Auf dem Jakobsweg - von Pamplona nach Santiago de Compostela
Vorbereitungen. Hamburg - Bilbao. Start in Pamplon: Hospital de Orbigo - Astorga
30. Mai 2014 - Mit dem Bus von Hospital de Orbigo nach Astorga
Heide und Gaye Lynn geht es wieder gut, und wir wandern durch den Ort zur Bushaltestelle. Dort sitzt ein Spanier und nimmt uns den Hund ab, der uns inzwischen zugelaufen war. Er stellt sich als Lottar vor, und gibt mir die Hand. Warum er denn mit dem Bus fährt, frage ich ihn. Weil er eine schwere Infektion hat, antwortet er. Wie gut, dass ich Sagrotan dabei habe und mir erst einmal die Hände desinfizieren kann. Eigentlich wollte ich auf dieser Reise niemandem mehr die Hand geben, aber es ist schwierig, nicht unhöflich zu sein. Zu gern teilen die Kranken ihre Keime. Wir fahren mit dem Bus nach Astorga. Bei strahlender Sonne kommen wir an, treffen auf dem Marktplatz die Vietnamesin Lien aus unserer letzten Herberge wieder. Sie ist die Strecke von 15 km, die wir mit dem Bus gefahren sind, bereits gelaufen. Sie will nach einer Pause noch weitergehen. In einem Park neben der Herberge, die in einem alten Kloster oberhalb der Stadtmauern untergebracht ist, genießen wir die Aussicht und warten darauf, dass die Herberge öffnet. Die Mauer und der Hang vor dem Kloster sind mit blühenden Spornblumen übersät , davor viele Mauersegler in der Luft. Die Herberge hat 156 Betten, wir haben Glück und bekommen ein Vierbettzimmer. Inzwischen habe ich mich schon daran gewöhnt, oben zu schlafen, wenn das Bett an der Wand steht.
Mittags besuche ich die Kathedrale und das benachbarte Museum. Außer mir sind nur noch vier Besucher in der Ausstellung. Aber die Cafés auf dem Marktplatz sind voll besetzt. Zu den Getränken wird noch ein Häppchen Tortilla mit einer pikanten Sauce serviert. Neben mir hat sich eine süddeutsche Reisegruppe niedergelassen, die mit dem Bus unterwegs ist. Eine japanische Touristin, weiß geschminkt und mit Spitzen behängt, ist von zwei spanischen Fahrradpilgern begeistert und lässt sich vor deren Rädern fotografieren. Neben der Kathedrale zieht ein riesiger ehemaliger Bischofspalast, von Antonio Gaudi im Zuckerbäckerstil im 19. Jahrhundert gebaut, Besucherscharen an. Vor dem Ticketschalter treffen wir die kleine Koreanerin, die wieder gesund ist und sich freut, uns wiederzusehen. Beim nächsten zufälligen Treffen zaubert sie Schokolade aus ihrer Tasche und schenkt sie Heide und Gaye Lynn, die sie angesteckt hat. Astorga ist berühmt für Schokolade, denn im 18. und 19. Jahrhundert war hier das Zentrum der spanischen Schokoladenindustrie.
In der Herberge fragt eine junge Deutsche, ob jemand einen Laden für Pilgerzubehör gesehen hat. Sie ist mit ihrem Übergewicht versehentlich auf die Schnalle ihres Rucksacks getreten und hat sie dabei zerstört. Jetzt kann sie den Bauchgurt nicht mehr schließen. In der Stadt findet sie einen gutsortierten Laden, in dem man ihr helfen kann. Nach diesem Geschehen habe ich immer besonders gut auf die Schnallen meines Rucksacks geachtet. Den Sack nur nicht in den Weg stellen, so dass jemand auf die Schnallen treten kann, sie am besten immer hochbinden, denn ohne funktionierende Schnallen ist der Rucksack nicht mehr brauchbar.
Nach dem Besuch des Bischofspalastes melde ich mich für die Besichtigung der römischen Ruinen der Stadt an. Leider ist die Führung auf Spanisch und wir sind nur vier Leute, die sich für die alten Steine interessieren. Hinter normalen Haustüren verbergen sich Reste römischer Thermen und Grundmauern. Besonders spannend finde ich den Weg durch die original erhaltene Kloake in zehn Metern Tiefe. Anschließend treffe ich Heide wieder und wir sitzen noch in der herrlichen Abendsonne auf dem Marktplatz, wo wir die Figuren in lokaler Tracht beobachten können, die an der Rathausuhr zur vollen und halben Stunde die Glocke schlagen.
Die Stadt ist voller Touristen, aber für die Museen interessieren sich nur wenige. Ich wundere mich über die niedrigen Eintrittspreise - für die Kathedrale mit Museum 3 €, für den Palast 3 € und für die zweistündige Führung 4 €.
31. Mai 2014 Astorga - Cacabelos, weiter nach Villafrancaa (8km)
Wunderbar bei offenem Fenster geschlafen, bis wir um 6.15 Uhr von lauter sphärischer Musik geweckt werden. Hildegard und Gaye Lynn wollen von Astorga weiter nach Rabanal wandern, Heide und ich fahren mit dem Bus durch Ponferrada nach Cacabelos. Wandernd kommen wir durch eine wunderschöne hügelige Landschaft mit viel Wald. Die ersten Kilometer geht es an der Straße entlang, dann durch Weinberge und immer wieder an Kirschbäumen voller reifer Früchte vorbei. Die ersten Maronenbäume tauchen auf und weiße Zistrosensträucher blühen. Der Wein ist schon im vollen Laub. Heute sind wir nur 8 km gelaufen und schon mittags erreichen wir die Herberge "Ave Fenix" in Villafranca del Bierzo, wo wir Betten für 5 € beziehen. John, ein schottischer Volontär, zeigt uns die Räume. Wir können Betten in einem reinen Frauenraum, einem dunklen Verlies, haben oder in einem anderen einladenderem Raum. Nach uns belegt eine Gruppe Italiener die übrigen Betten. Die ganze Herberge und besonders die sanitären Anlagen sind renovierungsbedürftig, aber der Herbergsvater mit Namen Jesus hat uns neugierig gemacht. Im Reiseführer wird er als besondere Persönlichkeit geschildert, soll angeblich heilende Hände haben. Leider erscheint er nur kurz, und ich bekomme ihn nicht mehr zu Gesicht. In seiner Abwesenheit führt seine Tochter den Betrieb, hat aber nicht die Ausstrahlung ihres Vaters.
Nachmittags machen Heide und ich einen Rundgang durch den Ort. Es ist Samstag und ein Flamenco-Festival findet statt. Immer mehr Frauen und Mädchen in hübschen Flamenco-Kleidern erscheinen. Auch kleine Kinder sind schon passend herausgeputzt. Ein Auto mit Lautsprecher, aus dem die Flamenco-Musik plärrt, sorgt für die musikalische Untermalung. Ein paar caballeros reiten die Straßen auf und ab. Die Frauen und Mädchen beginnen zu tanzen. Die ganze Stadt ist auf den Beinen und feiert.
Aufbruch: | 13.05.2014 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 14.06.2014 |