Auf dem Jakobsweg - von Pamplona nach Santiago de Compostela

Reisezeit: Mai / Juni 2014  |  von Hilde Lauckner

Vorbereitungen. Hamburg - Bilbao. Start in Pamplon: Santiago de Compostela - Finisterre

Leuchtturm am Cabo Fisterre

Leuchtturm am Cabo Fisterre

12. Juni 2014 Mit dem Bus von Santiago nach Finisterre

Morgens um 8 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Busbahnhof, um nach Finisterre zu fah­ren. Als wir den Fahrkartenschalter suchen, fällt mir auf, dass wir versehentlich zur falschen Haltestelle ge­laufen sind, denn hier fahren die Busse zum Flughafen ab, aber wir müssen zum Zentralbus­bahnhof. Fünf Minuten vor Abfahrt erreichen wir schließlich den Bus, wo sich schon viele Leute drängeln. Die Rucksä­cke werden grund­sätzlich im Gepäckraum ver­staut, und weil wir die letzten sind, wird die hintere Tür geöff­net und wir können uns beide schnell einen Fensterplatz sichern. Wir sitzen auf der linken Seite und haben da­durch einen guten Blick auf die schöne Küstenlandschaft, die schon bald hinter dem Ort be­ginnt. Ein Fluss mündet in einen Fjord und bei Niedrigwasser graben hier viele Einheimische nach Muscheln und Schne­cken. Wir kommen an kleinen Dörfern und Häfen vorbei und auch an schönen Stränden, die noch men­schenleer sind.
Nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir Finisterre. Mehr oder weniger aufdringlich wollen uns Spanier in ihre Pensionen locken. Wir aber gehen erst einmal in eine Hafenbar und stu­dieren das Pensionsverzeichn­is. In unserem Wanderführer finden wir einen Hinweis auf eine freundli­che Herberge, in der bei unserer Ankunft schon Hochbetrieb herrscht. Ein freundlicher spanischer Hippie zeigt uns unser Doppelzim­mer für 12 € pro Bett. Die drei Zimmer mit Stockbetten sind schon gut belegt.
Es ist sehr warm, als Heide und ich uns auf den Weg nach Cabo Finisterre machen, dem Ende der klassi­schen Alten Welt. Auf der Teerstraße zum Kap mit herrlichem Blick übers Meer kommt uns Irmgard ent­gegen. Ein freundli­cher Spanier hält mit seinem Auto und fragt, ob er uns mitnehmen solle. Das ist lieb, aber wir wollen diese Strecke lieber zu Fuß gehen. Am Kap empfängt uns ein riesiger Andenken­laden, ein Wohnmobilstell­platz mit einem Fahrzeug und 200 Meter weiter das alte Leuchtturm­wärterhaus mit Hotel und Barbe­trieb. Von hier oben habe ich einen schönen Blick auf den Leuchtturm, vor dem gerade eine Asiatin ihre Tai-Chi-Übun­gen macht. Hinter dem Leucht­turm geht es zwischen Fel­sen den Abhang hinun­ter. Am Fuß eines Kreu­zes liegen von Pilgern abgelegte Klei­dungsstücke. Zum Abschluss ihrer Wanderung ver­brennen hier viele Pilger irgendwelche Gegenstände. Es stinkt nach verbranntem Plastik, ein Feuer schwelt noch. Welch ab­surder Brauch angesichts der Brandgefahr! Auf der Fahrt mit dem Bus waren wir an einer Stelle vorbei­gekommen, wo 2006 eine große Fläche durch ein Feuer vernichtet worden war.

