2 Jahre China

Reisezeit: März 2009 - April 2011  |  von Katrin Link

Medizin und Essen

Nachdem ich ja geschrieben hatte, dass ich einen Fahrradunfall hatte, dachte ich mir, ich bring diese zwei Themen mal zusammen. Ich fang vielleicht mal mit der Medizinischen Versorgung hier in Beibei an. Zunächst mal: Sollte man in Deutschland mit dem Fahrrad hinfallen und eine blutende Wunde am Kopf haben, wird einem als erstes gesagt: bleiben sie liegen, sie hatten einen Unfall (ich weiß das, ich hatte schon einige). Das ist hier schon mal ganz anders. Man wird direkt wieder auf die Füße gestellt und bevor man realisiert, was passiert ist, läuft man mit einer Chinesin am Arm, schwarz vor Augen ins Krankenhaus (das war ja nicht weit weg und gut zu Fuß erreichbar). Dort wird man dann kurz abgestellt um zu fragen, wo man hin muss, dann muss man immer noch schwarz vor Augen und blutend die Treppe hoch steigen, dann kommt ein Arzt, der sagt, das muss nichts gemacht werden und dann stolpert man schwarz vor Augen mit der Chinesin im Arm nach Hause.
Zu Hause angekommen hatte ich dann mal Gelegenheit mich im Spiegel anzuschauen und mir ein Bild von der ganzen Situation zu machen. Ich kam zu dem Entschluss, dass ich sehr wohl ein zwei Stiche hätte gebrauchen können, um die Wunde zu nähen und vor allen musste das erst mal gereinigt werden.... naja, Jod oder ähnliches hatte ich natürlich nicht zur Hand, aber ich hab dann kleine Pflaster im Schrank gefunden und das ganze halbwegs "zusammen zu kleben". Die Chinesin, deren Namen ich nicht kannte, konnte ich gerade noch davon abhalten, mir beim umziehen behilflich zu sein und hab Ihr hoffentlich freundlich genug klar gemacht, dass ich schlafen muss, weil ich eigentlich nur meine Ruhe haben wollte. Aufgrund des starken Aufpralls auf meinen Kopf und der Angst einer riesigen verbleibenden Narbe hab ich erst mal geheult und dann geschlafen. Als ich aufgewacht bin, konnte ich meine linke Hand nicht mehr bewegen, weil die bei jeder Bewegung tierisch weh getan hat. Super: Rechts geht ja eh nix und links jetzt auch nicht... mein Professor kam dann nachmittags vorbei und brachte erst mal eine ganze Tüte Drachenfrüchte und Kiwis. Weil: Essen ist in China so was wie Medizin. Will man z.B. schöne Haut, muss man in der Suppe die Fischhaut essen, will man hingegen Muskeln, dann soll man das Fischfleisch essen. So gibt es unzählige Regeln, die wohl seit Jahrhunderten in den Köpfen verankert sind.

Wir sind dann in die Apotheke, die ich schon von meiner sogenannten "bakteriellen Infektion" im letzten Oktober kannte. Dort drückte mir die Frau/ Doktor (???) so fest auf die Hand, dass ich vor Schmerzen aufgeschrien habe. Ich habe kaufen müssen: Das Öl der roten Blume (honghuaryou... hab es mal gegoogelt und auf Übersetzung geklickt, das Zeug scheint für alles gut zu) und Pillen fürs Blut. Ich sagte meinen Professor, ich hätte nichts mit dem Blut ich hätte was mit der Hand, aber er sagte, das würde aber helfen... ok, dann wird gekauft. Ich sagte: ich hätte gerne eine Bandage, um die Hand ruhig zu stellen. Bekommen habe ich große Pflaster mit dem Yingyang-Zeichen und einem Magneten im Ying und einem im Yang. Mein Prof. hat mir dann zu Hause genau erklärt, wann ich was ein zu nehmen hätte, hat mir das Öl auf die Hand geschmiert, mir ein Pflaster draufgeklebt und mich mindestens 30 mal gefragt, ob er jemanden anrufen soll, um mir Essen zu kaufen, zu kochen, etc... Ich konnte ihn dann ca. eine Stunde später davon überzeugen, dass ich in Ordnung bin, nichts zu essen brauchen und jetzt ja auch genug Obst im Haus zu haben.

