Zwischen Rapsfeldern und Streuobstwiesen

Reisezeit: April / Mai 2017  |  von Herbert S.

Standort Reichelsheim: Heimatmuseum Reichelsheim

In dem Gebäude - 1554 erbaut - befand sich damals im Erdgeschoss eine dreiseitig offene Markthalle.
Mit seinen Mannfiguren - sichtbar zwischen den Fenstern des OG und in der Giebelfassade, den fränkischen Fenstererkern und den genasten Feuerböcken ist das Gebäude das älteste Fachwerkrathaus Deutschlands mit der Mannfigur als Verstrebungsfigur.

Regionalmuseum

Regionalmuseum

Neben Regionaleisenbahn, Postwaggons, Schulzimmer, Gesteinsausstellung gibt es im großen alten Ratsaal noch eine Sammlung von regionalen Handwerksarten. Besonders interessant ist das Schindlerhandwerk, es gibt die verschiedensten Schindeln, Gäulchesmacher stellen aus Holz Gäule her. Auch Lebkuchen in Herzform werden hier hergestellt.

1868 wurde die Erschließung des Gersprenztales durch eine Bahnlinie diskutiert - 1885 der Bahnbetrieb eröffnet

1868 wurde die Erschließung des Gersprenztales durch eine Bahnlinie diskutiert - 1885 der Bahnbetrieb eröffnet

wie sich die Zeiten ändern!

wie sich die Zeiten ändern!

Reichelsheim ist Bergbaugegend - diese kann über zahlreiche Wanderungen erschlossen werden - Suche nach Silber, Eisenerz, Kalköfen - all das ist auf dieen wanderungen zu sehen.

Belegschaft der Wendelschen Gruben

Belegschaft der Wendelschen Gruben

Mangan- und Eisenerz

Mangan- und Eisenerz

Die Abteilung 'Schulmuseum Odenwaldkreis' präsentiert einen Klassenraum aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, wie ich ihn noch erlebt habe.

Klassenraum aus der Mitte des 20. Jahrhunderts

Klassenraum aus der Mitte des 20. Jahrhunderts

ist die Schuldichte um 1900 besser oder die Ausdünnung mit Gesamtschulen?

ist die Schuldichte um 1900 besser oder die Ausdünnung mit Gesamtschulen?

Im restaurierten alten Ratssaal präsentieren sich die regionalen Handwerksarten - außerdem ist Raum für Vorträge und Konzerte gegeben.

Besonders interessant ist das Schindlerhandwerk, es gibt die verschiedensten Schindeln, Gäulchesmacher stellen aus Holz Gäule her. Auch Lebkuchen in Herzform werden hier hergestellt.

Odenwälder Schindler
Schindel, gespaltene Hölzer, wurden bis Mitte des 19.Jahrhundtrts nur zum Bedecken von Dächern benutzt. Dachschindeln waren 30-100cm lang, 8-15cm breit und 0,6-2,5cm dick. Die Hersteilung erfolgte oft von den Bauern selbst. Die wenigen erforderlichen Geräte und Werkzeuge wie Trummsäge, Schnitzbank, Schnitzmesser, Beil und Holzschlegel, waren auf jedem Bauernhof vorhanden.
Erst nach 1850 wurden auch, wie heute noch, Hauswände mit Schindeln verkleidet. Die Berufsbezeichnung Schindler taucht erst Jetzt auf. Laut Gewerbstagebuch der Gemeinde Kirch-Beerfurth (Ortsteil der Gemeinde Reichelsheim) von 1859/64 erhielt erstmalig Adam Dölp ein Gewerbepatent als Schindler, gleichzeitig mit der Eintragung „Lebkuchenbäcker, der nicht ständig backt".

