2 Jahre China

Reisezeit: März 2009 - April 2011  |  von Katrin Link

das Ende von 2009 und der Anfang von 2010

20. Januar 2010: Soooooooooooooo..... mal wieder ne ganze Weile her.... 1.) Ich wohne nicht in Chongqing, sondern bei Chongqing, in Beibei, 50 km weit entfernt. 2.) Es ist kalt, nicht kälter als anderswo auch in der Jahreszeit, aber das Problem ist, dass es drinnen meist kälter ist als draußen (offene Fenster überall, schlechte Isolierung), das führt zu 3.) Seitdem ich hier bin friere ich, was dazu führt, dass ich ständig erkältet bin. 4.) Es ist kalt weil ich zu weit im Süden wohne. Süden = warm= keine Heizung nötig, deshalb wird 5.) nur mit der Klimaanlage geheizt, was kalte Füße und einen warmen Kopf zu folge hat. Dies führt zu Folgeerscheinungen von 3.),nämlich dauerhaft Stirn und Nebenhöhlen verstopft zu haben, Resultat von allem gerade jetzt: Kopfschmerzen.
Ich hab meistens drei Lagen Kleidung an meinem Körper, auch Nachts. Irgendwie hab ich mir ein subtropisches Klima anders vorgestellt. Immerhin: der Campus ist noch relativ grün. Der weitere aktuelle Stand: Ich hab seit drei Tagen kein Wasser,was mich jetzt aber nicht so doll stört. Man schwitz ja nicht, wenns kalt ist. Meine Haare bräuchten ganz dringend ne Wäsche, aber das halt ich auch noch bis morgen aus, denn morgen soll ich angeblich wieder Wasser haben und außerdem ist es eh egal, wie ich aussehe. Ich hab eben mein zweites Fahrrad gekauf. Mein erstes (es war so schön pink mit weißen Schutzblechen) ist mir gestern geklaut worden.

Ich habe schon mehrmals daran gedacht, einen Bericht anzufangen, aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt. Die Frage ist: Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wenn ich völlig überfordert bin mit allem? Wenn ich mich gut fühle? Es würde jedesmal ein falsches Bild zeigen. Ich habe ständig Gedanken, die es Wert sind, aufzuschreiben. Wäre mein Gehirn an eine Schreibmaschine angeschlossen, ich hätte ich den letzen Monaten einen Bestseller geschrieben, aber sobald ich versuchen, alles runter zu schreiben, ist auf einmal alles weg. Außerdem verbringe ich meine Abende im Moment gerne früh im Bett.

Aber von Anfang an! Wer auch immer gesagt hat, jeder Anfang ist schwer hat recht gehabt. Mein Anfang hier hat Tonnen gewogen. Am Anfang war ich mehrmals an der Verschweiflungschwelle und befand mich in meiner zweiten Kultur-Schock-Starre. Zwischen Peking und diesem Ort liegen Welten. Hier angekommen stand ich mit zwei Koffern und zwei Postkisten Abends in meiner neuen Wohnung und hab erst mal ausgepackt. Am zweiten Tag, alles näher bei Licht betrachtet, dachte ich erst mal über einen Putzdienst nach. Ich hab aber dann aber angefangen selber sauber zu machen. Bei dem Versuch, die Küche sauber zu machen, bin fast vom Küchenschrank gefallen, weil mir zwei Kakerlaken entgegengekommen sind. Ich hab es dann noch mal versucht, dann aber aufgegeben. Am dritten Tag hab ich dann Spray gekauft, weil mir gesagt worden ist, dass wäre das beste Bekämpfungsmittel. Also: Ich räuche die ganze Küche ein, schließe die Küchentüre und schaue durchs Fenster was passiert. Was ich dann sehe (dem Tode entrinnende Kakerlaken, die aus allen Ecken gekrochen und gefallen kommen) lässt mich zu dem Schluss kommen, eine Flasche Rotwein zu öffnen und die Küche bis auf weiteres nicht mehr zu betreten. Ich kam an den Punkt, an dem ich mit Baby Olga gesprochen habe, die vier Blätter Ableger meiner Pflanze Olga2 in Peking (Olga2 wohnt jetzt bei Francesco, Olga1 ist in Peking gestorben, nachdem ich ihr einen schönen neuen Plastiktopf gekauft habe, ich frage mich bis heute, was für eine Art Plastik das war...) Wie verzweifelt muss man sein, dass man mit Pflanzen spricht? Ich lese ein Buch, in dem in dem ersten Kapitel ein kleiner Junge fragt: "Papa, wo ist die Welt zu Ende?" und Papa antwortet nach kurzen überlegen: "In China". Da musste ich dann doch mal laut lachen. Ansonsten war ich die ersten zwei Wochen mit administrativem Kram beschäftigt. Soll vor allem heißen: Visum. Wenn ich nicht mit Visum-Kram beschäftigt war, war ich damit beschäftigt irgendwas zu kaufen. Meine Kollegen haben sich ja schon darüber gewundert, was ich so alles kaufe, wie viel Arten von Putzmittel ich kaufe und dann will ich auch noch ne Matratze??? Ich muss dazu sagen: Ich habe drei Nächte auf diesen Holzmatrazen geschlafen und mit tat alles weh, ich kam mir vor, als würde ich auf einer Knastpritsche schlafen. Die Aussage: "Ich möchte eine Matratze kaufen" wurde erst mal mit einem "warum?" beantwortet. Ich hab dann auf die chinesische Art gesagt, ich brauch das für meinen Rücken (was ja auch im Endeffekt der Wahrheit entspricht). Abends habe ich immer wieder mit Baby-Olga gesprochen. Ich hatte kein Internet, mit irgendwem musste ich kommunizieren.

