USA-Südwest 2011 - Die große Acht

Reisezeit: August / September 2011  |  von Heilwig Sandhagen

06.09.11-Wave-schönstes Naturwunder der Welt!

Was für ein Tag! Um 6.00 Uhr sind wir beide wach... Im Supermarkt kaufen wir uns Sandwiches zum Frühstück. Thomas ist wieder fit! Als wir einer Supermarkt-Angestellten auf ihre Nachfrage hin erzählen, dass wir zur Wave / Coyote Buttes North fahren, guckt sie nur fragend. Offenbar ist dieses Ziel nur wenigen Amis - dafür aber umso mehr Deutschen - bekannt...

In der Nacht hat es geregnet, deshalb wollen wir auf Nummer sicher gehen und beim Bureau of land management (BLM - von dort haben wir auch unsere Permit für die Coyote Buttes North erhalten) nach dem Zustand der House Rock Valley Road fragen. Um 8.00 Uhr Utah-Zeit sind wir dort. Mit uns warten schon zwei weitere deutsche Paare, die an der Vor-Ort-Permit-Lotterie teilnehmen wollen. Die Rangerin fährt pünktlich vor und öffnet um 8.30 Uhr das Büro. Da wir ja schon eine Permit haben, dürfen wir an den inzwischen vielen wartenden Menschen vorbei marschieren. Leider weiß die Rangerin nichts über den Zustand der Straße. Wir sollten es einfach mal versuchen... Also hätten wir uns die Warterei auch schenken können und schon früher mit der Wanderung und damit bei kühleren Temperaturen beginnen können!!! Die Rangerin gibt uns noch eine aktualisierte Wegbeschreibung mit. Die uns zugeschickte Karte hatte fehlerhafte GPS-Daten.

Noch ist der Himmel bedeckt bei 16 Grad, aber die Sonne kämpft sich durch. Die House Rock Valley Road finden wir schnell, biegen links ab und sind gespannt, ob wir durch kommen. Etwas mulmig ist uns schon, schließlich ist noch alles naß... Dann sehen wir aber auf der Dirt-Road schon Autospuren, die sich teilweise tief eingegraben haben. Inzwischen ist der Schlamm aber schon angetrocknet und wir kommen gut durch. Thomas gibt wieder mal richtig Gas und hat seine Freude. Nach ca. 12 km sehen wir auch schon den Parkplatz, platzieren den Parkschein der Permit an der Windschutzscheibe (von innen natürlich!), die andere Hälfte der Permit an den Rucksack, packen beide Rucksäcke voll Wasser, Essen und Sonnenmilch; hängen Kameras und GPS um den Hals und los geht's!

House Rock Valley Road

House Rock Valley Road

Es fängt schon gut an, weil wir uns gleich am Anfang nicht sicher sind, wo es vom Parkplatz aus langgeht. Doch da hilft uns die Ranger-Wegbeschreibung noch weiter. Wir folgen den Fußspuren der früheren Wanderer (Vielen Dank dafür!) durch den Sand und fangen schon nach wenigen 100 Metern an zu schwitzen. Bergauf geht's und immer wieder durch tiefen Sand, der Gott sei Dank noch ein wenig feucht ist. Nach kurzer Zeit merken wir schon, dass uns die Ranger-Wegbeschreibung überhaupt nicht weiterhilft. Die dort abgebildeten Fotos vom Wegverlauf sind ein Witz, denn es sieht überall gleich aus.

Tja, und wo geht's jetzt lang?

Tja, und wo geht's jetzt lang?

Hier sieht es doch wirklich überall gleich aus, oder?

Hier sieht es doch wirklich überall gleich aus, oder?

Ahh! Fußspuren!!!

Ahh! Fußspuren!!!