Neben dem Leuchtturm steht ein junger Mann, der Flöte spielt, neben ihm grast ein Esel. Ich möchte ihn gern fotografieren und biete ihm dafür eine kleine Spende an. Bereitwillig stellt er sich ne­ben sei­nen Esel und er­zählt, dass er Ungar sei und mit dem Esel in St. Jean aufgebrochen war. Ein paar Meter weiter ent­decke ich den Kilometerstein Null. Hier beginnt die Strecke nach Santiago de Com­postela.
Heute Nachmittag ist Auktion in der modernen Fischhalle aus Glas und Stahl. Von ei­ner Ga­lerie aus kön­nen wir das Geschehen verfolgen. Jede Menge Kisten mit den verschiedensten Fi­schen werden vom Auk­tionator in wahnsinniger Geschwindigkeit an den Mann gebracht. In einer Kiste entdecke ich einen riesi­gen Angler­fisch. Am Hafen reiht sich ein Restaurant an das andere. Schwierig, sich für das richtige zu ent­scheiden. Mit der Wahl, die ich schließlich treffe, bin ich sehr zufrieden. Die ge­grillten Rasiermessermu­scheln, mit ihrem festen aber nicht zu harten Fleisch, sind ausge­zeichnet. Ich habe sie bisher auf keiner Speisekarte gefunden, auch gegrillte Entenmu­scheln hätte ich gern probiert. Im nächsten Restaurant sehe ich die nette Unga­rin wieder, mit der ich mich schon unterhalten hatte, und den Ungarn, der im Bett über Heide geschlafen hat­te, in ange­regtem Gespräch. Die beiden scheinen gut zusammenzupassen, aber sie hatte mir von ihrer Familie erzählt.
Im Hafenbecken schwimmt allerhand Müll, aber auch jede Menge bis zu 30 cm große Fische. Da wundere ich mich, dass hier niemand angelt. Nach 20 Uhr läuft das Ausflugsschiff zur Sunsettour aus und wir ge­hen den Ort hinauf und über den Hügel zur anderen Seite der Halbinsel. An einem Tomatengewächshaus vorbei führen Stege hinunter zum Strand, der zur Westseite der Halbinsel führt. Der herrliche Sandstrand ist von grüner Ufervegetation eingerahmt. Zum Sonnenuntergang haben sich schon etliche Besucher für den Sonnenunter­gang eingefunden. Gabriele, die in der christli­chen Herberge neben mir geschlafen hat­te, hat am Strand ihr winziges Zelt aufgebaut, um hier zu übernachten. Die letz­te Nacht hatte sie am Kap in Leuchtturmnähe verbracht. Erst um 22.15 Uhr geht die Sonne un­ter und beim Rückweg zum Ort sehen wir den Vollmond aufge­hen. Einen schöneren Abschluss für unsere Pilgerreise hätten wir nicht haben können.

Dem Wanderschuh ein Denkmal gesetzt

Dem Wanderschuh ein Denkmal gesetzt

13. Juni 2014 Mit dem Bus von Finisterre nach Santiago

Unser Doppelzimmer für 12 € pro Bett ist ok, aber die billige Bettwäsche fühlt sich unange­nehm an. Nachts um ein Uhr wecken uns Spätheimkehrer, die sich in normaler Lautstärke un­ten im Wohnzimmer unterhalten. Nach einer Weile gehe ich hinunter und finde den Her­bergsvater mit ein paar jungen Leu­ten in angeregter Diskussion. Die Gäste sehen mich nur verständnislos an, der Herbergsvater im mexikani­schen Poncho versucht zu erklä­ren, aber ich bitte ihn um Ruhe. Nachdem die Jungs ins Bett gegangen sind, fangen die Mö­wen an, einen Höllenlärm zu machen. Unter Gekreisch jagen sie durch die Nacht und in großer Zahl um das Haus herum. Dazu ein paar Hunde in unterschiedlichen Stimmlagen. Als Krö­nung des Ganzen surrt eine Mücke um meinen Kopf herum. Tranquilo, ruhig bleiben, sich um nichts mehr küm­mern und eine halbe Schlaftablet­te einwerfen!
Am nächsten Morgen entschuldigt sich der Althippie bei mir für die Störung. Heide und ich früh­stücken in einer Bar mit Blick auf den Hafen, die von einer Deutschen und ihrem spanischen Ehemann betrie­ben wird. Das Brot ist alt und der Kaffee zu stark für mich. Die Chefin und ihre deutsche Ange­stellte haben eine aufgesetz­te Freundlichkeit, die mir unangenehm ist. Anschließend bummeln wir durch die schmalen Gassen von Finisterre, das hier Fisterre genannt wird. Es gibt keinen einheitlichen Baustil, die meisten Häuser sind hässlich modernisiert. An einem Haus klopfen Arbeiter den Putz herunter und schöne Natur­steine kommen zum Vorschein. Die Häuser sind von unterschiedlicher Größe und Bauweise, einige sind im Stil der 60er Jahren gefliest. Typisch für Galizien sind gläserne Vorbauten, die aber nicht tiefer als ein Meter und nicht groß genug zum Dar­insitzen sind. Meis­tens steht nur ein Blu­mentopf drin oder die Wä­sche hängt hier zum Trocknen.

