Auf dem Jakobsweg - von Pamplona nach Santiago de Compostela

Reisezeit: Mai / Juni 2014  |  von Hilde Lauckner

Wanderung auf dem berühmten Jakobsweg mit Übernachtung in den Pilgerherbergen

Vorbereitungen. Hamburg - Bilbao. Start in Pamplon

Vorbereitungen und die ersten drei Tage

Nachdem ich Hape Kerkelings Buch "Ich bin dann mal weg" gelesen hatte, sollten noch einige Jahre vergehen, bis der Wunsch in mir reifte, selbst auf dem Jakobsweg zu wandern. Ich las viele Bücher zu dem Thema, besuchte Vorträge und erfreute mich besonders an dem Spielfilm: "Saint Jacques, Pilgern auf Französisch". Im Freundeskreis erzählte ich meinen Traum und von meiner Freundin Heide hörte ich ein ernsthaftes: "Da komme ich mit". Obwohl wir uns seit vierzig Jahren kennen, hatten wir bisher nie länger als ein Wochenende zusammen verbracht. Und so schlug ich eine Probewanderung vor, die wir dann im Oktober 2013 in die Tat umsetzten. Fünf Tage wanderten wir mit Rucksack und kompletter Ausrüstung durch die niedersächsische Landschaft, übernachteten in Klöstern und erreichten schließlich erschöpft, aber zufrieden das Kloster Loc­cum. Nach dieser Wanderung waren wir uns sicher, eine gemeinsame Wanderung auf dem Ja­kobsweg meistern zu können.
So beschlossen wir, von Mitte Mai bis Mitte Juni 2014 zu wandern, weil es zu früherer Jahreszeit in den oberen Regionen noch zu kalt sein könnte und wir die Natur grün und blühend erleben wollten. Im Januar buchten wir die Flüge und Anfang April fing ich an zu trainieren. Statt mit dem Auto zum fünf Kilometer entfernten Fitnessstudio zu fahren, wanderte ich mit meinen Walkingstöcken hin und zurück. Mehrmals machte ich auch Wanderungen von 15 bis 25 km, um mir be­reits zu Hause "stramme Waden" anzutrainieren. Auch meine Füße cremte und salbte ich schon Wochen vor dem Start und hatte dadurch später beim Wandern dann auch keine einzige Blase.
Von den Paderborner Jakobusfreunden bekam ich einen Pilgerausweis, eine Herbergsliste und eine wohldurchdachte Packliste. Mein neuer 30-l-Rucksack von Fjällräven war perfekt konzipert, die halbhohen Goretex-Wanderschuhe neu, aber bequem wie Hausschuhe, für heiße Tage ein Paar Trekkingsandalen und die Kleidung nur aus Microfaser. Lange überlegte ich, welche Jacke ich mitnehmen sollte und entschied mich dann für eine orangefarbene ,200 g leichte Daunenja­cke. Mit dieser Wahl war ich dann sehr zufrieden, weil die Abende auch im Juni oft noch kühl sind und die Jacke so kuschelig ist. Mein billiger Aldi-Schlafsack war dagegen nicht so ideal. Beim nächsten Mal würde ich einen Daunenschlafsack in einer kleinen Größe wählen. Als Unterlage hatte ich eine gefaltete Alumatte, die ich später beim Rasten nützlich fand. Das teure Blasen­pflaster und die Fußsalben hatte ich natürlich auch im Gepäck. Mehrfach packte ich den Ruck­sack ein und aus und kam dann letztendlich auf etwa 7 kg, dazu noch einen superleichten Ruck­sackbeutel mit Proviant für den ersten Tag. Als Reiseführer hatte ich den "Rother" gewählt, Hei­de hatte als wunderbare Ergänzung den "outdoor" dabei. In beiden Büchern sind die Beschrei­bungen und Streckenabschnitte sehr gut, aber zusätzlich würde ich beim nächsten Mal eine GPS-kompatible Wanderkarte mit offline-Funktion auf mein smartphone hochladen, sodass ich auch unterwegs meine Position bestimmen kann.