Leider sehen wir irgendwann auch keine Fußabdrücke mehr, weil der Sand nun verschwunden ist und wir einen Felsen hochklettern müssen. Danach sind wir lost.... Gut dass wir das GPS dabei haben, das aber nur die ungefähre Richtung anzeigt (es ist die einfachste Ausführung, die es gibt) und oft unvermittelt rotiert. Über Felsspalten und an Gebüsch vorbei müssen wir uns den Weg selbst suchen, um die steilen Felshänge hochzukommen. Ab und zu atmen wir auf, weil wir Steinhaufen finden, die uns signalisieren, dass wir noch auf dem richtigen Weg sind. Die Männchen sind aber sehr rar gesäht. Wegweiser gibt es sowieso keine, weil der Weg ja geheim und nur für Permit-Besitzer zu finden sein soll, damit dieses wunderbare Naturwunder erhalten bleibt.

Doch noch auf dem richtigen Weg...

Doch noch auf dem richtigen Weg...

Irgendwann haben wir uns total verfranst und das GPS zeigt an, dass wir nach links müssen. Dafür müssen wir aber um einen Berg herum klettern. Plötzlich denke ich, wir hätten die Wave bereits erreicht, jedenfalls stehen wir schon in einer Welle aus gelben Streifen. Das kann sie aber noch nicht sein... Als wir um den Berg endlich herum geklettert sind, sind wir zunächst völlig erschöpft und ratlos. Dann aber sehe ich weit unter uns wieder Fußspuren im Sand. Also den Berg wieder runterklettern und den Fußspuren folgen. Da sehen wir, wie 3 Wanderer uns von einem riesigen Sandhügel - oder eigentlich schon Sandberg - entgegenkommen. Da sollen wir noch rauf?! Wir haben keine Kraft mehr und Thomas streikt. Die Wanderer versichern uns, dass wir "nur noch" den Sandberg hoch müssen, dann wären wir an der Wave...

Querfeldein....

Querfeldein....

Auch schon sehr, sehr schön..., aber noch nicht die Wave!

Auch schon sehr, sehr schön..., aber noch nicht die Wave!

Puh, sehr anstrengend...!

Puh, sehr anstrengend...!

Es ist steiler als es hier aussieht...! Und da sollen wir noch hoch?!

Es ist steiler als es hier aussieht...! Und da sollen wir noch hoch?!

Wir können nicht mehr...

Wir können nicht mehr...

Thomas kann nicht mehr. Es ist inzwischen wieder brüllend heiß und nirgendwo Schatten. Ich will aber so kurz vor dem Ziel nicht aufgeben und Thomas sagt wie im Kino sehr theatralisch: "Geh ohne mich - ohne mich bist du besser dran!". Und so verabschiede ich mich mit sehr schlechtem Gewissen von Thomas und klettere zum Teil auf allen Vieren den Sandberg hoch. Die Felsspalten, die neben dem Sand verlaufen, erscheinen mir noch steiler, also bleibe ich auf der Sandspur, die nur teilweise von Felsen unterbrochen wird. Es ist soooo anstrengend! Ich rutsche dauernd wieder runter und bin am Ende meiner Kräfte. Zwischendurch muss ich immer wieder Pause machen, da ich akute "Rasselatmung" habe und keine Luft mehr bekomme. Außerdem habe ich Seitenstiche.

Zu allem Überfluss gibt jetzt auch noch die gute Kamera den Geist auf und weigert sich Fotos zu machen. Weit unten sehe ich Thomas in der heißen Sonne sitzen (inzwischen sind es 30 Grad) und mir zuwinken. Mein schlechtes Gewissen wächst...

Endlich und mit letzter Kraft komme ich schließlich oben an und - keine Wave!!! Stattdessen ein weiterer sandiger Weg bergauf. Ich bekomme einen regelrechten Wutanfall und schimpfe laut wie ein Rohrspatz. "Warum tue ich uns sowas an? So eine Sch....!!! Das ist ja der reine Wahnsinn!" usw. Gut, dass mich hier in der Einsamkeit keiner hört...! Trotzdem kämpfe ich mich weiter und erreiche nach einer letzten Kletterei den ersten Abschnitt der Wave. Ich bin so fertig, dass mich die Schönheit um mich herum erst einmal überhaupt nicht beeindruckt. Dann aber biege ich links um die Ecke und - wuuuuhmmmm! - stehe mitten im schönsten Naturwunder, das ich je gesehen habe!

Die Wave!

Die Wave!

Gibt es was Schöneres?

Gibt es was Schöneres?

