Le tour de Bénin
27.Aug. - 2. Sept.: Nicht 5. sondern 6. Woche
Dies war meine letzte Woche im Büro des CAO in Cotonou. Das Abschiednehmen - wenn auch nur für einen Monat - war schon ein bisschen traurig. Dabei ist es nur ein Vorgeschmack, denn ich komme ja wieder zurück in die große Stadt. Der richtige Abschied kommt ja erst noch.
Am Sonntag ging es jedenfalls mit Confort Lines nach Natitingou. Ja, ich fange den Bericht diesmal von hinten an. Ich habe Lust darauf. Natürlich habe ich direkt meinen Bus verpasst. 5 Minuten nach 7 war ich da. 5 Minuten zu spät. Wer kann denn auch wissen, das der Bus das einzige ist, was in diesem Land pünktlich kommt? Nachdem wir im Auto eines Cousins (glaube ich) meines Gastvater erst erfolglos versucht haben, besagten Bus einzuholen, habe ich schließlich resigniert einen anderen Bus nach Parakou genommen, und von dort nach Natitingou. Sprich: ein riesen Umweg. Zumindest hat mir das die Gelegenheit gegeben, "L'etranger" von Albert Camus zu lesen. Das ist eine Geschichte von einem, dem die Beerdigung seiner Mutter egal ist und der dann einen Araber erschießt, weil ihn die Sonne blendet. Deswegen wird er dann hingerichtet. Ich bin jetzt übrigens Existenzialist.
Im Übrigen war die Busfahrt tatsächlich erstaunlich "confortabel". Es gab sogar Sandwiches und Wasser an Bord. Außerdem hatte jede Person genau einen Sitz ganz für sich allein. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. In ein typisches Buschtaxi, dem Modell nach eigentlich ein 5-Sitzer, passen hier locker 9 Leute.
Am frühen Abend kam ich dann im eher ländlichen Natitingou an. Wer in Google Earth danach sucht, wird entdecken, dass die Stadt im Wesentlichen aus einer einzigen geteerten Straße besteht, um die herum sich meist steile Feldwege in die umliegenden Hügel schlängeln. Jedes Auto, das kein Jeep ist, ist hier hoffnungslos verloren.
An der Bushaltestelle erwartete mich schon Nikolai, dem ich es verdanke, mein Praktikum hier machen zu können. Ich wohne auch bei ihm, was ganz angenehm ist - zur Abwechslung mal mit Dusche und eigenem Zimmer. Er arbeitet vor Ort in einem DED-Programm, das sich gerade in der Aufbauphase befindet. Doch dazu im nächsten Kapitel mehr. Am Abend meiner Ankunft waren wir mit Andrea essen. Ein bisschen wie an meinem ersten Tag überhaupt in Benin (Kapitel 2, wer sich erinnert). Es gab Ignam pilée, eine lokale Spezialität. Ignams sehen ein bisschen aus wie große haarige Kartoffeln und schmecken auch ähnlich. Pilée sieht das ganze dann ein bisschen aus wie fester Kartoffelbrei. Dazu gab es Tchoucutou, ein alkoholisches Getränk auf Hefebasis. Gut genährt, gut angetrunken und gut angekommen fiel ich schließlich in meinem eigenen Bett in einen tiefen Schlaf.
Dabei war der Anfang der Woche auch nicht zu verachten. Beim CAO z.B. begann die Planungsphase eines neuen Projektes. Der Partner und Geldgeber ist die Feindstiftung, die von K..., K..., Ko... n-nrad Adenauer. Es geht um soziale Marktwirtschaft und an den afrikanischen Realitäten vorbei. Das ist zumindest meine Meinung. Zuerst wurde in Burkina Faso ein Seminar veranstaltet, in dem deutsche Professoren, extra aus Münster oder so eingeflogen, Vertretern des CAO und einer anderen regional tätigen NGO erklärt haben, was das so ist, die soziale Marktwirtschaft. Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus und der ganze Kram. Wie bei uns in der Schule. Danach setzen sich dann die einzelnen Länderbüros zusammen und überlegen, was sie denn so tun könnten, um die soziale Marktwirtschaft zu propagieren. Das ist nämlich der Wunsch der Stiftung.
Am Donnerstag fand die entsprechende Sitzung im CAO statt, und Marino berichtete zuerst von seinen Erfahrungen beim als Entsandter des CAO. Was denn NGOs überhaupt mit sozialer Marktwirtschaft zu tun hätten, frage ich in der Diskussion. Das sei doch eigentlich vielmehr Aufgabe des Staates. Man könne zumindest dafür sensibilisieren, diese Möglichkeit ins Gespräch bringen, kommt die Antwort. Als mögliche Aktivitäten werden am Ende der Sitzung folglich auch festgehalten: Ausbildung von Journalisten, eine Annonce in der Zeitung oder eine Dokumentation, die den deutschen Kontext mit dem beninischen vergleicht.
