Le tour de Bénin

Reisezeit: Juli - Oktober 2007  |  von Julian Schwartzkopff

24.Juli.2007: Der Erste Arbeitstag

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, früh aufzustehen, aber dieser gute Vorsatz verfliegt als mein Wecker piept. Gemächlich gehe ich nach einer Weile mit Morvan in die Bäckerei. Ich bestelle und mein französisch wird das erste Mal auf die Probe gestellt. Ich bin unfähig, verständlich zu machen, dass ich nur ein halbes Baguette will und bekomme ein ganzes. Während ich diese Zeilen tippe kaue ich noch immer daran.

Wie dem auch sie, beim Frühstück lerne ich zwei nette Französinnen kennen, die bei der Gemeinschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein 3-wöchiges Praktikum machen. Hier funktioniert mein Französisch zum Glück wieder wunderbar, ich heimse sogar ein Lob ein. Man verabredet sich, um gemeinsam auf den marché dantokpa, den größten Markt Westafrikas (täglicher Umsatz: ca. 1,5 Mio. €), zu gehen und macht ganz altmodisch Zeit und Treffpunkt aus. Funktionierende SIM-Karten für unsere Handys haben wir nämlich nicht. Zwei von vier Netzbetreibern wurde von der Regierung der Saft abgedreht, weil sie die erhöhten Gebühren nicht bezahlen wollten. Dummerweise waren das gerade die, die am Besten funktioniert haben. Die Schwarzmarktpreise für SIM-Karten der beiden verbliebenen Betreiber, übrigens beide staatlich kontrolliert, schossen in astronomische Höhen. Mittlerweile sind sie fast gar nicht mehr zu bekommen. Wie auch immer - die Verabredung konnte ich leider nicht einhalten, weil ich beim CAO bis spät abends beschäftigt war.

Nach dem Frühstück will ich jedoch noch Geld wechseln gehen. Morvan holt mich ab und wir klappern die Wechselstuben von Cotonou ab. Keine kann Euro wechseln. Morvan kommentiert trocken: "Deswegen sind die so arm, die wollen unser Geld gar nicht!". Die Bank of Africa, zu der wir eigentlich wollen, ist nicht zu erreichen, da in der Straße überraschend eine Militärparade abgehalten wird. Beim studieren des Stadtplans fällt mir auf, dass Benin für ein Land mit 7,5 Mio. Einwohnern enorme viele Ministerien hat: ganze 26 nach Morvan! Woran das liegt? Wohl am Klientelismus. In Benin ist Arbeitslosigkeit ein großes Problem und wer einmal eine bezahlte Stelle in der Regierung hat, möchte natürlich auch seinen nahen Verwandten diese Möglichkeit nicht verwehren. Flugs werden neue Stellen geschaffen, die Bürokratie wuchert. Nach einer kleinen Irrfahrt über holprige Schlaglochpisten finden wir dann eine andere Zweigstelle der Bank und während wir eine halbe Stunde darauf warten, dass unser Geld gewechselt wird, werde ich immer nervöser. Gegen zehn sollte ich vom CAO abgeholt werden, mittlerweile ist es schon fast elf. Ich habe jedoch Glück - als wir wieder beim Gästehaus ankommen, ist das CAO noch lange nicht da. In Europa hat man Uhren, in Afrika hat man Zeit.

Schließlich werde ich von einem Guy (beim CAO gibt es zwei Guys) abgeholt. Man zeigt mir kurz die Räumlichkeiten - ich habe sogar ein eigenes kleines Büro mit Internet-Anschluss! Dort verbringe ich dann auch die nächsten zwei Stunden und komme mir etwas unnütz vor, denn es findet gerade eine Konferenz statt. Gebannt lese ich "Je voudrais que quelqu'un m'attende quelque part" von Anna Gavalda. Das Buch beginnt mit einer Zufallsbegegnung auf dem pariser Boulevard Saint-Germain, die sich zu einer romantischen Liebesgeschichte entwickelt. Diese Information gebe ich auf persönlichen Wunsch von Johanna Thumm heraus, die sicherstellen möchte, dass ich statt drögem Universitäts-Kram auch ausreichend schöngeistige Literatur lese.

Dann ist meine Ruhepause auch schon vorbei und nachdem ich mit Serge und dem zweiten Guy, "Papa Guy" genannt, essen war, geht es richtig los. Knapp fünf Stunden lausche ich Besprechungen und unterhalte mich in den Pausen mit den Mitarbeitern. Bisher halte ich mich mit meinem Französisch noch gut über Wasser, aber der Akzente und die schnelle Sprechweise ermüden meine Ohren.

Dann werden mir noch die verschiedenen Projektleiter des CAO vorgestellt - der Plan ist, dass ich während meines Praktikums bei jedem Projekt einmal reinschaue. Fast alle Projekte des CAO drehen sich um die Stärkung der Zivilgesellschaft im Hinterland. Oft kennen die Leute ihre Rechte nicht und sind nicht über ihr Möglichkeiten aufgeklärt. Damit zum Beispiel eine Trinkwasserpumpe funktioniert, muss den Leuten beigebracht werden, diese zu entsprechend zu verwalten - also Verantwortliche zu ernennen, Wasser zu verkaufen und Geld für nötige Reparaturen auf die Seite zu legen, etc. Sehr gern wäre ich direkt Morgen zu diesem Trinkwasserprojekt sur le terrain mitgegangen, aber das darf ich noch nicht - die Mitarbeiter übernachten dort acht Tage in ländlichen Dörfern, wo die Leute kein französisch sprechen. Selbst für die Mitarbeiter des CAO ist das eine große Umstellung. Später werde ich dort aber sicherlich noch vorbeischauen.

Serge bringt mich zurück zum Gästehaus, jetzt bin ich wirklich erschöpft. Ich bitte ihn allerdings, mich morgen nicht mehr abzuholen: Ich will mit einem "zémidjan" fahren, einem Roller-Taxi. Das ist in Cotonou das gebräuchlichste Fortbewegungsmittel und ich will mich nicht jeden Tag kutschieren lassen. Ich lege mich ins Bett mit dem sicheren Gefühl, dass das noch viel komplizierter ist, als ich mir gedacht habe, das mit der Entwicklung.

© Julian Schwartzkopff, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Juli bis Oktober 2007 mache ich ein Praktikum bei der afrikanischen NGO Centre Afrika Obota (CAO). Das ist das erste Mal Afrika für mich, abgesehen von einer einwöchigen Clubreise nach Tunesien... Hier werde ich von meinen Erfahrungen berichten.
Details:
Aufbruch: 23.07.2007
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 22.10.2007
Reiseziele: Benin
Togo
Der Autor
 
Julian Schwartzkopff berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.