Nach sieben Tage hatte ich dann Internet. Das war gut!!!
Zwischendurch bin ich immer mal wieder spontan zum Essen eingeladen worden. Meistens dann, wenn ich gerade dachte: Ich will nach Hause, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, vor allem diskutieren, erklären, mit Händen Füssen, englisch, chinesisch... Essen soll heißen: es gibt Hotpot.
Hier mein Hotpot-Logbuch:
9. Okt: Abendessen: Hotpot, Ich sau mir die ganzen Klamotten mit rotem Öl ein.
10-11. Okt: es ist WE aber es wird gearbeitet. Schließlich waren ja 10 Tage Ferien.... Hatte mein Einführungsabendessen: Hotpot, dies mal mit Pansen, Hühnerdarm, Enten-, Hühnerfüssen. Ich mag das immer weniger.
14. Okt. : Abendessen mit den deutschen Gästen der NPZ : Hotpot!!! Diesmal in nem schicken Restaurant mit weniger Ekelzeug. Das war nicht so schlecht
16. Okt: Spontanes Abendessen: Hotpot!!! Ich mags jetzt gar nicht mehr. Ich mag kein Pansen, ich mag keine Blutwürfel und ich mag keine Hühnerdärme!!!! Ich war müde wollte eigentlich früher nach Hause, vorher in den Supermarkt Kram kaufen... da bin ich dann noch hin, musste aber vorher eindringlich erklären, dass es Zeit wird zu lernen alleine in den Supermarkt zu gehen (sonst hätte die 5-Minuten-Aktion wieder ne halbe Stunde gedauert: schnell nen Duschvorhang kaufen und mal wieder ne Flasche Rotwein

Mit dem Duschvorhang hab ich dann das Pimp-my Bathroom-Projekt in Angriff genommen. Ich wollte den Duschkopf nicht über dem Klo haben in meinem 2 qm-Reich sondern gegenüber. Das geht dann so: Erst kommen zwei meiner Kollegen, um sich das ganze anzuschauen, dann wird telefoniert. Dann kommt irgendwann einer, der schaut auch, dann wird diskutiert (ohne mich). Irgendwann mische ich mich dann ein und sagen, dass der Preis für mich ok ist, denn soviel hab ich verstanden. Der Installateur telefoniert, dann kommt irgendwann wieder einer, der schaut, geht wieder, kommt dann mit nem Werkzeugkasten wieder, dann wird noch n bißchen diskutiert und nach 1,5 Stunden ist der Duschkopf dann nach 5 Minuten an der anderen Stelle und der Duschvorhang an einem Draht befestigt. Das ist jetzt nur ein Beispiel, wie man mit Kleinigkeiten Stunden verbringen kann und das ständige Diskutieren ohne ist alles nur gut gemeint aber mich gehts auf den Keks.

