Madagaskar - Jenseits von Afrika

Reisezeit: Oktober 2008  |  von Sarah Paulus

Von Antsirabe nach Miandrivazo

Tag 3
07.10.2008, Dienstag, 246km

Es gibt mehrere Geldautomaten in Antsirabe. So heißt es am Morgen erst einmal Geld abheben. Das klappt anfangs nicht, da gerade das Netz zusammengebrochen ist. Da wir ohne Bares nicht weiterkönnen, betreten wir todesmutig eine Bankfiliale und halten Ausschau nach alternativen Auszahlungswegen. Ungeheuer viele Menschen stehen schweigsam in diversen Schlangen. Wir erleben, wie ein Beamter einer netten Dame die schon bekannten Notenpapierberge vorzählt und es ist klar, daß wir hier nicht weiterkommen. Also wieder raus und erneut die Automaten befragt. Glücklicherweise haben die sich scheinbar gelangweilt und geben das ersehnte Gut nun frei.

Aufgesessen und los in Richtung Westen. Vorbei an roten Hügeln, terrassenförmigen Reisfeldern, Flüssen, Lehm- und Strohhütten.

Landschaft

Landschaft

Allerorten sind Menschen unterwegs. Im Fluß beim Fischen, auf dem Feld beim Reispflanzen und auf der Straße zum Laufen. Scharenweise Kinder auf dem Weg zur Schule, erkennbar an ihren hellblauen oder grünen Schuluniformen. In den vorbeihuschenden Dörfern herrscht traute Gemeinsamkeit der Generationen und Arten. Kinder, Eltern und Greise. Gackernde Hühner, Enten und Ziegen. Bräsige Zebus und dösige Hunde. Ein Idyll, wenn die Müllentsorgung klappen würde. Zudem sind Stromversorgung und fließendes Wasser weitgehend unbekannt. Dafür gibt es in jedem noch so kleinen Dorf unseren malegassischen Freund: THB - The Holy Beer.

Malegassi

Malegassi

Rolfi

Rolfi

Am frühen Nachmittag erreichen wir Miandrivazo, den Frau Bradt als durchschnittlich heißesten Ort der Insel ausweist. Das Hotel Lakana hat sich vor längerer Zeit offiziell in Le Pirogue umbenannt, ist im Ort aber selbstverständlich nur als Hotel Lakana zu finden. In der Nachmittagshitze wirkt es wie ein Miniferienlager mit einer sehr schönen Restaurant-Terrasse. Wir hatten via Internet die billigen Plätze gebucht und wohnen in einer Art Baracke. Das Zimmer mit dem warmen Charme einer Schwimmhallentoilette ist sauber und überzeugt mit einwandfreiem Moskitonetz. Aufgrund von Bauarbeiten am Eingang des Kuhstalls können wir unser Zimmer nur via Durchgangszimmer erreichen. Auch nachts, vorbei an schnarchenden Bauarbeitern. Alles in allem sind wir mit dem neuen Heim zufrieden und der Preis von AIR 24.600 ist fair kalkuliert.

Hotel Lakana

Hotel Lakana

Unser Feldlazarett ist der Ausgangspunkt für Flußfahrten auf dem Tsiribihina. Eine solche Tour haben wir für die nächsten drei Tage vorgebucht, müssen allerdings unruhig feststellen, daß sich die Bootsanlegestelle im ca. 45km entfernten Flecken Masekampy befindet. Also ungefähr eine Stunde Fahrzeit querfeldein. Wir hatten nicht bedacht, daß der Fluß je nach Jahreszeit mal mehr bzw. auch mal reichlich weniger Wasser sein eigen nennt. So variiert auch die Entfernung zum Hafen. Mal erreicht man ihn ganz einfach zu Fuß und mal... Tja, das war unser Problem, überhaupt nicht. Jedenfalls nicht als Backpacker mit jeweils 10 Kilo Gewicht auf dem Rücken. Was tun?

Panik breitet sich bekanntermaßen ungleichmäßig aus. Erst kribbelt es nur leicht. Da ist alles noch irgendwie ok. Hat man aber das Problem erkannt, wird es schlimm. Ein Hilfegesuch beim gelangweilten Hotelpersonal bringt einen ersten Rettungsschirm: Für AIR 150.000, etwa EUR 70, würde uns ein lokales Auto zum Zielort befördern. Angebot und Nachfrage bilden den Gleichgewichtspreis. Ganz klar, die haben BWL studiert und den Notfall von unseren Nasenspitzen abgelesen. Doch bei aller Liebe zum Detail, zu teuer bleibt zu teuer. Da läßt sich ein Rolf von Dickkopf auf nichts ein.

Also dösen wir verdrossen auf der Terrasse herum, trinken Unmengen von Glasflaschen aus und warten auf ein Wunder.

Terassenblick

Terassenblick

Das gegen Abend in Form eines schicken 4x4 mit Chauffeur auf der Bildfläche erscheint. Ein dicker Spanier mit kurzen Hosen und unerhört weißen Beinen will offensichtlich ebenfalls zu einer Flußfahrt aufbrechen. Der weiße Hai spricht kaum englisch und noch weniger französisch, sei aber bereit, Schiffbrüchige mitzunehmen. Sofern auch der Fahrer bereit sei. Also zum Fahrer. Für den wäre es eine Freude, wenn sein Guide... So kämpfen wir uns die Hierarchietreppen hinauf und müssen schließlich bis zum Abendbrot ausharren, um unsere Tramptour mit dem Cheffe festzumachen. Ein gutes Abendessen später - es gibt wieder dieses Steak au cheval - erscheint jener und meint nur lapidar, daß unser Wunsch in Erfüllung gehe. Puh, geschafft. Halleluhja. Danke. Blutdrucksenken und Weitersaufen. Hätte es Weißbier gegeben, wir hätten es getrunken.

Die anderen Touris verziehen sich schon gegen 20:00 Uhr wie auf Kommando in ihre Kleinzimmerparadise. Da drin muß es immer noch glühend heiß sein. Sicher hat der eine oder andere gestern ein gutes Buch begonnen und kann es kaum erwarten, weiter zu lesen. Für uns bleibt dieser Abend auf der Terrasse lauschig schön. Und das THB schmeckt, und schmeckt, und schmeckt.

© Sarah Paulus, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
20 Tage auf der viertgrößten Insel der Welt.
Details:
Aufbruch: 04.10.2008
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 24.10.2008
Reiseziele: Madagaskar
Der Autor
 
Sarah Paulus berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.