Le tour de Bénin
Ein Tag Lomé (10.Okt)
Nachdem mich die DED-Direktorin mit ihrem Chauffeur frühmorgens am DED-Büro abgeholt hatte und wir an der togolesischen Grenze angekommen waren, erwartete mich eine unangenehme Überraschung: mein Benin-Visum war schon abgelaufen! Das war das Letzte, an das ich bei den Reisevorbereitungen gedacht hatte. Mir musste also erstmal rückwirkend ein Transitvisum von 2 Tagen ausgestellt werden, damit ich überhaupt über die Grenze konnte.
In dieser kafkaesquen Situation - unruhig vor der ausdruckslosen Miene des Beamten sitzend, während die gefühlslose Mühle der Bürokratie über mein Schicksal entscheidet: illegaler Einwanderer oder nicht? - ereignete sich etwas sehr Literarisches. Wie ein Stilmittel in einem Roman krabbelte plötzlich eine Spinne mit riesigen Kieferwerkzeugen von unter der Tischplatte hervor und machte einen Parallelismus zu meinem Handlungsstrang auf. Sie begann langsam und bedächtig, sich an eine Fliege heranzupirschen, die ihr mehrmals geschickt auswich. In einem Moment der Unachtsamkeit schnappte die Spinne dann zu und klappte die Fliege mit ihrem Mundwerkzeug zusammen, um sie dann genüsslich zu zermalmen. War das ein Zeichen? Symbolisierte das die Situation in der ich mich gerade befand? Und wer war dann die Spinne, wer die Fliege? Jedenfalls gab es keine weiteren Probleme und meine wirren Gedanken wurden unterbrochen: ich bekam mein Visum.
Zurück zu Togo: Schon beim Durchfahren durch das Land fallen einige Unterschiede zu Benin ins Auge. Der erste: Es gibt viel weniger geschmuggeltes Pansch-Benzin. Kein Wunder, das Land ist ja noch weiter von der Nigerianischen Grenze entfernt, die hohen Transportkosten machen den Schmuggel also eher unrentabel. Auch innerhalb von Benin kann man beim Autofahren Richtung Nigeria beobachten, wie das Benzin etappenweise immer billiger wird. Zweiter Unterschied: keine ONGs. Gut, vielleicht nicht so überraschend, dass die Zivilgesellschaft in einer Diktatur, wo die letzten Wahlen blutig geendet sind, nicht die Aktivste ist. Es hängt aber auch damit zusammen, dass aufgrund der Situation im Land weitaus weniger Geldgeber präsent sind: Man will ja keinen Diktator unterstützen. Zumindest nicht, wenn es in seinem Land keine wichtigen Bodenschätze gibt. Gut, das stimmt auch nicht ganz, denn Togo produziert eine Menge Phosphat. Aber zurück zu den Gebern: In Benin ist die Geberpräsenz ja einer der Hauptgründe für die vielen ONG-Gründungen, denn in den meisten Fällen sind die Projekte, die sie ausführen ja von außen finanziert. Wenn man durch die Straßen fährt sieht man viele Schilder, die auf ONGs hinweisen. In Togo sah ich kein einziges. Seltsamerweise scheint es dem Land trotzdem nicht sonderlich viel schlechter zu gehen als Benin... Auch wenn dieses Urteil zugegebenermaßen sich nicht auf Fakten und Indikatoren stützt, sondern nur auf die Beobachtungen einer einstündigen Autofahrt.
Mein Hotel in Lomé hatte ich mir schon vorher rausgesucht: "Le Galion", eine nette von Schweizern geführte Herberge mit Spitzenküche. Hier habe ich zum ersten Mal seit jetzt fast 3 Monaten ein richtiges, saftiges Steak gegessen. Außerdem ist es nicht teuer, die Zimmer sind sauber und die Betten bequem. Ich bin zufrieden. Nach einer kurzen Ruhepause und besagtem Steak mache ich mich erstmal an die Erkundung der Stadt. Lomés Straßennetz ist sehr viel klarer strukturiert als Cotonous - deutsche Qualitätsplanung eben. Nagut, das war gemein. Togo, oder "Togoland", wie es damals hieß, war bis zum Ersten Weltkrieg eine deutsche Kolonie, bis die Franzosen und Engländer diese den Deutschen abgeknöpft und unter sich aufgeteilt haben.
Mir fällt noch ein Unterschied ein: In Togo benutzt man zwar auch regelmäßig Moto-Taxis, aber das ist hier im Gegensatz zu Cotonou anscheinend nicht gesetzlich geregelt. Man wird also vergeblich nach gelben Hemden Ausschau halten - dafür sind die Fahrer so nett, durch Anpfeifen oder Hupen auf die Möglichkeit einer kostenpflichtigen Mitnahme aufmerksam zu machen. Es ist bizarr, die Fahrer scheinen ihre eigene Stadt nicht zu kennen. Jedenfalls weitaus schlechter als die Zemidjans in Cotonou. Mehrmals ist es mir passiert, dass ich mit meiner Karte den Weg erklären musste. Mit und nicht anhand meiner Karte übrigens, denn Karten werden hier generell nicht zur Orientierung benutzt.