Dann hab ich wieder ne Woche nur gearbeitet und bin regelmäßig zum Supermarkt gerannt, weil ich ja immer nur soviel kaufen konnte, wie ich tragen kann. Nach ca. 3 Wochen hatte ich schon meine erste Krankenhauserfahrung. Das brauch ich nicht noch mal. Nachdem ich einen Tag dachte ich hätte ne Erkältung, kamen dann aber noch Ohrenschmerzen dazu und irgendwie gings mir überhaupt nicht mehr gut. In China geht man dann direkt ins Krankenhaus. Ich war im Uni-Krankenhaus und da hab ich erst mal eine Liste mit Schwein-Grippen vorgelegt bekommen. "Haben Sie davon etwas"... ääähhh, jaaaaaaaa weil ich irgendwas zwischen Erkältung und Grippe habe.....viel untersucht worden bin ich dann nicht, bis auf die Blutabnahme, war ja auch total überfüllt an dem Tag, man ist ja immer schon zu zwei im Behandlungszimmer gewesen. Ins Ohr ist auch nicht geschaut worden. Diagnose: Bakterielle Infektion. Behandlung: Antibiotika und andere Pillen. Das hab ich dann auch alles immer schön genommen, wenn ich mal kurz wach war, ich hab nämlich drei Tage und Nächte nur geschlafen und bin dann noch zwei Tage im Bett geblieben mit nem bißchen weniger Schlaf.

Nach einer Woche Krankheit beschließe ich, dass ich ab jetzt mit meinem Fahrrad ins Büro fahre. Dort angekommen funktioniert mein Computer wieder (ging vorher nicht). Jetzt sogar mit englischem windows. Aber: Wo ist mein Visum??? Mein altes läuft ja heute ab!!! Die Antwort: "dont worry". Ich hab mich eine Woche lang illegal in China gefühlt. Zwischendurch ist es dann immer mal auch mit dem Wetter besser, manchmal scheint die Sonne, was meine Stimmung immer stark anhob. Einen Samstag war ich mit einigen Studenten angeln. Wir haben nichts gefangen, aber trotzdem haben wir hinterher auf dem Angelplatz jeder einen gegrillten Fisch gegessen.

so viele Angelruten und trotzdem nix gefangen....

so viele Angelruten und trotzdem nix gefangen....

dem war auch kalt

dem war auch kalt

Ende November war ich für ein Wochenende in Shanghai zum "Ausspannen", was bitter nötig war. Ich hab Jen besucht, wir waren Shoppen, Samstags abends gabs dann lecker Essen zusammen mit Vit, Raffaello plus Freundin, Omar und Jen, mit italienischer Pasta von Omar, Gulasch von Vit und ner ganze Menge Rotwein dazu. Ich kam mir manchmal vor wie im Film, weil ich mir nie hätte vorstellen können, mal zu sagen: Ich flieg für ein Wochenende nach Shanghai Freunde besuchen. Wir kamen dann alle zu dem Schluss, dass ich öfters kommen muss.

Am 2. Adventswochenende hab ich meine erste Vorlesung vor chinesischen Studenten gehalten (auf englisch) und habe das Wochenende insgesamt 20 Stunden geschlafen. Nikolaus habe ich mit Frühstück im Bett und den letzten Folgen von Sex in the city verbracht, danach habe ich geputzt und war einkaufen und abends gabs Glühwein, weil ich doch mal ein bißchen Weihnachtsstimmung haben wollte. Im Supermarkt gab es wahrhaftig eine 3 Quadratmeter-Weihnachtsabteilung. Ich hab einen kleinen Plastik-Baum gekauft!!!!
Am dritten Adventswochenende bin ich dann doch mal trotz Regen in einen Teil der "großen Stadt" gefahren, wie ich Chongqing jetzt immer nenne. Ich bin in die Altstadt. Die Gebäude stammen aus der Ming-Dynastie, sehen aber anders aus als das, was man so aus Peking oder anderen Städten kennt. Man findet hier Laden an Laden aneinander gereiht mit allem, was das Touristenherz höher schlagen lässt. Ich kam mir dann ein bißchen vor, wie auf einem Weihnachtsmarkt.