Die letzten Stunden verbringen wir am Strand, der Sand ist recht grob und die Wellen be­achtlich. Doch ein Mann traut sich in die Brandung und schwimmt eine Weile. Einige Frauen liegen am Strand, ohne auf das steigende Wasser zu achten. Eine schlafende Frau und ein Mann, die auf einem Felsen liegen, müs­sen ihre überspülten nassen Sachen retten. Der Wind hat heute von West auf Ost gedreht und das gestern ru­hige Hafenbecken ist voller Schaumkronen. Die Möwen beherrschen die Stadt. Nach ihrem nächtlichen Gekreische fällt mir heute auf, dass die Straßen und Autos - pardon - zugeschissen, mit weißen Flecken übersät sind.
Gegen 15 Uhr fahren wir mit dem Bus nach Santiago zurück. Auch Gabriele, die ihr Zelt zur freien Benut­zung am Strand zurückgelassen hat, ist dabei, ebenso der Däne Gunnar, der sein großes Gepäck in Santiag­o untergestellt hatte. Auf der Rückfahrt sitzen wir wieder auf der dem Meer zugewandten Seite, die auch jetzt die Son­nenseite ist. Die Klimaanlage streikt und ich schmore in der Sonne wie in der Sauna. Der Bus ist voll besetzt, und eine Spanierin, die unterwegs zusteigt, muss eine Weile stehen. Nach zwei Stunden in der brüten­den Hitze bin ich geschafft. Zu Fuß gehen wir durch die Stadt zu unserer Pension Christina.
Am späten Nachmittag machen wir uns auf den Weg zum Pilgerbüro, um endlich unsere Ur­kunde abzu­holen. Auf dem Weg dorthin fällt mein Blick auf eine Aufschrift in einem Fenster: Santia­go de Corrupte­la, die wohl auf die blühende Korruption in der Stadt aufmerksam machen will. Ein Stra­ßenfeger ist noch um 19 Uhr aktiv. Wir müssen vor dem Büro eine halbe Stunde anstehen, bis wir an der Rei­he sind. Zwei Roll­stuhlfahrern wird geholfen. Ich frage mich, ob sie ohne Hilfe auf dem camino unterwegs ge­wesen sind? Im Büro sitzen fünf Mitarbeiter, die mit der Ausfertigung der Urkunden beschäftigt sind. Ich reiche dem jungen Mann meinen Ausweis und hoffe, dass er meinen Namen richtig schreibt, sehe aber später, dass er sich doch ver­schrieben hat. Aber erst dann begreife ich, dass die gesamte Urkunde in latei­nischer Spra­che verfasst ist und mein Name daher in" Hildegardem" geändert wurde. Heide heißt jetzt "Adelhei­dum".
In dem hochgelobten Reiseführer wird ein Restaurant für seine gute preiswerte Küche ge­lobt, aber dort wird nur drinnen Essen serviert. Es ist noch so warm, dass wir uns lieber draußen hin­setzen möchten. Ga­briele kommt vorbei und erzählt, dass sie wunderbar kosten­los gegessen habe. Die ersten zehn Besucher, die sich im Kloster anstellen, brauchen für ihr Essen nicht zu bezah­len. Dafür hat sie aber auch eine Stun­de angestanden, aber letztlich wollten nur sieben Pilger diese Möglichkeit nutzen.
Heute, am Freitag Abend, ist auf den Straßen viel los und spätabends kommt noch ein Wagen der Müllab­fuhr vorbei, um den Papierabfall abzuholen. Zwei Männer im Rentenalter holen die Tonnen zum Müllwa­gen. Bei uns in Deutschland wären solche Arbeitszeiten nicht denkbar.

Kilometerstein Null

Kilometerstein Null

14. Juni 2014 Rückflug von Santiago über Mallorca nach Hamburg

Samstag morgen um 7 Uhr kommt der nächste Müllwagen, der die Flaschencontainer leert. Ein Reinig­ungswagen sprüht Wasser auf das Pflaster. Mit Wehmut gehen wir durch die noch ruhigen Gassen von Santiago de Compostela und fahren dann mit dem Bus zum Flughafen. Der Rückflug verläuft planmäßig, bei der Landung auf Mallorca sehe ich die schon verbrannten Wiesen, nur die Golfplät­ze leuchten grün. Am letzten Tag meiner Reise gibt ein Reißverschluss meiner einzi­gen Hose sei­nen Geist auf und die unter­e Hälfte der einen Seite hängt nur noch an einem Zipfel. Die Sicherheitsnadeln liegen tief unten im Ruck­sack. Auf dem Heimweg macht dieses Mal die Bahn Probleme. In Neumünster fährt der Zug nicht weiter und ein Ersatzbus bringt die vielen Reisen­den nach Rendsburg, wo wieder ein Zug weiter­fährt und mich nach Schleswig bringt.

© Hilde Lauckner, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wanderung auf dem berühmten Jakobsweg mit Übernachtung in den Pilgerherbergen
Details:
Aufbruch: 13.05.2014
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 14.06.2014
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Hilde Lauckner berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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