Unter anderem besuchte ich den Fetischmarkt in Lomé. Wer jetzt an Lack und Leder denkt liegt leider falsch. Es handelt sich um Voodoo-Fetische, also Talismane. Auf mehreren Tischen sind Teile von Kadavern aller denkbaren Tierarten in unterschiedlichen Stadien der Verwesung ausgebreitet. Erfreut stelle ich fest, dass der Markt von Beninern betrieben wird. Vermutlich weil ich aus Benin komme, macht mir der nette Führer einen Sonderpreis. 3000 F CFA billiger als in meinem Reiseführer angegeben. Nimm das, LonelyPlanet. Äh, weiter im Text. Schutzzauber, Liebestränke, Potenzmittel... eigentlich lässt sich mit Voodoo alles machen. Zwischendurch schaut auch ein Elefantenfuß aus dem Repertoire hervor. Sind die nicht vom Aussterben bedroht? Mein Führer antwortet: Ja, seien sie zwar, aber da gäbe es sehr strenge Regularien, wie viele im Jahr gefangen werden dürfen. Mir ist trotzdem noch etwas mulmig, denn laut Reiseführer (ich hatte selbst keine Zeit, mir das anzuschauen) sind die Nationalparks von Togo fast entvölkert - dank Wilderei.
Zum Abschluss werde ich in eine dunkle Kammer zu einem Voodoo-Priester geführt. Die diversen Utensilien, die ihn umgeben sind nur schemenhaft erkennbar. Vielleicht auch besser so. Jetzt werden mir die verschiedenen Talismane vorgeführt. Ich entscheide mich für einen Reisetalisman, weil mein Programm noch mehrere Grenzüberquerungen und die Beobachtung der Wahlen in Togo vorsieht. Wahlen in einer Diktatur, da kann man nie so recht wissen, was passiert. Ein bisschen Glück kann ja nicht schaden. Das Ding heißt "Telefontalismann" und sieht ein aus wie ein Dübel mit langem ledernen Schwanz, an dem wiedrum ein Holzsplitter befestigt ist. Seine Wünsche für die Reise spricht man in den geschnitzten Mund des Dübels und steckt dann schnell den Splitter hinein. So bleiben die Wünsche im Talisman bis zum Ende der Reise. Später hat mir ein Togolese erzählt, dass das Ding auch als Liebeszauber benutzt werden kann: Man muss nur den Namen der Geliebten hineinsprechen. Muhahaha, ungeahnte Möglichkeiten eröffnen sich.
Beim Rausgehen entdecke ich noch einige, mit Nägeln gespickte Puppen: Die typische Voodoo-Puppe unserer Vorstellung. Was diese denn bewirke, frage ich. Der Führer winkt verächtlich ab: Das ist für die Touristen, das bewirkt gar nichts.
Abends wieder im "Galion" hatte ich dann noch eine sehr interessante Unterhaltung mit einem marokkanisch/französischen Journalisten. Ein ziemlicher Zyniker, fand ich, aber sehr interessant (er hatte auch Politikwissenschaft studiert). Er schien mir geradezu eine Entscheidungsschlacht zwischen westlicher Welt und dem Islam herbeizusehnen - nur mit Gewalt sei das internationale System zu ändern, das ja nach dem Zweiten Weltkrieg von und im Interesse der westlichen Welt aufgebaut wurde. Zumindest konnte er alles was er sagte sehr gut begründen. Am Schluss hat er mir noch ein bisschen Angst gemacht, was die Wahlen betrifft. Er erwartet erneut ein Blutbad. "Das ist die letzte Chance der Regierung, die Macht an sich zu reißen. Die Armee untersteht direkt der Familie des Diktators. Alors, qu'est-ce que tu penses?".
Ja, was denke ich? Ich hab noch lange darüber nachgedacht, ob es wirklich klug ist, für die Wahlen nach Togo zu gehen. Ich bleibe bei meiner Entscheidung - es wimmelt hier von EU-Beobachtern, die Zeitungen (auch internationale) erwarten einen friedlichen Ausgang, außerdem ist es nicht mehr der gleiche Diktator, der bei den letzten Wahlen militärisch eingegriffen hat, sondern sein Sohn. Von der Armee die Wahlkommission besetzen und die Resultate verkünden zu lassen wäre für das Regime ein PR-Debakel sondergleichen. Außerdem: wenn das Regime keine Lust auf demokratische Wahlen hat - warum dann erst damit anfangen? Die Macht des neu gewählten Parlaments wird ohnehin nicht so groß sein, dem Diktator ernsthaft gefährlich werden zu können. Es wird schon alles gut gehen. Aber ein mulmiges Gefühl bleibt.
Aufbruch: | 23.07.2007 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 22.10.2007 |
Togo