschel aus Messing in das Pflaster eingelassen. In der ehemaligen Jesuitenkirche finden wir eine Unterkunft für 8 € pro Person. Wir legen unseren Pilger- und den Personalausweis vor und bewundern unseren ersten Pilgerstempel. Die alte Kirche ist zur Herberge umgebaut worden, man hat eine Zwischendecke eingezogen, einige halbhohe Wände aufgestellt, so dass über 100 Betten Platz und Sichtschutz haben. In der oberen Etage bekommen wir ein Stockbett. Heide schläft unten, ich nehme das obere Bett. Die Matratzen und ein Kopfkissen sind mit einem gummiartigen geruchsneutralen Bezug versehen, über den wir einen Vliesbezug ziehen, den wir bei der Anmeldung bekommen haben. Jedes Bett hat am Kopfende eine Leselampe und eine Steckdose. Über uns ist die wunderschöne alte stuckverzierte Decke erhalten geblieben. Im nächsten Bett liegt Marie aus Nordfrankreich, die wir immer wieder treffen werden.
Wir lassen unsere Rucksäcke neben den Betten zurück, nehmen unsere Wertsachen mit und machen einen Rundgang durch die wunderschöne Altstadt. Sie bietet ein geschlossenes Bild von alten Häusern. Die Plaza liegt noch gegen Abend in der vollen Sonne, die Cafés und Bänke sind belebt. Später gehen wir noch in eine Tapasbar, und als wir um 22 Uhr in unsere Herberge kommen, schlafen schon etliche Pilger. Aber bis 23 Uhr kommen noch Nachzügler, die nach dem Weingenuss recht viel Lärm machen. Um 23 Uhr wird im ganzen Haus - mit Ausnahme der Sanitäranlagen - das Licht ausgeschaltet.
15. Mai 2014 - Von Pamplona nach Obanos - 22 km
Die Nacht ist relativ ruhig, aber um 5.30 Uhr läutet der erste Wecker, den alle hören, nur der Schläfer nicht. Nach einer Weile ist der Wecker ruhig, dann fängt er wieder an, und endlich reagiert derjenige, der ihn angestellt hatte. Die Nacht ist vorbei und im Waschraum spricht mich eine Koreanerin in meinem Alter an. Die Nacht sei so furchtbar gewesen, sie hätte zwischen etlichen Männern geschlafen, die so sehr geschnarcht haben, dass sie kaum schlafen konnte. Bevor sie in St.Jean-Pied-de-Port auf dem Jakobsweg ihre Pilgertour begann, hatte sie schon Lourdes besucht.
Gegen 7 Uhr brechen Heide und ich auf, wandern durch die noch schlafenden, engen Straßen, in die die Sonne noch nicht einfällt. Ein Geschäft für Pilgerbedarf hat als einziges schon geöffnet. Heide ersteht einen neuen Walkingstock, eine junge Koreanerin bittet um Hilfe für ihre aufgerissenen Wanderschuhe, die der nette Verkäufer mit Klebeband zusammenbindet. Eine andere Koreanerin hat schon ihre Flipflops angezogen, in denen sie wandern will. Wir überholen einen deutschen Vater mit seinem Sohn. Der junge Mann hat schon Probleme mit dem Knie und humpelt. Ganz allmählich erwacht Pamplona und die grelle Sonne beleuchtet schöne alte Fassaden. Die Stadt ist sehr sauber, auch die Vororte mit den großen Mietshäusern sind gepflegt. Immer wieder gibt es Hinweisschilder auf Hochschulen und Bildungsstätten. Reinigungspersonal hält Parks und Straßen sauber.
Wir lassen die Stadt hinter uns und wandern auf einer schmalen Straße an Feldern vorbei. Gelbe Pfeile weisen uns den Weg. Nach einer Biegung landen wir plötzlich in einer Wohngegend und stellen fest, dass uns ein pfiffiger Restaurantbesitzer mit den Pfeilen vor sein Lokal gelotst hat. Ein Einheimischer zeigt uns den Weg zurück zum camino und wir gehen an Feldern mit Getreide und Erbsen vorbei. Die Schoten sind schon reif und wir naschen von den frischen Erbsen. Sachte steigt der Weg an, auf dem Grat sehen wir Reihen moderner Windräder zur Stromerzeugung. Neben einer weißen Ruhebank steht ein Gedenkkreuz mit Foto zum Andenken an einen hier verstorbenen belgischen Pilger.