Die spanischen Jakobswege, die nach Santiago de Compostela führen

Die spanischen Jakobswege, die nach Santiago de Compostela führen

13. Mai 2014 - Von Schleswig nach Bilbao

Mit dem Zug nach Hamburg und mit der S-Bahn zum Flughafen. Bei Air Berlin habe ich einen Flug von Hamburg nach Bilbao und von Santia­go de Compostela zurück nach Hamburg für 320 € gebucht. Die Ab­flug- und An­kunftszeiten sind günstig, so dass keine zusätzlichen Übernachtungen in Hamburg einge­plant werden müssen. In der Flughafenhalle treffe ich meine Freundin Heide, mit der ich zusammen wandern will. Am Schalter von Air Berlin will man mir für den Transport meiner Walkingstöcke, die ich nicht zu­sammenschieben kann, 70 € abnehmen. Nach meinem Weigern, diesen Preis zu akzeptieren, schlägt mir die Mitarbeiterin vor, die Stöcke irgendwie an den Rucksack zu klemmen und zu­sammen am Sonderge­päck-Schalter abzugeben. Über den Rucksack habe ich eine Mülltüte ge­zogen, schiebe die Stöcke noch dazwischen, binde ein Band um das Ganze und schon brauche ich keinen Aufpreis zu zah­len.
Unser Flug geht über Palma de Mallorca, wo wir umsteigen sollen. Auf dem Weg dorthin wird ein Mit­reisender so krank, dass wir eine Zwischenlandung in Lyon einlegen müssen. Ein Krankenwagen holt den Pa­tienten ab. Die Flugreisenden bleiben ruhig, obwohl klar wird, dass etliche ihre Anschlussflüge nicht er­reichen werden. Wegen des außerplanmäßigen Stopps muss die Maschine auch wieder aufge­tankt wer­den. Mit zwei Stunden Verspätung errei­chen wir schließlich Mallorca. Unser Flieger nach Bil­bao ist inzwi­schen ohne uns gestartet, wir werden auf einen Flug nach Barcelona umgebucht und von dort weiter nach Bilbao. Abends um zehn Uhr kommen Heide und ich an, Rucksack und Walking-Stöcke haben auch das zweimali­ge Umsteigen gut überstanden. Wir erwischen laufend noch den Bus, der in die Innenstadt fährt. Dort fragen wir uns durch zu unserer Pension, in der ich für die erste Nacht ein Zimmer reserviert habe.
Bilbao wird von dem Fluss Ria del Nervion durchschnitten, gewaltige Brücken verbinden beide Seiten der Stadt. Zu spä­ter Stunde irren wir über eine hohe Brücke, von der wir auf der anderen Seite sechs Stock­werke mit min­destens hundert Stufen herabsteigen müssen. Dann geht es wieder eine Straße bergan und endlich errei­chen wir unsere Pension "La Salve". Von unserem Zimmer aus haben wir einen Blick auf eine andere gewalti­ge Brücke, die direkt vor dem Haus durch das Viertel führt.

Das weltberühmte Guggenheim-Museum in Bilbao

Das weltberühmte Guggenheim-Museum in Bilbao

14. Mai 2014 - Von Bilbao nach Pamplona

Den Rundgang durch Bilbao, den wir am Abend noch machen wollten, holen wir am nächsten Vormit­tag nach. Wir wandern mit unseren Rucksäcken am Fluss entlang, haben einen großarti­gen Blick auf die un­gewöhnliche Architektur des Guggenheim-Museums und die Brücken. Viele Frauen sind mit ihren Hun­den unterwegs, deren Hinterlassenschaften sorgfältig eingesammelt werden. Die Stadt ist sehr großzügig an­gelegt, die enge Altstadt ohne Autoverkehr mit der Kathedrale gut erhalten. Daneben eine neue Markt­halle mit einem riesigen Angebot an Fisch, Fleisch und Gemüse. Wir gehen durch schöne Parkanla­gen am Fluss, biegen ab in Richtung Bahnhof. Dieses Viertel sieht eher ärmlich aus, viele Afri­kaner und Ara­ber sind unterwegs. Morgens war es noch recht kühl, inzwischen wärmt die Sonne. Auf dem Weg zum Bahn­hof erfahren wir, dass kein Zug von Bilbao nach Pamplona fährt, so laufen wir weiter zum Busbahn­hof, wo mittags ein Bus abfahren soll. Mir fällt auf, dass alle Hinweise zweisprachig sind, spanisch und baskisch. Während des Wartens füttere ich die Spatzen, von denen sich einer mutig auf meine Hand setzt. Wir fah­ren zwei Stunden mit dem Bus, zunächst durch eine hügelige Waldland­schaft, dann durch eine verkarste­te Gegend mit alten Häusern aus Naturstein und vereinzelten Bäu­men.
Gegen 15 Uhr kommen wir in Pamplona an, inzwischen ist es richtig heiß geworden. Wir mar­schieren durch die Stadt zum Flussufer, wo die hochgelobte Pilgerherberge der Paderborner Jakobusgemeins­chaft liegt. Man sieht uns nur mitleidig an, alle Betten sind belegt. Neidisch bli­cken wir auf die wunder­schöne Anlage mit dem großzügigen Garten, in der einige Wanderer auf dem Rasen liegen. Wir kommen auf dem Pilgerweg an, wandern weiter in Richtung Altstadt; auch die nächste Herberge ist ausgebucht. Auf dem gut gekennzeichneten Camino de Santiago ist in regelmäßigen Abständen eine Jakobsmu­schel aus Mes­sing in das Pflaster eingelassen. In der ehemaligen Jesuitenkirche finden wir eine Unterkunft für 8 € pro Person. Wir legen unseren Pil­ger- und den Personalausweis vor und be­wundern unseren ersten Pilger­stempel. Die alte Kirche ist zur Herberge umgebaut worden, man hat eine Zwischendecke eingezo­gen, ei­nige halbhohe Wände aufgestellt, so dass über 100 Betten Platz und Sichtschutz haben. In der obe­ren Etage bekommen wir ein Stockbett. Heide schläft unten, ich nehme das obere Bett. Die Matrat­zen und ein Kopfkis­sen sind mit einem gummiartigen geruchsneu­tralen Bezug versehen, über den wir einen Vlies­bezug zie­hen, den wir bei der Anmeldung bekommen haben. Jedes Bett hat am Kopfende eine Leselampe und eine Steckdose. Über uns ist die wunderschö­ne alte stuck­verzierte Decke erhalten geblieben. Im nächs­ten Bett liegt Marie aus Nordfrankreich, die wir immer wieder treffen werden.