Oben stehen schon einige Profi-Fotografen, die ihre Arbeit netterweise unterbrechen und mich hochklettern lassen. Wow - ist das schön hier! So langsam komme ich auch wieder zu Atem und kann ein paar Fotos mit unserer kleinen Kamera machen. Wenigstens etwas. Mein schlechtes Gewissen meldet sich nach kurzer Zeit und ich verabschiede mich, um zu meinem in der Wüste zurückgelassenen Mann zurückzukehren. Die anderen Wave-Besucher verstehen die Welt nicht mehr - da habe ich so hart gekämpft, um hierhin zu gelangen und dann haue ich nach so kurzer Zeit schon wieder ab.... Ich bin gerade aus der Wave wieder heraus und wer kommt mir entgegen? Mein Thomas! Ach was freue ich mich! Wir sind sooo froh, dass er nun doch noch das Ziel der ganzen Plackerei erreicht hat! Nach einer Flasche Wasser und einem Sandwich hat er doch noch die Kraft gefunden, sich den Sandberg hochzuziehen. Ich bin so stolz auf ihn! Gemeinsam gehen wir nun wieder zur Wave und auch Thomas ist tief beeindruckt.

Glücklich und stolz!

Glücklich und stolz!

Die Wave ist fest in deutscher Hand, jedenfalls sind hier oben neben 3 Amis und 3 Japanern nur Deutsche (übrigens allesamt jünger als wir). Als ein weiteres deutsches Pärchen ankommt, das geschätzte Anfang 20 ist und keinen einzigen Schweißtropfen auf der Stirn hat und uns dann auch noch berichtet, dass sie die Ranger-Wegbeschreibung ganz einfach fanden, können wir nur den Kopf schütteln und uns alt fühlen. Allerdings erzählen sie kurze Zeit später, dass sie in den Bergen wohnen und dort das Wandern gewohnt sind. Das beruhigt uns dann wieder - schließlich sind wir nicht nur älter, sondern auch noch Flachländler!

Insgesamt haben wir zwei Stunden für den Hinweg gebraucht. Wir sitzen hier oben und bewundern die Farben und Formen, die die Natur geschaffen hat. Einfach phantastisch! Schöner geht's nicht! Einem netten Ami gelingt es sogar, die gute Kamera zu reparieren. Sie hatte einen Wackelkontakt an der Batterie.

Nach hunderten Fotos und Filmen erkunden wir noch einen kleinen Nebenarm der Wave und setzen uns dort in den Schatten. Dort sind die Farbspiele - trotz Schatten - noch intensiver.

Pause muss sein...

Pause muss sein...

Um 13.00 Uhr beschließen wir - trotz der Hitze - zurückzuwandern. Es ist brüllend heiß, aber es bleibt uns nichts anderes übrig. Bis zur Dunkelheit wollen wir nicht warten. Wir haben Angst uns zu verlaufen. Dies ist vor einigen Wochen schon einmal einem Wave-Besucher passiert; er ist allein im Dunkeln umhergeirrt und schließlich tödlich abgestürzt...

Auch die 2nd Wave lassen wir aus. Keine Kraft mehr! Auf dem Po rutsche ich den Sandberg runter, weil ich Angst habe, abzustürzen. Unten angekommen, hören wir laute Rufe. Ein Pärchen steht auf demselben Berg, auf dem wir uns verlaufen haben. Wie sich herausstellt sind es auch Deutsche (was auch sonst?). Sie sind froh, dass wir ihnen den richtigen Weg zeigen. Sie haben kein GPS und sind mit der Ranger-Wegbeschreibung auch total überfordert.

Wir lassen uns von den Fotos der Ranger-Wegbeschreibung nicht mehr durcheinanderbringen und folgen nun stur dem GPS.