Um diese Zeit sind schon viele Pilger unterwegs, die meisten sind gegen 7 Uhr in Pamplona gestartet. Aber auch Radfahrer preschen an uns vorbei. Auf dem Pass Alto del Perdon lassen sich die Wanderer neben der Skulptur einer Pilgergruppe aus verrostetem Eisen fotografieren. Hier oben ist der Wind heftig und ungemütlich, und ich suche Schutz hinter einem Denkmal. Vertrocknete Bananen- und Orangenschalen liegen verstreut herum. Auf der Passhöhe kreuzt eine Straße den camino. Hier hält ein Bus, der eine Reisegruppe auf den Weg zum nächsten Ort schickt. Sie müssen kein Gepäck tragen, nicht alle sind zweckmäßig angezogen. Der Weg bergab hat es in sich, sehr steil mit rollenden Steinen, nur an den Rändern haben die Wanderer schmale Schneisen getreten. Der camino führt an Mandelbäumen und Feldern vorbei, ich genieße den weiten Blick über ein tiefes Tal. Viele Blumen am Wegesrand, sogar Orchideen entdecke ich. Im nächsten Ort, Uterga, machen wir Rast im Garten einer Herberge, wo wir Marie wiedertreffen. Sie hat sich schon einquartiert, will nicht mehr weiterlaufen. Als ich ihr von Nackenschmerzen erzähle, holt sie ein Öl und massiert mir den Nacken. Sie ist in der Lage, sehr langsam Französisch zu sprechen, so dass ich eine Menge verstehen kann. Am nächsten Tag habe ich die Gurte meines Rucksacks besser eingestellt und achte mehr auf meine Haltung, so dass ich keine Nackenschmerzen mehr bekomme. Überhaupt bin ich mit meinem 30-l-Rucksack sehr zufrieden, die Gurte sind optimal anpassbar, das Gewicht ruht auf den Hüften, die Schultern werden entlastet. Wenn ich den Rucksack abends abnehme, habe ich keine Rücken- oder Schulterschmerzen.
Wir wandern in der Nachmittagshitze weiter nach Obanos. Dort machen wir bei zwei "Herbergen" Halt, die sich als Hotels entpuppen und für ein Doppelzimmer 40 bis 45 Euro verlangen. Für die schönen Zimmer ist der Preis ok, wir wollen aber nicht mehr als 10 bis 12 € pro Person ausgeben. Bald darauf landen wir in einer einfachen Pilgerherberge mit einem Schlafsaal, der nicht einmal bis zur Hälfte belegt ist. Wir sind heute 24 km gelaufen und müssen jetzt verpusten. Wir lernen eine gleichaltrige Frau kennen, die vor einem Jahr zur gleichen Zeit den Jakobsweg gewandert ist. Von fünf Wochen hatte sie drei Wochen Regen. Nach dem vielen Regen waren die Wege so schlecht, so dass sie erst mal ausgebessert werden mussten. So profitieren wir jetzt von den guten Wegen, die mit frischem feinen Schotter bedeckt sind.
Nach dem Duschen und Wäschewaschen erkunden wir den netten kleinen Ort. In der Herberge gibt es kein WLAN, aber wenn man sich auf der anderen Straßenseite auf die Bank vor der öffentlichen Bücherei setzt, kann man deren Netz ohne Passwort nutzen. Abends bekommen wir in einer Gastwirtschaft für zehn Euro ein sogenanntes Pilgermenü. An einer langen Tafel sitzen wir mit acht anderen Pilgern zusammen, unter ihnen Angela aus Kentucky und Melba aus Chicago, die wir später öfter wiedersehen. Die beiden arbeiten an Universitäten und können wegen der Semesterferien längere Urlaube machen. Sie sind ein ungleiches Paar, die eine rundlich, die andere schlank und sportlich, beide witzig und interessant. Wir liegen rechtzeitig in den Kojen, denn um 22 Uhr wird die Haustür abgeschlossen und das Licht gelöscht.
Aufbruch: | 13.05.2014 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 14.06.2014 |