Am nächsten Tag bin ich zum Röntgen mit Candy, einer der Studenten. Ich hatte schon das Gefühl, dass man den Arzt ein bißchen dazu überreden musste. Ich hab vorher gefragt, ob ich denn nicht meinen Ring ausziehen muss, das Pflaster mit den Magneten entfernen muss. So kennt man das doch aus Deutschland, oder? Kein Röntgen mit Metall, Schmuck, etc... Nene, muss nicht...naja, die ganze Aktion war überflüssig, was es genau war konnte mir da eh keiner sagen (die englische Übersetzung: irgendwas mit der Haut zwischen Muskel und Knochen bzw. ich hätte das an den Muskeln, was ich jetzt auch im Gesicht habe... ach so!!!!, dann ist ja gut) und irgend eine Salbe hab ich auch nicht bekommen. Aber der Arzt sagte, ich soll die Medizin, die ich gekauft habe, nicht nehmen. Ich nehme an, es war eine Bänderdehnung. Abends bin ich dann von Yan Xing Ying und Ihrem Freund zum Essen eingeladen worden. Ich wollte eigentlich ungern vor die Tür, weil mein Auge jetzt auch noch angeschwollen und Blau war. Sie brachen mir eine ganze Tüte Orangen vorbei. Super. Das war ja dann mal Abwechslung zu meinem Drachenfrucht-Kiwi-Obstsalat, den ich mir Tonnenweise rein schaufel, damit nix umkommt.... Sie frage, was meine Hand macht. Ich hätte am liebsten gesagt: Naja, zum Orangen schälen reicht es noch nicht (ich bin halt gerade in meiner sarkastischen Phase, das kommt von dem Nebel hier... man wird so nach sechs Monaten grauem Himmel....) Ich hab es dann aber gelassen und gesagt: es geht schon. Beim Abendessen hab ich dann bei dem Teller Morscheln gesagt bekommen, dass schwarzes Essen gut für die Gesundheit ist. Ich fragte warum. Ich fragte auch: Warum denn nicht rotes Essen, rot wie Blut und Blut gleich Lebendsaft. Das waren dann mal wieder zu viel Fragen auf einmal. Das einzige was ich rausfinden konnte: Schwarze Nahrung enthält viele Vitamine! Ach so!!!

Meine Hand ging es dann am Tag 3 dann schlagartig besser... woran immer es gelegen hat, ob am Yingyang, am Öl oder welcher traditionellen chinesischen Medizin auch immer: Ich war froh, dass es nicht wirklich etwas Ernsthaftes war. Ich habe noch eine Woche mit einem blauen, dicken Auge gekämpft und bin immer mit Sonnenbrille rumgerannt.

Essen ist in China auch so eine Art Freizeitbeschäftigung. Kommt man nach einer Busfahrt irgendwo an, geht es erst mal zum Essen. Wenn Geburtstag gefeiert wird, geht man in Beibei Hot Pot essen. Dann gibt es irgendwann die riesengroße Torte, die aber weniger gegessen wird. Stattdessen fangen alle an, sich die Creme (die Torte besteht immer aus 70% Zuckercreme) ins Gesicht zu schmieren. Meist, nachdem alle drei kleine Gläschen des Chinesischen Biers getrunken haben.

Huoguo= Hot Pot oder Feuertopf. Typisches Essen in Chongqing, das von den Fischern am Yangse entwickelt wurde. Das hier ist die Touristen-Variante. Außen: nicht scharf, innen: sehr scharf. Normal ist: nur sehr scharf. Man schmeißt dann alles in den Topf, was man vorher bestellt hat und wartet, bis es gekocht ist

Huoguo= Hot Pot oder Feuertopf. Typisches Essen in Chongqing, das von den Fischern am Yangse entwickelt wurde. Das hier ist die Touristen-Variante. Außen: nicht scharf, innen: sehr scharf. Normal ist: nur sehr scharf. Man schmeißt dann alles in den Topf, was man vorher bestellt hat und wartet, bis es gekocht ist

Essen wiederum ist auch Tradition. Kommt ein Gast neu in China an gibt es dann schon mal sehr ausgefallene Sachen zu Essen, wo sich der gemeine Europäer dreimal überlebt, was er das isst und ob er das essen möchte. Ich glaube mittlerweile, das ist so eine Art Aufnahmeritual.

Links: Spinat (schmeckt gut) Mitte: Entenzungen (will ich nicht probieren), Rechts: die schon mal erwähnten Hühnerfüße (kein Kommentar)

Links: Spinat (schmeckt gut) Mitte: Entenzungen (will ich nicht probieren), Rechts: die schon mal erwähnten Hühnerfüße (kein Kommentar)

