Le tour de Bénin
25. - 29.Juli.2007: Der Rest der ersten Woche
In meiner ersten Woche hier habe ich viele interessante Erfahrungen gemacht. Außerdem ist am Sonntag endlich das Wetter schön geworden. Doch zuerst zwei Korrekturen:
1. Das Internet hat sich in Benin doch schon sehr viel weiter ausgebreitet, als ich anfänglich gedacht hatte. Die größeren Städte sind in der Regel angeschlossen und die Geschwindigkeit ist zumindest in Cotonou auch in Ordnung.
2. Die Handy-Affäre ist noch komplizierter als ich annahm. Die beiden Handybetreiber, die vom Netz genommen wurden, wurden erst vor kurzem aufgekauft. Es sind also zwei neue Player im Spiel: MTN, ein südafrikanisches Mobilfunkunternehmen und irgendeine asiatische Firma. Die Regierung unter Yayi Boni hat das zum Anlass genommen, die alten Lizenzen neu zu verhandeln. Diese waren nämlich bei der Vorgängerregierung nach einigen Mauscheleien völlig unter Preis rausgegangen - sprich: Korruption. Nach Darstellung der Regierung haben die Unternehmen nicht kooperiert, also wurde ihnen rigoros der Saft abgedreht. Einerseits kann man Yayi Boni jetzt nun wirklich nicht vorwerfen, dass er das mit der "Bonne Gouvernance" und Korruptionsbekämpfung nicht Ernst nehmen würde. Andererseits hat er so einfach mal die Hälfte der beninischen Bevölkerung vom Netz getrennt. Und hier brauchen auch die Ärmsten ihr Handy, z.B. Handwerker, die auf Auftrag arbeiten. Wie dem auch sei, ich habe mir jetzt zu völlig überzogenen Schwarzmarktpreisen eine SIM-Karte von Bell Benin gekauft und bin so wieder angeschlossen - dank Arlette, der Leiterin des DED-Gästehauses, die da wen kennt, der wen kennt. Allerdings sind die Netze noch oft völlig überlastet. Neulich habe ich geschlagene 35 Minuten gebraucht, bis ich mit einem Anruf durchgekommen bin.
Zém Fahren macht übrigens einen Heidenspaß! Es gibt hier sicher einige Tausend und sie flitzen unaufhörlich durch die Straßen und umschwirren die Autos wie Fliegen. Man hält eins an und wird abgesetzt wo man möchte. Wenn ich auf die Straße trete, muss ich selten länger als 30 Sekunden auf mein Zém warten. Dann wird erst einmal um den Preis gefeilscht. Jovos (Nicht-Schwarze) zahlen sonst doppelt. Statt Nummernschildern haben viele Zéms Glaubensbekenntnisse à la "Dieu nous regarde" und "Jesus, je t'aime". Sehr beruhigend. Bei dem hiesigen Fahrstil ist das aber vielleicht gar nicht so dumm. Zém Fahren ist jedoch bei weitem nicht "plain suicidal", wie mein LonelyPlanet behauptet. Die Beniner kommen so schon seit Jahren von A nach B. Vielmehr beginnt so jeder Tag mit einem kleinen Abenteuer. Das treibt Adrenalin ins Blut und Abgase in die Lunge. Manchmal wecken "vermummte" Fahrer mit Mütze, Sonnenbrille und einem Kopftuch um Mund und Nase unangenehme Assoziationen mit dem Schwarzen Block. Wer hier so fährt, tut aber gut daran, denn das schützt gegen die Abgase.
Beim CAO habe ich mich mittlerweile auch ganz gut eingelebt. Leider konnte ich noch nicht ins Terrain mit, aber diese Woche wirds wohl klappen. Dafür habe ich an Sitzungen zur Ausarbeitung eines EU-Projektantrags teilgenommen, habe Texte für einen Frauenkalender (Agenda de la femme) mit Korrektur gelesen und viel über Mikrokredite gelernt. Man glaubt gar nicht, was für ein kompliziertes Konzept die "caution solidaire" ist, die sich in der Praxis so einfach anhört: Man gibt Kredite nicht an Individuen, weil Zahlungsfähigkeit und Zuverläßigkeit so nicht gegeben ist, sondern an Gemeinschaften, die dann untereinander für die Rückzahlung und Verwaltung des Kredits verantwortlich sind. Solidarische Kaution eben. Was aber, wenn die Mitglieder dieser Gemeinschaft in ihrem Leben nie gelernt haben, wie man ordentlich Buchhaltung führt? Oder wie man schreibt? Um mit solchen Problemen umzugehen, produziert das CAO manchmal Comics, ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als tausend Worte. Die Idee finde ich total genial. Momentan lese ich eine Geschichte zum Wahlverhalten des guten Bürgers - mit überraschend viel Action.
Glücklicherweise habe ich jetzt auch eine Gastfamilie gefunden. Wieder dank Arlette, deren Mann einen Onkel hat, der bereit ist mich aufzunehmen. Letzten Samstag habe ich dort vorbei geschaut, und es hat mir sehr gut gefallen. Die Familie ist vor zwei Jahren vor dem Bürgerkrieg in Côte d Ivoire geflüchtet und hat ein für beninische Verhältnisse ganz nettes Haus. Ich teile mir ein Zimmer von ca. 3 Mal 2 Metern mit dem Sohn der Familie. Das Möbiliar besteht aus zwei Matratzen und einem Schrank. Außerdem gibt es im Haus eine Dusche und ein Klo. Hier werde ich jetzt den August wohnen, bis ich nach Natitingou aufbreche. Die Familie ist super lieb, ich wurde sehr warmherzig aufgenommen und Pierre, der Vater, hat angeboten mir alles zu zeigen. "Ca ne me derange pas", betont er immer.