Trotz der Hitze geht der Rückweg viel schneller als der Hinweg. Wir brauchen nur 1 Stunde und 20 Minuten. Alle paar Meter trinken wir Wasser. Trotzdem können wir schon wieder Witze machen und unser Lachen hört man sicher noch in weiter Ferne. Auf meine Frage, warum mir selbst meine Bauchmuskeln weh tun, meint Thomas, "Das kommt vom Trinken!". In der Tat haben ich glaube ich noch nie so viel an einem Tag getrunken wie heute. 5 Liter! Gut, dass wir genug Wasser mitgenommen haben! Uns tut alles weh. Ich merke schon jetzt, wie ich - trotz Wanderschuhen- wieder Blasen an den Füßen bekomme und der Sand mir alles aufscheuert. Meine Arthrose schmerzt wie Hulle und ich habe das Gefühl, das mich der Rucksack nach hinten zieht. Die letzten Kilometer verbringe ich mit Jammern...

Die GPS-Daten der Ranger-Beschreibung enden ca. 1,5 km vor dem Parkplatz (den man noch nicht sehen kann). Gut, dass ich den Ausgangspunkt der Wanderung gespeichert habe - sonst würden wir dort wahrscheinlich immernoch umherirren. Für uns sieht es einfach überall gleich (schön) aus. Bei mir ist das kein Wunder, ich verlaufe mich schon in einer Telefonzelle, aber Thomas hat eigentlich einen sehr guten Orientierungssinn...

Hinter uns taucht irgendwann ein amerikanisches Pärchen auf, das viel schneller (und älter!) ist als wir. Ich wundere mich noch, wo die die Kraft hernehmen, bis sie uns beim Einholen erzählen, dass sie die Wanderung abgebrochen hätten, weil sie den Weg nicht gefunden haben! Wie schade für sie! Alle Anstrengung und die Permit umsonst!

Am Auto kühle ich meine geschundenen Füße erst einmal mit Wasser. Dann geht's auf der Holperstraße wieder zurück und zum Hotel. Dort werfen wir uns völlig entkräftet - aber total glücklich - auf's Bett und genießen anschließend ein kühles Bad im Pool. So habe ich einen Pool noch nie genossen!

Schon auf der Wanderung haben wir uns gegenseitig von Bier und Rippchen erzählt, also landen wir zum Abendessen wieder in "Ken's Old West".

Trotz der wahnsinnig anstrengenden Wanderung war heute einer der schönsten Tage unseres Lebens. Ich glaube nicht, dass es noch schönere Orte auf der Welt gibt...

Top: Die Wave!!!
Auch wenn das Ziel noch so verlockend ist, ist die Wanderung nichts für ältere oder sehr unsportliche Leute. Wir sind hier wirklich an die Grenzen unserer Kräfte gekommen. Ich empfehle unbedingt ein GPS und ausreichend (!) Wasser mitzunehmen. Außerdem nicht alleine wandern! Mich wundert, dass nicht mehr Leute dort verloren gehen oder sich verletzen. Thomas ist auf den letzten Metern noch in einer Felsspalte umgeknickt. Gott sei Dank konnte er weiterlaufen! Ich hätte nicht gewusst, wie ich ihn sonst zum Auto hätte bringen sollen...
Noch ein Hinweis: Für diese Wanderung benötigt man eine Permit, die man entweder im Internet oder bei einer Verlosung vor Ort gewinnen kann. Infos dazu findet man hier:

http://www.blm.gov/az/st/en/arolrsmain/paria/coyote_buttes.html

Die Permit und deren begrenzte Anzahl ist erforderlich, damit dieses unglaubliche Naturwunder so lange wie möglich erhalten bleibt. Ich warne ausdrücklich davor ohne Permit loszuwandern! Die Gegend wird von den Rangern beobachtet und es werden empfindliche Geldstrafen verhängt, wenn man ohne Permit erwischt wird!

Flop: gar nichts!
Gefahren: 160 km
Hotel: Maryott Courtyard Page

Runter geht's einfacher!

Runter geht's einfacher!

Unser Tagwerk...

Unser Tagwerk...

...und die Belohnung!

...und die Belohnung!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach längerer Zeit der Reiseabstinenz könnt ihr hier unseren neusten Reisebericht über unseren erlebnisreichen und wunderschönen Urlaub im Südwesten der USA durchstöbern und dabei in Gedanken mitreisen..... Viel Spaß damit!
Details:
Aufbruch: 13.08.2011
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 11.09.2011
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Heilwig Sandhagen berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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