Wir lassen unsere Rucksäcke neben den Betten zurück, nehmen unsere Wertsachen mit und machen einen Rundgang durch die wunderschöne Altstadt. Sie bietet ein geschlossenes Bild von alten Häusern. Die Plaza liegt noch gegen Abend in der vollen Sonne, die Cafés und Bänke sind be­lebt. Später gehen wir noch in eine Tapasbar, und als wir um 22 Uhr in unsere Herberge kom­men, schlafen schon etliche Pilger. Aber bis 23 Uhr kommen noch Nachzügler, die nach dem Weinge­nuss recht viel Lärm machen. Um 23 Uhr wird im ganzen Haus - mit Ausnahme der Sanitäranlagen - das Licht ausgeschaltet.

Die erste Übernachtung in einer Pilgerherberge: Iglesia de Jesus y Maria in Pamplona

Die erste Übernachtung in einer Pilgerherberge: Iglesia de Jesus y Maria in Pamplona

15. Mai 2014 - Von Pamplona nach Obanos - 22 km

Die Nacht ist relativ ruhig, aber um 5.30 Uhr läutet der erste Wecker, den alle hören, nur der Schläfer nicht. Nach einer Weile ist der Wecker ruhig, dann fängt er wieder an, und endlich reagiert derjenige, der ihn angestellt hatte. Die Nacht ist vorbei und im Waschraum spricht mich eine Koreanerin in mei­nem Al­ter an. Die Nacht sei so furchtbar gewesen, sie hätte zwischen etli­chen Männern geschlafen, die so sehr geschnarcht haben, dass sie kaum schlafen konnte. Bevor sie in St.Jean-Pied-de-Port auf dem Ja­kobsweg ihre Pilgertour begann, hatte sie schon Lour­des besucht.
Gegen 7 Uhr brechen Heide und ich auf, wandern durch die noch schlafenden, engen Straßen, in die die Sonne noch nicht einfällt. Ein Geschäft für Pilgerbedarf hat als einziges schon geöffnet. Heide er­steht einen neuen Walkingstock, eine junge Korea­nerin bittet um Hilfe für ihre aufgerissenen Wander­schuhe, die der nette Verkäufer mit Klebe­band zusammenbindet. Eine andere Koreanerin hat schon ihre Flipflops angezogen, in denen sie wandern will. Wir überholen einen deutschen Vater mit seinem Sohn. Der junge Mann hat schon Probleme mit dem Knie und humpelt. Ganz allmählich erwacht Pamplona und die grelle Sonne beleuchtet schöne alte Fassaden. Die Stadt ist sehr sauber, auch die Vororte mit den großen Miets­häusern sind gepflegt. Immer wieder gibt es Hinweisschilder auf Hochschulen und Bildungsstätten. Reini­gungspersonal hält Parks und Straßen sauber.
Wir lassen die Stadt hinter uns und wandern auf einer schmalen Straße an Feldern vorbei. Gelbe Pfeile weisen uns den Weg. Nach einer Biegung landen wir plötzlich in einer Wohngegend und stellen fest, dass uns ein pfiffi­ger Restaurantbesitzer mit den Pfeilen vor sein Lokal gelotst hat. Ein Einheimischer zeigt uns den Weg zurück zum camino und wir gehen an Feldern mit Getreide und Erbsen vorbei. Die Schoten sind schon reif und wir naschen von den frischen Erbsen. Sachte steigt der Weg an, auf dem Grat sehen wir Reihen moderner Windräder zur Stromerzeugung. Neben einer weißen Ruhebank steht ein Gedenk­kreuz mit Foto zum Andenken an einen hier verstorbenen belgi­schen Pilger.