Die Herstellung der Schindeln begann im Wald. Gutes Holz für haltbare Schindeln lieferten Eichen auch Lärchen und Tannen aus astfreien Stämmen. Der Stamm wurde mit der Trummsäge in Stücke zersägt, die schon die Länge der Schindeln bestimmte. Nächster Arbeitsgang war das Zerlegen der Abschnitte in keilförmige Stücke. Mit dem Spalteisen und einem Knüppel riss der Schindler aus dem Holzkeil die Rohschindeln. Diese wurden dann unter den Kopf der Schnitzbank, auf der der Schindler saß, geklemmt und mit dem Schnitzmesser konisch zurechtgeschnitzt. Derart bearbeitete Schindeln lagen auf der Hauswand satt aufeinander und ließen kein Regenwasser durchdringen. Alle Schindeln erhielten mit Hilfe eines Drillbohrers unten zwei Löcher zum Annagein. Diese Arbeit wurde von einer Hilfskraft, der Ehefrau oder einem Kind erledigt. Das untere Ende konnte verschieden gestaltet werden. Ein alter Schindler nannte seine Grundformen „Hirschzunge", „Rund" und „Einszwei".

in der unteren Reihe: 'rund', 'EinsZwei' und 'Hirschzunge'

in der unteren Reihe: 'rund', 'EinsZwei' und 'Hirschzunge'

Odenwälder Gäulchesmacher
Die Arbeit der Holzdreher und der Horndreher wurde immer weniger. Etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts existierte im Fischbachtal und im Gersprenztal nur noch ein einziger Horndreher. Auf einem auswärtigen Jahrmarkt fiel ihm ein Holzpferdchen für Kinder in die Hand. Er versuchte die Form eines Pferdes auf einfachste Art durch Drehen herzustellen. Andere Holzdreher folgten diesem Beispiel. Sie drechselten auch Kasten-, Roll- und Sprossenwägen, Schubkarren und andere Holzspielwaren, vor allem aber Schaukel- und Rollpferdchen. Dies brachte ihnen den Namen „Gäulchesmacher" ein. Großhändler exportierten die Pferdchen nach Hamburg, Köln, Nürnberg, Luxemburg und Straßburg. Deutschland erzeugte um 1900 die meisten Schaukel-, Roll- und Steckenpferde der Welt. Im Bereich Starkenburg/Odenwald gab es 23 Gäulchesmacher mit den Schwerpunkten Fischbachtal (Dörfer um das Schloss Lichtenberg) und Gersprenztal.
Später wurden die Verhältnisse wieder schlechter, der Verdienst sank, das Rohmaterial wurde teurer. Große Fabriken begannen Spielzeug aus Blech und Kunststoff herzustellen. Somit war das Ende der OdenwäkJer Gäulchesmacher besiegelt. Die Zahl der kleinen Betriebe, 'Spielwarenfabriken', wie sie sie nannten, ging stetig zurück. Heute kennt man nur noch den Betrieb „Holzspielwaren - A. Krämer" in Reichelsheim-Beerfurth. Der einzige „Odenwälder Gäulchesmacher" führt seinen Betrieb in der vierten Generation.

Die typischen Merkmale der »Odenwälder Gäulchen" sind der walzenförmige Körper, die steifen Beine (von einem gedrechselten Rundholz abgespalten und im Gegensatz zu den Pferden Thüringens nicht mit Masse modelliert) und vor allem die Bemalung mit dem traditionellen Apfelschimmelmuster, dem roten Sattel und bei Bedarf der blauen Satteldecke.

Die typischen Merkmale der »Odenwälder Gäulchen" sind der walzenförmige Körper, die steifen Beine (von einem gedrechselten Rundholz abgespalten und im Gegensatz zu den Pferden Thüringens nicht mit Masse modelliert) und vor allem die Bemalung mit dem traditionellen Apfelschimmelmuster, dem roten Sattel und bei Bedarf der blauen Satteldecke.

Das Lebkuchenbacken findet nur noch im Herbst statt.

Das Lebkuchenbacken findet nur noch im Herbst statt.

Wanddruckplatten - Tapetenersatz

Wanddruckplatten - Tapetenersatz

© Herbert S., 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Hessen Drei brachte eine ganze Reihe von Sendungen über die Perlen des Landes, die uns Lust machte mal eine Woche im Odenwald zu verbringen.
Details:
Aufbruch: 23.04.2017
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 01.05.2017
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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