Le tour de Bénin

Reisezeit: Juli - Oktober 2007  |  von Julian Schwartzkopff

17. - 23. September: Neunte Woche

Wir sind nicht mehr allein im Büro von ProDOSC. Diesen Montag kam Virgil, der ab jetzt hier die Buchhaltung übernahmen wird. Virgil ist ein Prinz - was so viel heißt, wie dass er eines von unzähligen Kindern der Gbagidi Familie ist, die in Savalou den König stellt. Monique ist auch eine Prinzessin, denn sie kommt aus der gleichen Familie. Nur scheint ihr das nicht ganz so wichtig zu sein wie Virgil. Virgil ist nett und ich teile gerne mein Büro mit ihm (da ist er nämlich eingezogen). Allerdings steckt er immer so ein schreckliches Duftding in die Steckdose, von dem mir ganz übel wird. Außerdem ist er ein bisschen chauvinistisch. Neulich hatten wir eine Frauen-ONG zum Interview da, die echt gute Arbeit machen und in ihrer Kommune ein wahnsinniges Mobilisationspotential haben. UFeDeB heißen sie, Union des Femmes pour le Développement de Boukombé. Bei der letzten Vollversammlung waren weit über 1000 Mitglieder da und sie haben es aufgegeben alle in Namenslisten erfassen zu wollen. Als es an die Nachbesprechung des Interviews ging, hat Virgil jedes Mal betont: "Es ist wahr, sie sind Frauen, aber trotzdem machen sie gute Arbeit." Es war köstlich.

Besagte ONG hat übrigens den Spieß einmal umgedreht: Während (fast) alle anderen ONGs, die wir bis jetzt interviewt haben, einen Frauenbeauftragten haben, verfügt UFeDeB über eine Männerbeauftragte. Diese hat die Aufgabe, den Kontakt zur Männerwelt zu halten und diesen auch teilweise die Angst vor diesem Zusammenschluss ihrer Frauen zu nehmen.

Außerdem habe ich ein Interview mit einer Super-ONG verpasst, die nach Aussagen Nikolais jetzt im Prinzip schon alle Kriterien für eine Partnerschaft mit dem ProDOSC erfüllt. Dafür habe ich die Umsetzung eines Wasserprojekts von GTZ (Gemeinschaft für Technische Zusammenarbeit) und DED verfolgen können - das ist Andreas Projekt, sie hat mich also mitgenommen. Stefan, ihr Bruder, der kurzzeitig angereist ist, war auch dabei. In dem Dorf in das wir fuhren war gerade Markttag. Das erkennt man schon daran, dass überall an den Rändern der Straßen Frauen und Kinder mit Töpfen und Schüsseln voll Waren auf dem Kopf Richtung Markt laufen. Außerdem erkennt man das am Markt, wo ein reges Treiben herrscht. Wir hatten auch sogleich wieder eine Traube Kinder an den Hacken, die völlig zufrieden damit schienen, einfach um uns herumzustehen und uns zu beobachten. Eines der Kinder hatte ein T-Shirt an, auf dem stand: "Grandma and Grandpa went on Alaska Cruise and all I got was this lousy T-Shirt". Second Hand-Kleidung aus Kleiderspenden gibt es hier zu Hauf. Einerseits haben die Leute so etwas zum Anziehen. Andererseits... wie soll sich hier je eine eigene Textilindustrie entwickeln, wenn die Anziehsachen, die wir wegwerfen, konkurrenzlos billig den hiesigen Markt überschwemmen?

Nun gut, wieder zum Wasser: Im Prinzip geht es darum, die Dorfbewohner dabei zu begleiten, Leitungskomitees für ihre eigene Wasserversorgung zu bilden. Das funktionierte in unserem Fall so: Ein privater Investor finanziert eine Brunnenbohrung, nachdem ein Bureau d'études einen Plan für die Bohrung vorgelegt hat. Das Ganze passiert im Rahmen eines staatlichen Wasserprogramms, das Bürgermeisteramt ist also ein weiterer Akteur. Damit die Dorfbewohner, für die der Brunnen gebaut wird, hier jetzt nicht untergehen und von einem dieser vielen Akteuren abgezockt werden, muss ein funktionierendes Leitungskomitee her. Bei der Gründungssitzung eines Solchen war ich dabei. Nachdem den Mitgliedern die Satzung, die verschiedenen Posten - also die Spielregeln des Komitees - erklärt worden waren, ging es an die Abstimmung.

Davor gab es allerdings noch ein weiteres Problem. Eines der Dörfer wollte beim gemeinsamen Projekt nicht mitmachen. Dumm nur, dass es das einzige Dorf war, bei dem auf Grund irgendwelcher geografischer Gegebenheiten (die ich schon wieder komplett vergessen habe) gebohrt werden konnte. Dieses Wasser wird dann nämlich an die Dorfbewohner verkauft. Dafür haben dann alle im Umkreis Wasserhähne, sauberes Wasser und man muss nicht mehr bei bestätig wachsender Bevölkerung ständig neue Brunnen bohren. Sprich: eine dauerhafte Lösung. So, das muss jetzt dem Dorfbewohner erklärt werden, für den logischerweise nicht ersichtlich ist, warum es eine tolle Sache ist, dass er jetzt plötzlich für sein Wasser zahlen muss, dass er zuvor noch für lau aus dem Brunnen bezog.