Beim Thema Essen ist in China alles und nichts möglich. Alles: Ich genieße es, hier alle möglichen Formen von Früchten zu bekommen, die zu Hause eine Menge Geld kosten. Ich finde es toll, dass Abends die Strassenverkäufer rauskommen und ich mir geschälte Ananas für umgerechnet 50 Cent kaufen kann (naja, ich muss auch mal langsam anfangen mit einem anderen Umrechnungsfaktor... aber über den Euro geht es ja hier gerade nicht) und das es in den Nebenstrassen alle möglichen gegrillten Sachen zu kaufen gibt. Auch in Sachen Fastfood geht alles wenn man es nur will. Als wir den ersten Abend in Nanjing eingetrudelt sind und wir in einem Hotelzimmer saßen, wählte Raffaello die Nummer von McDonalds in Shanghai, bestellte auf Chinesisch-Englisch Burger und Pommes und sagte, es wäre in Nanjing. Die Postleitzahl und die Adresse vom Hotel reichten letztendlich aus, dass 30 Minuten später der Lieferant (ja, es gibt einen McDonalds-Lieferservice in China) ans Zimmer klopfte und alles wie bestellt lieferte. Ich hab die Telefonnummer mal gespeichert, aber ich glaube nicht, dass das in Beibei funktioniert. Das sind immer Fahrradkuriere und ich bin mir nicht sicher, ob die die 50 km von Chongqing nach Beibei radeln....
Nichts: Das es in Beibei keine Butter und keinen Käse und im übrigen auch keine vernünftige Wurst gibt, das habe ich ja schon mal erwähnt. Aber auch sonst ist es manchmal schwierig. Vielleicht bin ich zu verwöhnt. Ich habe mich schon öfters gefragt, ob ich als Europäer zu verweichlicht bin, für das Chinesische Leben. Im Supermarkt stehe ich oft fragend vor den Regalen und wünsche mir manchmal die Konserven-Dosen Gesellschaft zurück. So schön einfach, und man sieht sofort was drin ist. Ich stehe oft vor den Regalen mit den exotischen Gewürzen, die man abwiegen muss, aber ich weiß ja einfach nicht, wofür welches Gewürz gut ist. Auch das Mehl kaufen gestaltet sich schwierig. Das muss man auch abwiegen und es gibt hier mindestens 10 verschiedene Pulver mit 10 verschiedenen Weißabstufungen, wobei ich mir dann nicht sicher sein kann, ob das wirklich alles Mehl ist. Ich hab mal versucht der Verkäuferin zu erklären, dass ich einen Kuchen backen möchte (Ich hab gar keinen Ofen, aber das Wort für Kuchen wusste ich, ihr aber zu erklären, was ein Pfannekuchen ist, das wäre zu kompliziert geworden) Ich hab mich dann mit ihr vor dem Tortenregal wiedergefunden. Vielleicht backen Chinesen keinen Kuchen. Ich glaub, die kaufen den...Eigentlich muss ich ja auch gar nicht kochen, weil es auf der Straße genug zu essen gibt, aber am Wochenende mache ich das schon mal ganz gerne. Ich hab mir sogar einen Reiskocher gekauft, aber irgendwie bin ich nicht der Reistyp. Ich bin wohl von Geburt an der Kartoffeltyp, am liebsten gebraten, gefolgt vom Nudeln. Ich mag Reis nur in Kombination mit Chinesischen Essen und das koch ich nicht, das kauf ich mir

Noch was zum Schluss zum Thema Medizin: auch hier ist alles manchmal möglich, was manchmal aber ins nichts führt. Sollten die Chinesen nicht mehr auf Ihr Essen als Therapie vertrauen: Antibiotika hilft immer! Ich sollte ja bei meiner bakteriellen Infektion sogar eine Antibiotika-Infusion bekommen, gegen die ich mich dann aber gewährt habe, indem ich sagte, ich hätte gerne was zum schlucken. Generell wird einem beim kleinsten Husten geraten Antibiotika zu nehmen. Ich bin dann nach Weihnachten noch mal in die Apotheke, weil meine Bronchitis nicht besser wurde. Bekommen habe ich (ohne Rezept) zwei Packungen von einem Antibiotikum und eine Packung eines anderes. Ich hab auch das mit der Übersetzungsfunktion gegoogelt und hab die zwei Packungen direkt in die Tonne gekloppt, weil das überhaupt nichts anzeigte, was annähernd mit Erkältung zu tun hatte, die eine Packung hat sich dann als Breitbandantibiotikum rausgestellt, das hab ich dann mal genommen. Vorsatz für den nächsten Europa-Aufenthalt: In die Apotheke gehen, u.a. für Bandagen und Wunddesinfektion.

© Katrin Link, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Sooooo... am 29. März 2009 geht das Abenteuer los. Ich nehme mit 29 anderen Leuten aus ganz Europa am Science und Technology Fellowship Programm EU-China teil. Ab nach China und das für zwei Jahre. Die ersten sechs Monate werde ich in Peking sein um mit den anderen Chinesisch zu lernen und anschließend 18 Monate in Chongqing, um dort zu arbeiten.... Ich wünsch Euch viel Spaß beim Lesen.
Details:
Aufbruch: 29.03.2009
Dauer: 25 Monate
Heimkehr: April 2011
Reiseziele: China
Der Autor
 
Katrin Link berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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