Ciqikou, die Altstadt in Chongqing

Ciqikou, die Altstadt in Chongqing

kleine Kunstwerke aus Zucker

kleine Kunstwerke aus Zucker

hier wird süßer Teig für Bonbons geknetet

hier wird süßer Teig für Bonbons geknetet

hier wird gerade kunstvoll mein Name geschrieben: Lin Keting

hier wird gerade kunstvoll mein Name geschrieben: Lin Keting

Es gibt an jeder Ecke was anderes zu essen

Es gibt an jeder Ecke was anderes zu essen

Abseits der Hauptstaße

Abseits der Hauptstaße

Vier Tage später ging es dann ab nach Hause. Nach Hause.... nach acht Monaten....angekommen in Frankfurt wollte ich nur noch aus dem Flugzeug raus. Die ersten Tage hab ich fasziniert vor der Käsetheke im Supermarkt gestanden (Käse und Butter ist etwas, was ich jetzt gar nicht mehr habe), fand den Weihnachtsmarkt in Giessen wirklich schön und dachte immer: man, ist das teuer. Man bekommt einen anderem Blick für manche Sachen. Wenn man in China fast alles für wenig Geld kaufen kann, egal welche Marke, haben manche Sachen einen großen Werteverlust (meinletzer Kauf: Ein Paar UGG-Boots für 8 Euro), aber das erste Brötchen einfach nur mit Butter ist dann mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. So hab ich hab mich dann ständig über viele Kleinigkeiten gefreut: Ein richtiges Frühstück, Käse, Wurst, eine Heizung zu haben (manchmal war es mir fast schon zu warm), leckeres Essen, Schnee (ok, ich geb zu, am Ende wars genug), Zeitung zu lesen, mal wieder deutsches Fernsehn zu haben, ohne Zensur Zugriff auf Facebook im Internet zu haben, im dm einkaufen zu gehen (da hab ich ne Stunde verbracht und hab ca. 5 Kilo Sachen gekauft, angefangen bei Deo, was gerade ohne Wasser wirklich hilfreich). In drei Wochen hab ich mir wieder angefuttert, was ich die letzten acht Monate abgenommen hab, aber das ist völlig egal.
Am 8. Januar ging es dann wieder zurück nach China. Hier wieder angekommen hat mich ein ganz anderes Bild vom Campus empfangen. Der Campus ist leer!!! Normalerweise laufen hier tagtäglich hunderte von Studenten von A nach B, von rechts nach links, so dass ich schon häufig fast jemanden mit meinem Fahrrad angefahren hab. Jetzt ist alles leer, die Studenten die man sieht, laufen mit einen kleinen Köfferchen durch die Gegend, weil fast jeder wegen dem chinesischen Neujahrsfest nach Hause fährt. Das ist für die Chinesen so, wie für uns Weihnachten. Letzte Woche gab es bei uns dann auch einen "Betriebsausflug". Ich denke, das war das Einläuten der großen Ferien. Ein Bus voll Studenten plus die Professoren und sind auf einen Berg gefahren, haben in einem Hotel eingecheckt und dort die Nacht verbracht. Das war ziemlich lustig. Hier zum Abschluss ein paar Bilder von dem was Chinesen gerne machen und wobei sie Spaß haben.

Mahjongg spielen

Mahjongg spielen

Essen

Essen

Karaoke (ist in China anders, man mietet kleine Räume. ich hab auch gesungen)

Karaoke (ist in China anders, man mietet kleine Räume. ich hab auch gesungen)

Nochmal essen, Chinesen mögen auch gerne gegrilltes. Diese Ziege war sehr sehr scharf

Nochmal essen, Chinesen mögen auch gerne gegrilltes. Diese Ziege war sehr sehr scharf

Natur plus Tempel rund um Chongqing

Natur plus Tempel rund um Chongqing

Gestern hab ich meinem Professor endlich gesagt, dass ich außerhalb des Campus umziehn möchte. Dies und das chinesische Neujahr gibt dann wieder neue Geschichten. Ich wünsch Euch allen nachträglich noch ein frohes neues Jahr. Liebe Grüße aus China,
Eure Tante LinLeting

© Katrin Link, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Sooooo... am 29. März 2009 geht das Abenteuer los. Ich nehme mit 29 anderen Leuten aus ganz Europa am Science und Technology Fellowship Programm EU-China teil. Ab nach China und das für zwei Jahre. Die ersten sechs Monate werde ich in Peking sein um mit den anderen Chinesisch zu lernen und anschließend 18 Monate in Chongqing, um dort zu arbeiten.... Ich wünsch Euch viel Spaß beim Lesen.
Details:
Aufbruch: 29.03.2009
Dauer: 25 Monate
Heimkehr: April 2011
Reiseziele: China
Der Autor
 
Katrin Link berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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