Indien...und dann?

Reisezeit: August 2010 - Mai 2011  |  von André Hellberg

Pushkar: Pushkar die Zweite

Ok... der erste Versuch ist also dank Stromausfall verloren gegangen... ist das dann jetzt schon Pushkar die Dritte? Na egal...

Nanu hat uns an zwei Abenden an seinen Live-And-Love-Lessons teilnehmen lassen, wie wir seine Monologe heimlich getauft haben. Aber schon interessant der Gute. Sitzt den ganzen Tag auf seiner Terrasse und macht nix. Geniesst das Leben. Wenn ein Problem auftritt, dann heisst er es willkommen, da es dadurch zur Eintwicklung seines Geistes kommt. Ebenso bei Fehlern die er macht. Nanu hat auch keine Lust, wie die anderen Guesthouse-Besitzer den Touris am Bus-Bahnhof aufzulauern. Dadurch sind wir auch die einzigen Gaeste. Inzwischen nurnoch ich, da es den Moritz weitergezogen hat. Aber dazu spaeter mehr.

An einem der ersten Abende bot Nanu uns an Bier fuer uns zu holen. Bei dem Betrueger, wie er den Besitzer des Wine-Shops kurz vor seinem Guesthouse nennt. Gesagt getan. Somit bekamen wir viermal 600ml "Bullet" mit 8 % Alkohol fuer 100 Rupien die Flasche. Das war annehmbar.

Neben Nanus Guesthouse wird gebaut. Dort soll eine Pferderanch entstehen so Nanu. In unserer Runde sass an diesem Abend einer der Arbeiter. Ein alter Mann von vielleicht 70 Jahren. Der klagte ueber starke Schmerzen im linken Knie. Da es auf einen Versuch ankam drueckte ich dem guten Mann Voltaren auf sein Knie. Das verschmierte dieser grosszuegig. Anschliessend verband ich sein Knie mit einer Mullbinde und gab ihm noch eine Schmerztablette. Am naechsten Tag fragte ich Nanu, wie es dem alten Mann gehe. Besser sagte dieser. Er wuerde heute wieder ohne Kruecke arbeiten. Tsts...
Am darauf folgenden Tag beobachtete ich die Arbeiten von der Dachterrasse aus. Als der alte Mann mich entdeckte, deutete er freudig auf sein Knie und bewegte es wild hin und her, um mir zu beweisen, dass es wieder gut sei. Er bedankte sich mehrfach, indem er die Haende faltete und sich verbeugte. Zuviel der Ehre dachte und fuehlte ich und winkte ab. Aber gut dem Mann geholfen zu haben. Westliche Medizin sei dank.

An einem anderen Tag wollte Nanu eine befreundete Familie auf dem Land besuchen und fragte uns, ob wir mitkommen wollten. Klar wollten wir. Mit dem Motorrad fuhren wir also hinter dem Jeep her und mal vorweg und durch tiefste Pfuetzen zur Freude der Familie.
Bei der befreundete Familie handelte es sich um Farmer, die Rosen anbauen. Hinter deren Haus erstreckte sich ein grosses Rosenfeld. Auf Nachfrage wurde berichtet, dass die Blueten nach Ajmer verbracht und verkauft werden. Dort werden sie dann zu Marmelade und Rosenwasser verarbeitet.

Wir sassen kaum auf dem Bett, welches als Sitzgelegenheit nach draussen geschleppt wurde, als der Boden ploetzlich bebte. Ja, er bebte. Es war ein kurzes Erdbeben. Kaum stark genug um Glaeser in Schraenken zum klirren zu bringen, aber eindeutig ein Erdbeben. Mein Koerper schuettete auch prompt ein wenig Adrenalin in die Blutbahn. Es dauerte vielleicht 2 Sekunden. Dann war es vorbei. Aufregend.

Wir verbrachten einen feinen Tag bei dieser Familie. Wir alberten mit den Kindern rum und tranken leckeren....na? Chai, genau...

Nanu bot uns an, einen Ausflug aufs Land zu machen, um dort einen Tempel zu besuchen. Auch dieses Angebot schlugen wir nicht aus. Diesmal nahmen wir alle im Jeep Platz und los ging es. Durch eine wunderschoen gruene bergige Landschaft. Mit grossen Felsen und Feldwegen bis zum Horizont. Am Ende der Fahrt war leider die Strasse vom vielen Regen zerstoert. Aber an dieser Stelle war ebenfalls ein netter Tempel. Also wurde dort von Nanus Frau Chai gekocht und wir liefen umher, machten Fotos und genossen diese grandiose Landschaft.
Die Tempel werden oftmals von Maennern bewohnt, welche dem Leben unter Menschen abgeschworen haben. Diese Maenner pflegen die Tempel und leben von dem, was Pilger ihnen schenken. Manchmal bauen sie auf dem Tempelgelaende auch ein wenig Gemuese an. Diese Maenner werden Sadhu oder auch Baba genannt. Sie haben sich geschworen in Frieden und Harmonie zu leben. Und das tat auch der Mann bei unserem Tempel. Er lud uns in seinen Tempel ein ohne auch nur die Andeutung einer Gegenleistung zu machen. Er lud uns auch ein, mit ihm ein Chillum zu rauchen, was natuerlich dankend abgelehnt wurde.