Um diese Zeit sind schon viele Pilger unterwegs, die meisten sind gegen 7 Uhr in Pamplona gestartet. Aber auch Radfahrer preschen an uns vorbei. Auf dem Pass Alto del Perdon las­sen sich die Wande­rer ne­ben der Skulptur einer Pilgergruppe aus verrostetem Eisen fotografieren. Hier oben ist der Wind heftig und un­gemütlich, und ich suche Schutz hinter einem Denkmal. Ver­trocknete Bananen- und Orangenschal­en lie­gen verstreut herum. Auf der Passhöhe kreuzt eine Straße den camino. Hier hält ein Bus, der eine Reisegruppe auf den Weg zum nächsten Ort schickt. Sie müssen kein Gepäck tragen, nicht alle sind zweck­mäßig angezogen. Der Weg bergab hat es in sich, sehr steil mit rollenden Steinen, nur an den Rän­dern ha­ben die Wanderer schma­le Schneisen getreten. Der camino führt an Mandelbäumen und Fel­dern vorbei, ich genieße den weiten Blick über ein tiefes Tal. Viele Blumen am Wegesrand, sogar Orchi­deen entdecke ich. Im nächsten Ort, Uterga, machen wir Rast im Garten einer Herberge, wo wir Marie wiedertreffen. Sie hat sich schon einquartiert, will nicht mehr weiterlaufen. Als ich ihr von Nacken­schmerzen erzähle, holt sie ein Öl und massiert mir den Nacken. Sie ist in der Lage, sehr lang­sam Franzö­sisch zu sprechen, so dass ich eine Menge verstehen kann. Am nächsten Tag habe ich die Gurte meines Rucksacks besser eingestellt und achte mehr auf meine Haltung, so dass ich keine Nackenschmerzen mehr bekomme. Überhaupt bin ich mit meinem 30-l-Rucksack sehr zufrieden, die Gurte sind optimal anpassbar, das Gewicht ruht auf den Hüften, die Schultern werden entlastet. Wenn ich den Rucksack abends abnehme, habe ich keine Rücken- oder Schulterschmerzen.

Wir wandern in der Nachmittagshitze weiter nach Obanos. Dort machen wir bei zwei "Herbergen" Halt, die sich als Hotels entpuppen und für ein Doppelzimmer 40 bis 45 Euro verlangen. Für die schönen Zim­mer ist der Preis ok, wir wollen aber nicht mehr als 10 bis 12 € pro Person ausgeben. Bald darauf landen wir in einer einfachen Pilgerherberge mit einem Schlafsaal, der nicht einmal bis zur Hälfte belegt ist. Wir sind heute 24 km gelaufen und müssen jetzt ver­pusten. Wir lernen eine gleichaltrige Frau kennen, die vor ei­nem Jahr zur gleichen Zeit den Jakobsweg gewandert ist. Von fünf Wochen hatte sie drei Wochen Regen. Nach dem vielen Regen waren die Wege so schlecht, so dass sie erst mal ausgebessert werden mussten. So profitieren wir jetzt von den guten Wegen, die mit frischem feinen Schotter bedeckt sind.
Nach dem Duschen und Wäschewaschen erkunden wir den netten kleinen Ort. In der Herberge gibt es kein WLAN, aber wenn man sich auf der anderen Straßenseite auf die Bank vor der öffentli­chen Büche­rei setzt, kann man deren Netz ohne Passwort nutzen. Abends bekommen wir in ei­ner Gastwirtschaft für zehn Euro ein sogenanntes Pilgermenü. An einer langen Tafel sitzen wir mit acht anderen Pilgern zusamm­en, unter ihnen Angela aus Kentucky und Melba aus Chicago, die wir später öfter wiedersehen. Die beiden arbeiten an Universitäten und können wegen der Semesterferien längere Urlaube machen. Sie sind ein ungleiches Paar, die eine rund­lich, die andere schlank und sportlich, beide witzig und inter­essant. Wir liegen rechtzeitig in den Ko­jen, denn um 22 Uhr wird die Haustür abge­schlossen und das Licht gelöscht.

Mein komplettes Gepäck auf dem Rücken, mein Rucksack mit 7-8 kg

Mein komplettes Gepäck auf dem Rücken, mein Rucksack mit 7-8 kg

© Hilde Lauckner, 2015
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 13.05.2014
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 14.06.2014
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Hilde Lauckner berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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