Um mit Wasser weiterzumachen: Am Wochenende haben wir alle (Nikolai, Andrea, Stefan und ich) einen Ausflug nach Tanougou gemacht. Dort sind Wasserfälle, bei denen ich sogleich ins Wasser fiel. Bevor man den schönen Wasserfall erblicken und im Bergsee baden kann, muss man nämlich durch einen Parcours von glibschigen, von Wasser überflossenen Felsen durch. Und das in der Regenzeit. Und vollbeladen mit Rucksack. Ich setze also meinen Fuß auf einen der besagten Steine, und rutsche ab, knalle hin und bewege mich auf den Abgrund zu. Gut, es war vielleicht ein Abgrund von einem Meter - aber er endete in einem Wasserbecken. In diesem wäre ich auch prompt gelandet, wenn mich nicht ein paar Beniner, die die Touristen hier immer begleiten, festgehalten und mir wieder auf die Beine geholfen hätten. Meine Hose war ziemlich durchnässt, inklusive der Tasche, in der Fotoapparat und Handy drin waren. Denen geht es übrigens beiden noch sehr gut. Tja, Glück gehabt.

On the road to Tanouhou

On the road to Tanouhou

Wasserfall

Wasserfall

Andrea, ich...

Andrea, ich...

... Nicolai, Stefan ...

... Nicolai, Stefan ...

...und meine Retter.

...und meine Retter.

Einmal am Bergsee angekommen, konnten wir dann die schöne Natur des Nordens von Benin bewundern und sind ein bisschen geschwommen. Schöööön. Vor dem Wasserfall und auf dem Weg dahin wimmelte es übrigens vor Peace-Corpslern (ein amerikanischer Freiwilligendienst). Bei den Fällen waren wir dann aber ganz alleine.

Die Nacht verbrachten wir in eine kleinen Bungalowsiedlung, die von einem Exildeutschen betrieben wird: Alfred, ein Franke, der lange Zeit für die GTZ gearbeitet hat um sich dann in Benin niederzulassen um eine Familie zu gründen. Das gute Essen war nach dem anstrengenden Tag grandios. Nachdem wir noch ein bisschen gequatscht hatten begaben wir uns in unsere Betten.

Eine nette Mitbewohnerin im Bungalow

Eine nette Mitbewohnerin im Bungalow

Dort waren wir aber nicht allein. Und ich rede nicht von Nikolai, der neben mir lag. Am Sonntag dann wachte ich von roten Punkten übersäht auf. Die Mücken müssen irgendwie unter das Moskitonetz gekommen sein, um über mich herzufallen. Es war echt unglaublich. Zuerst dachte ich, ich hätte irgendeinen seltsamen Ausschlag. Und Nikolai, der neben mir lag, hat gar nichts abbekommen. Die Welt ist ungerecht.

Nikolai und ich sind dann früher zurückgefahren, weil wir beide noch ein bisschen arbeiten wollten. Er wollte unter anderem ein Referat für eine Fachgruppentagung des DED vorbereiten, die Anfang Oktober in Cotonou stattfindet. Ich wollte schon mal anfangen, meine Hausarbeit zu schreiben, die eigentlich schon längst überfällig wäre, für die ich aber eine verlängerte Abgabefrist heraushandeln konnte. Es geht um den Internationalen Baumwollhandel, der durch heftigste Subventionierung der US-amerikanischen Bauern durch die US-Regierung dermaßen verzerrt wird, dass sich der Weltpreis (nach Angaben der Weltbank) um 26% senkt. Doof für Benin, welches ca. 60% seiner Exporteinnahmen aus Baumwolle bezieht. Ich will die Arbeit "Der Kampf ums weiße Gold" nennen, bin mir aber nicht sicher, ob das nicht vielleicht ein bisschen zu theatralisch wirkt. Klingt ein bisschen wie ein Indiana Jones-Film.

Ich schließe diesen Bericht mit dem Geheimnis wahrer Freundschaft. Die habe ich nämlich an diesem Tag erfahren. Bevor wir nach Hause arbeiten gingen, waren Nikolai und ich noch in einem Restaurant essen. Ich habe Rinderleber mit Champignonsauce gegessen. Es war sehr lecker. Nach einer Weile setzt sich der Wirt, der uns schon kannte, zu uns um mit uns noch die Reste seines gestrigen Saufgelages zu vernichten: Eine halbe Flasche Sodabi (Palmschnaps). Nachdem er in einem Zug ein 0,3 l Glas von dem Zeug weggehauen hat (was echt beeindruckend ist, denn das Zeug brennt wie Vodka) erzählt er uns von einem Franzosen, der schon mal bei ihm gewohnt hat. Dieser sei ein wahrer Freund. Im Übrigen wollte er auch, dass wir seine Freunde werden. Um die Tiefe dieser Freundschaft zu veranschaulichen, erzählte er uns, dass er und der Franzose sich jedes Mal schrieben, wann wie und wo sie welche Art sexueller Beziehung zu wem unterhalten. Also in etwa nach dem Muster: Freitag, 12.46 h, Tisch, Seitensprung, Rote Haare... Das sei es, was wahre Freunde tun. Man lernt nie aus. Bis zur nächsten Woche.

© Julian Schwartzkopff, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Juli bis Oktober 2007 mache ich ein Praktikum bei der afrikanischen NGO Centre Afrika Obota (CAO). Das ist das erste Mal Afrika für mich, abgesehen von einer einwöchigen Clubreise nach Tunesien... Hier werde ich von meinen Erfahrungen berichten.
Details:
Aufbruch: 23.07.2007
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 22.10.2007
Reiseziele: Benin
Togo
Der Autor
 
Julian Schwartzkopff berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.