Auch dieser Tag wird mir gut in Erinnerung bleiben. Danke dafuer Nanu.

An einem weiteren Abend sprach Nanu viel von Ayurvedische Medizin und deren Moeglichkeit. Waehrend diese Gespraeches kam ich nicht umhin von der Rheumaerkrankung meiner Mutter zu berichten. Nanu meinte, dass man da mit Ayurvedischer Medizin sicher was machen koenne.
Da Moritz geplant hatte von Pushkar aus nach Ajmer zu fahren, dort umzusteigen, um dann weiter nach Mt. Abu zu fahren, war es Nanus Plan, Moritz nach Ajmer zu bringen, wir wuerden dann bei den Eltern von seiner Frau schlafen und am naechsten Tag in ein grosses ayurvedisches Krankenhaus fahren. Welch Abenteuer dachte ich mir und sagte zu.

Somit fuhren wir am naechsten Tag mit dem Jeep Richtung Ajmer. Ich selbst hatte beschlossen noch einige Zeit in Pushkar zu bleiben. Moritz hatte jedoch seine Sachen gepackt, um in Ajmer in den Bus Richtung Mt. Abu zu steigen. Wir fuhren in Dunkelheit und bei Regen los. Nanus Familie natuerlich wie immer dabei. Der Jeep hat leider keine funktionierenden Scheibenwischer, sodass Nanu meist rechts aus dem Jeep hing um zu sehen wohin er faehrt. Seine Frau hing links aus dem Jeep, um Nanu bescheid zu geben, wenn er zu weit links fahren oder es ein Hindernis geben wuerde. Und wir sassen hinten drin und schuettelten mal wieder mit den Koepfen...
Zwischen Pushkar und Ajmer liegt ein Berg, der, inklusive Serpentinen, zu ueberqueren ist. Als wir auf dem Gipfel ankamen breitete sich unter uns die grosse Stadt Ajmer aus. In der Dunkelheit ein unglaublicher Anblick.
Wir fuhren durch diese wuselige Stadt. Auf den Strassen war die Hoelle los. Ueberall Rikschas, welche mit Pferden, Kamelen, Motoren oder Beinen fortbewegt wurden. Dazwischen Kuehe, Menschen, Hunde, Ziegen und jede Menge anderer Fahrzeuge. Nanu kaufte an einem Shop noch eben ein Paar Schuhe fuer sich. Natuerlich vom Jeep aus. Dann ging es weiter.

Zunaechst liessen wir Nanus Frau und seinen Sohn bei den Eltern aussteigen und fuhren noch 100 Meter weiter zu der Haltestelle, an der Moritz einsteigen musste. Wir hatten aber noch genug Zeit, sodass wir zunaechst an einer Strassenkueche noch etwas assen.
Anschliessend fuhren wir nochmal zu den Eltern von Nanus Frau. Sehr nette Familie. Es ist schon unglaublich spannend so nah an dem normalen Familienleben der Inder zu sein. Ich denke, dass man nicht oft die Chance dazu bekommt in eine solche Familie eingeladen zu werden.
Achso, um zu den Eltern zu gelangen musste zunaechst der Jeep angeschoben werden. Der sprang naehmlich nicht mehr an. Wir parkten den Jeep an einer strategisch guenstigen Stelle auf dem Grundstueck der Eltern. An dieser Stelle hatten wir eine Chance zum anschieben.

Moritz Bus sollte um 22.30 Uhr fahren. Um 23.30 tat er es dann auch. Aber wie sagt Nanu immer so schoen: we have to accept! - Wir haben zu akkzeptieren. Wie wahr, wie wahr. Da wir das in Indien bereits gelernt hatten, war es halt so, dass der Bus ne Stunde Verspaetung hatte. Da kannst Du machen nix...
Nachdem ich mich von Moritz verabschiedet hatte, ging es zurueck zu den Eltern von Nanus Frau. Dort bekam ich ein eigenes Zimmer, was ein wenig aussah, als sei die Zeit dort stehen geblieben. Jeder Antiquitaetenhaendler wuerde sich die Finger nach dieser Einrichtung ablecken.

Am naechsten Tag versuchten wir zunaechst unsere Chance zu nutzen, den Jeep zu starten. Vergebens. Fuer mich hoerte es sich an, als sei die Batterie leer. Nanu und ich liefen also umher und versuchten einen Mechaniker aufzutreiben. Als dies so langsam lange dauerte, setzte mich Nanu bei einem Shop ab. Bei einem Mann, der sagte, dass er der Onkel von Nanus Frau sei. Der Mann trug ein schwarzes Barret, ein weisses schmuddeliges Polo-Shirt, eine schwarze, ebenso schmuddelige, Buntfaltenhose und weisse Stoffschuhe, welche nicht weniger schmuddelig waren. Als er hoerte, dass ich aus Deutschland komme, grinste er breit und sagte: "Adolf Hitler!" Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Mann um einen aus der Soldaten-Kaste handelte. Daher hatte er schonmal was von Adolf gehoert. Aber ihm zu erklaeren, dass das ein schlechter Mensch gewesen ist, erschien mir nach einer viertel Stunde Reden als sinnlos. Letztendlich war der Herr ebenfalls sehr nett und verkuerzte mir die Wartezeit mit einem Chai.