Nachdem wir am Samstag bei der Familie waren, hat mich dann noch Zaccharie (Arlettes Mann) zu sich nach Hause eingeladen. Das Wohnzimmer war kleine, aber hübsch eingerichtet und außerdem prall gefüllt mit Kindern. (Nagut, es waren fünf - davon allerdings nur zwei von Arlette und Zacharie). Wir haben Rambo II auf französisch geguckt. Es gibt nichts Lustigeres als russische Bösewichte, die mit russischem Akzent Französisch sprechen. Mir wurde auch was zu Essen gemacht: Brot mit Kakao. Das war toll, weil ich an dem Tag noch nicht gefrühstückt hatte. Die Beniner sind unglaublich gastfreundlich. Einige der Kinder haben meine weiße Haut bestaunt und meine Knie angefasst, um zu sehen ob das auch alles echt ist. Ich wurde jedem vorgestellt; Verwandten, Angeheirateten und sonst noch jedem, der zufällig gerade in der Nähe war. Als Weißer ist man hier eben manchmal eine kleine Sensation. "Jovo, Jovo" hört man auch ab und zu, das ist hier aber nicht böse gemeint. Trotz aller menschlichen Wärme ist auch hier die Armut unübersehbar. Das Gemeinschaftsklo ist ein Eimer vorm Hühnerstall und der gesamte Hof war überschwemmt vom Regen der Vortage. Um die hinteren Hütten zu erreichen, muss man über Trittsteine balancieren um nicht Baden zu gehen. Eine Kanalisation gibt es hier nicht.
Am selben Abend war ich dann noch mit Morvan bei Andre, einem Koordinator des DED, der gerade einen deutschen Praktikanten da hat: Federico. Wir haben einige einheimische sehr nette Bars abgeklappert und haben uns dann entschlossen, in einen Club zu gehen. WOW, das muss man sich echt mal gegeben haben. Ein paar Dinge vorneweg: Die Clubszene ist sehr europäisch geprägt, afrikanische Songs hört man nur selten. Den Spaß kann sich hier auch nur die Upper Class leisten. Der Eintritt kann locker 10 000 FCFA kosten, das sind 15 €. Jovos kommen natürlich kostenlos rein - eigentlich ziemlich ungerecht. In den Clubs geht es um einiges heißer her als in Europa. Besonders als Weißer zieht man Mädchen an wie ein Magnet.
Zuerst sind wir ins "New York, New York" gegangen. Schon der Name deutet subtil an, für wen dieser Club bestimmt ist. Ich kam mir ein bisschen vor wie in einem Puff. Überall sieht man Jovos eng an eng mit wunderschönen Beninerinnen um den Hals tanzen. Manchmal auch gleich mit zweien auf einmal. Manchmal auch inklusive wilden Zugenküssen. Und einige von denen waren eigentlich schon so einige Jahrzehnte über das Disco-Alter hinaus, hätte man denken sollen. Aber nein, hier ist alles möglich! Danach sind wir dann ins wesentlich angenehmere "Makooba" gegangen. Mehr Beniner, weniger alte Säcke. Trotzdem natürlich noch immer ein Club der Reichen, aber wenigstens kein Abschleppladen für Weiße. Wie dem auch sei - ich stand vor einem moralischen Dilemma. Einerseits will man sich nicht als europäischer Playboy aufführen. Die Grenze zur Prostitution ist hier fließend. Trotzdem ist Benin noch lange nicht Thailand und es wird auf der Tanzfläche niemand zu etwas gezwungen. Nach einer Weile hab ich es dann aufgegeben, mich mit Gewalt gegen feminine Annäherungsversuche wehren zu wollen und mich unter die Menge gemischt.
Abschlieend haben wir uns dann noch Federicos Wohnung angeguckt. Er hat 3 Zimmer plus Bad und Küche für sich. Ich bin ein bisschen neidisch, mit meinem halben Zimmer.
Am Sonntag haben wir alle erstmal ausgiebig geschlafen und sind dann zum berühmten "marché Dantokpa gegangen. Es war ein bisschen enttäuschend, weil viele Stände zuhatten, aber das Highlight waren halbverrottete Affen-, Schafs-, Schweine- und Pferdeschädel, die man hier für Voodoo-Rituale benutzt. Dann sind wir noch an den Strand gegangen und haben bei André gekocht.
So, damit ist diese Rückschau auf meine erste Woche auch schon fast zuende. Ich werde von nun an versuchen, am Ende jeder Woche einen neuen Bericht zu verfassen - dieser kommt ja nun reichlich spät! Noch eine letzte Ansage: Vanessa ist die glückliche Gewinnerin des Sonderpreises! Ich hab noch keine Ahnung, was das sein wird... Aber ein Pferdeschädel scheint mir eine gute Idee zu sein...
Aufbruch: | 23.07.2007 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 22.10.2007 |
Togo