Letzteres halte ich zunächst für das einzig sinnvolle, denn es handelt sich um zwei völlig verschiedene Systeme. Abgesehen davon unterstehen die westafrikanischen Staaten durch IWF, Weltbank und die Einbindung in die EPA Verhandlungen einem erheblichen Liberalisierungsdruck - realistischerweise ist eine soziale Marktwirtschaft nach unserem Modell hier keine Alternative. Wenn man die NGOs vor Ort mal fragen würde, was so die dringendsten Probleme des Landes sind und welche Projekte sie gerne fahren würden... Vermutlich würde man eher nicht hören: "Oh, also wir haben uns gedacht wir propagieren ein Wirtschaftsmodell, dass in Deutschland unter ganz spezifischen Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg entstanden ist und dort momentan schon wieder zurückgeschnitten wird, um in unserem völlig anderen wirtschaftlichen Kontext unsere Regierung zu dessen Einführung ermahnen, zu der sie beim besten Willen nicht fähig ist." Zwar kann man immer sagen, dass es eine tolle Sache ist, Wachstum mit sozialer Sicherung und gerechter Umverteilung zu vereinen - das ist es ja auch! Aber das ist dann ja der Minimalkonsens. Das würde hier jetzt schon niemand bestreiten. Und das - oh Wunder - ganz ohne die soziale Marktwirtschaft.
Ich frage mich sowieso, warum die KAS hier jetzt unbedingt versuchen muss, die soziale Marktwirtschaft einzuführen, wo die CDU sie doch in Deutschland abschaffen will. Ich finde das ganze etwas über das Knie gebrochen. Nicolai meint, dass es sich dabei um ein Manöver zur Profilschärfung der Stiftung in der Region handelt. Nur damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Mich regt dieses Projekt etwas auf, insgesamt leistet die KAS aber gute Arbeit vor Ort - z.B. finanziert sie "Entre Nous", die zweiwöchentliche Infosendung des CAO. Auch sind die Fronten zwischen den Stiftungen hier bei weitem nicht so verhärtet wie in Deutschland. Politische Differenzen im Heimatland verlieren so weit weg an Bedeutung.
Apropos: Das Seminar der Radiojournalisten in der Friedrich Ebert Stiftung ist am Freitag zu Ende gegangen. Im Großen und Ganzen würde ich es als vollen Erfolg einschätzen. Ich wurde wieder zum Urkunden-Übergabe-Maskottchen gemacht, aber das kenne ich ja mittlerweile. Außerdem habe ich da einen netten Radiojournalisten aus Natitingou kennen gelernt, mit dem ich mich in den nächsten Wochen sicherlich noch einmal treffen werde.
Gute und schlechte Nachrichten von der Foto-Front: Leider ist die Internetverbindung hier ziemlich langsam und ich habe auch nicht regelmäßig Zugang, weil ich keinen Anschluss in meinem Büro habe. Fotos hochzuladen ist also momentan schwierig. Dafür konnte ich meine kaputte Speicherkarte bei schlechter-Service-und-kaputtes-Equipment-für-viel-Geld "Zoom Foto" umtauschen. Die Fotos konnten aber nicht gerettet werden. Zuerst wollten die Scharlatane die neue Karte nicht rausrücken: Ich sei zu spät gekommen, angeblich hätte es eine zwei Wochen Frist gegeben und überhaupt könne ich die Karte ja selbst kaputt gemacht haben. Dank meines mittlerweile beträchtlich gewachsenen Verhandlungsgeschicks ging ich nach 15 Minuten zähen Ringens jedoch mit einer neuen Karte aus dem Abzockerladen. Haha! Wie ich in einem anderen Fotogeschäft herausgefunden habe, habe ich sicherlich 45€ zuviel für den Apparat bezahlt. Dass ich dem (Saft)Laden jetzt zusätzliche Kosten von ca. 40€ verursacht habe, erfüllt mich mit großer Genugtuung.
Samstag war dann mein letzter Tag. (Genau genommen habe ich den Bericht nicht chronologisch von hinten angefangen, sondern die Tage so durchgewürfelt, dass ich mit Sonntag anfange und mit Samstag ende. Das ist ein anerkanntes literarisches Stilmittel.) Wie auch immer - am besagten Tag hatte ich mir entsprechend viel vorgenommen: Ich wollte z.B. beim Dreh einer Episode von "Entre Nous" dabei sein. Um 8 Uhr hätte ich da sein müssen. Dumm nur, dass es stundenlang regnete. Ich blieb jedenfalls erstmal eine Ewigkeit zuhause und der Filmdreh fiel ganz aus. Als der Regen es dann endlich zuließ besuchte ich Arlette und Zacharie und wir schauten uns "Racines" (Wurzeln) an, eine Serie über einen Afrikaner, der versklavt wird. Eigentlich wollten wir noch an den Strand gehen, um das berüchtigte Foto in den Wellen neu zu schießen, das sich die Meeresgöttin vor ein paar Wochen mitsamt meiner Kamera genauer ansehen wollte. Dafür war das Wetter auch zu schlecht, toller Abschlusstag.
Am Abend war ich dann noch ordentlich mit Armel einen drauf, oder einen "chaud" machen. Um 4 Uhr schmiss ich mich todmüde ins Bett und stellte mir meinen Wecker auf 6 Uhr, damit ich meinen Bus ja nicht verpasse. Viel hats gebracht.
Aufbruch: | 23.07.2007 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 22.10.2007 |
Togo