Wie sich herausstellte, war die Lichtmaschiene des Jeeps kaputt. Ein circa 15 jaehriger Junge reparierte das Ding jedoch fachmaennisch und baute sie bei stroemendem Regen wieder ein. Das ganze fuer umgerechnet 10 Euro.

Waehrend der Reperaturzeit fuhren Nanu und sein Schwiegervater zu dem ayurvedischen Krankenhaus. Dort bezahlte ich umgerechnet nicht ganz einen Euro, um mit einem Arzt zu sprechen. Natuerlich nicht ohne vorher die Krankenhausbuerokratie zu durchlaufen. Also Formulare ausfuellen ohne Ende. Aber die Inder sind ja sehr hilfsbereit und die Ruhe selbt.
Letztendlich wurde ich in einen Raum gefuehrt, in dem bereits eine Person vor dem Schreibtisch sass. Von dieser wurde auf den Stuhl neben dem Schreibtisch gebeten. Da ich das englische Wort fuer Entzuendung nicht kannte und der Arzt offensichtlich noch nicht da war, kramte ich mein Lexikon raus und schaute nach. Die Stille im Raum kam mir ploetzlich seltsam vor und ich schaute hoch. Die Person vor dem Schreibtisch schaute mich fragend an. Was mein Problem sei, wollte er von mir wissen. Ok, dachte ich mir, der steckt mit dem Doc unter einer Decke. Ich erzaehlte also von der Krankengeschichte meiner Mutter. Waehrend ich erzaehlte kam der Doktor rein und setzte sich an den Schreibtisch. Als ich geendet hatte erzaehlte der Mann in gefilterten Worten dem Doc von der Krankheit meiner Mutter. Wahrscheinlich wird dies so praktiziert um die Zeit des Doktors zu sparen. Der Doktor bemuehte ein durchaus interessantes Computerprogramm, welches komplett in Englisch gehalten war. Anschliessend wurde mir fuer einen Monat Medikamente aufgeschrieben, welche ich auf zwei Monate erhoehen lies. Wir wollen der Geschichte ja ne reelle Chance geben.
Anschliessend die Medikamente von der angeschlossenen Apotheke geholt. Wieder zurueck zum Arzt und die Dosierung erklaeren lassen.
Nach dem Besuch im Krankenhaus ging es zurueck zu den Eltern von Nanus Frau.
Sowohl die Hin- als auch die Rueckfahrt legten wir in einer Art Sammeltaxi zurueck, welche jeweils hoffnungslos ueberladen waren. Dicht an dicht stand ich zwischen den Indern in diesen Bussen. Das taegliche Leben ist in Indien ein Abenteuer. In solchen momenten erfreue ich mich des Abenteuers, moechte aber nicht mein Leben lang so leben. Die Inder nehmen das ganze absolut gelassen. Ich ziehe meinen Hut...

Zurueck bei den Eltern gab es noch leckeres Hammelfleisch. Anschliessend fuhren wir mit dem Jeep, der inzwischen wieder repariert war, zu dem Bruder von Nanus Frau. Dieser wohnt in einem Palast aus Marmor. Eine echte Villa. Und was sagt Nanu zu dem Prunk: "Sie sehen reich aus, aber deren Geist ist arm." Aber auch da war es nett und ich moechte und kann mir nicht erlauben ueber diese Menschen zu urteilen. Aber irgendeinen Zoff scheint es dort zu geben...

Soweit erstmal in diesem Kapitel. Heute war ich ein wenig shoppen und habe mal ein Paket nach Hause auf die Reise gebracht. Soll in zwei Wochen ankommen. Bin ich mal gespannt. Heute ist uebrigens der 22.08.2010

© André Hellberg, 2010
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Worum geht's?:
Nachdem ich nun drei Jahre auf den August 2010 gewartet habe um mein freies Jahr zu beginnen, bin ich jetzt langsam richtig heiß drauf. Ich werde von Hamburg über Moskau nach Delhi fliegen und dort früh morgens ankommen. Von dort soll es erstmal ´gen Norden, in den Himalaya gehen. Dann wieder ´gen Süden, dann ´gen Osten, ´gen Süden, und noch weiter und weiter... und letztlich kommt eh alles anders als gedacht... Indien, ich komme...
Details:
Aufbruch: 05.08.2010
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: Mai 2011
Reiseziele: Indien
Malaysia
Thailand
Der Autor
 
André Hellberg berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.