Fahrrad-Welt-Reise
Bolivien: 01 - Tierra de cambas
(Land der cambas)
Am 18.04.2006 fuhren wir bei Yacuiba in Bolivien ein. Unser beider erster Eindruck war, wir haben uns verfahren. ...wir sind wieder in Indien! Kaum haben wir die Grenze passiert, da wimmelt es auch schon überall auf der Strasse von Menschen und rechts und links des Weges säumen unzählige kleinere und größere Geschäfte die Straßenfront. Jetzt also waren wir "richtig" in Südamerika! Argentinien und Chile haben dagegen doch schon etwas, pauschal gesagt, europäisch angemutet.
Einfahrt in Boliviens Chaco
Vom Grenzort Pocitos waren es noch etwa 3 km bis nach Yacuiba. Die Strasse war etwas grob gepflastert und so holperten wir die letzten Kilometer an diesem Tag noch vorwärts. Es ist schon interessant, was eine Grenze so ausmachen kann. Die Unterschiede gegenüber Argentinien sind schon enorm. Vielmehr Leben spielt sich nun auf der Strasse ab, jeder hat etwas zu verkaufen. Einziger Haken an der Sache ist, dass es kaum noch Supermärkte gibt und alles auf dem Markt oder an kleineren Marktständen gehandelt wird. Da muss man dann erst einmal gut suchen und etwas rumfragen, bevor auch das gefunden hat, was man eigentlich suchte. Auch der Menschenschlag ist mit nur ein paar Metern über die Grenze merklich anders. Es gibt sehr viele Collas (Collas nennt man die Einwohner Boliviens aus dem Hochland), zu erkennen z.B. bei den Frauen an ihren Röcken und langen Zöpfen und die Cambas (Cambas nennt man die Einwohner Boliviens aus den Flachlandgebieten), welche eher brasilianischer Abstammung sind oder von den Ureinwohner dieser Regionen abstammen.
Unser nächster größerer Ansteuerungspunkt war Santa Cruz de la Sierra. Knappe 600 km war die Stadt entfernt und da unsere Route an dem Rande der Anden entlang laufen sollte, gingen wir erst einmal davon aus, dass die Strecke wohl ziemlich ausgeprägt sein müsste. Eingangs ging die Rechnung auch auf. Von Yacuiba ging es zuerst nach Villamontes, einem ziemlich staubigen Ort, dann nach Villa Marchareti,
Fachkräftige Unterstützung bei der Fahrradwartung
Marina beim Plätzchen backen
einem kleinen aber ziemlich süßen Ort und anschließend nach Boyuibe, einem ziemlich unbedeutenden Ort an der Route gelegen. Bisher, wie gesagt, waren die Tagestouren ziemlich erträglich, mit mehr oder weniger leichten bis mittelschweren Steigungen und Gefällen. Dann aber nach Boyuibe schraubte sich die Strasse unaufhörlich hinauf, um kurz darauf wieder hinunter zu gehen und danach wieder hoch usw. und so fort.
Blick auf einen schönen aber "stinkenden" See
Heiß und steil
Heiß und steil
Etwas geplättet erreichten wir endlich am späten Nachmittag Camiri. Um in den Ort einzufahren durften wir aber erst einmal die mühsam noch beisammen gehalten Höhenmeter wieder abbauen, denn die Stadt lag abseits der Strecke, steil bergab einem Seitental zugewendet. Zu unserer Freude galt es dann, am darauffolgenden Tag dies wieder auszugleichen.
Interessante Spuren, etwa handgross, am Wegesrand
Große Insekten gibt es hier – Hinweis an die Tierschützer: das liebe Tierchen hatte leider bereits das zeitliche gesegnet. Auch etlich durchgeführte Wiederbelebungsversuche blieben leider erfolglos
Auch die nächsten zwei Etappen waren kaum besser, immer wieder ging es steil hinauf um darauf anschließend wieder hinunter zu gehen. Wir kamen gerade mit den letzten Lichtstrahlen im einem kleinen Nest Namens Guitiérrez an. Angeblich sollte es dort nur eine Übernachtungsmöglichkeit geben und so steuerten wir, nachdem wir mitten in den Ort eingefahren waren auch sofort das Gebäude an auf dem Alojamiento (Herberge) stand. Die Besitzerin bestätigte uns auch noch, dass es angeblich keine anderen Übernachtungsmöglichkeiten in dem Ort geben soll. Doch nachdem Mun Suk die beiden Zimmer, welche es dort gab, inspiziert hatte, war klar, dort konnte und wollte sie nicht übernachten. Die letzte Überholung der Zimmer muss dort wohl im vorletzten Jahrhundert stattgefunden haben und die Bettwäsche wird bestimmt erst nach jedem dritten Besucher gewechselt ...zu dem das man in so einem Fall immer erst der Zweite ist. Und wer weis wie viele Mitbewohner die Betten noch aufzuweisen hatten. Also war guter Rat erst mal teuer. Angeblich sollte es ja keine weitere Übernachtungsmöglichkeit in dem Ort geben und zum Weiterfahren war es auch längst zu spät. Mun Suk ließ sich davon aber nicht einschüchtern, stampfte allein ohne Rad los und ich blieb bei den Fahrrädern. Eine halbe Stunde später kam sie zurück, hatte so erfahren, dass es noch zwei weitere Alojamientos gab, aber für unsere Übernachtung hatte sie einen leeren Raum bei einer Schule gefunden, denn wir auf Nachfrage umsonst benutzen durften. Da es dort außer vier Wänden und einem Dach nichts gab stellten wir kurzerhand unser Zelt darin auf. Endlich mal wieder Zelten.
Zelten im Schulgebäude
Auf Grund des Schweißes denn wir die Tage zuvor auf der Strecke gelassen hatten, dachten wir schon daran, dass die Strecke über den Altiplano, wie zuvor ursprünglich geplant, wohl vielleicht doch die bessere Wahl gewesen wären. Zumindest wäre es dort nicht so warm gewesen, aber höchst wahrscheinlich, da die Strecke zum grossteil dort unasphaltiert ist, doch die schwierigere Variante. Dieses Gedankenspiel war aber sowieso vergeblich, da wir ja unsere Weg bereits eingeschlagen hatten. Nach Guitiérrez ging es dann aber endlich, abgesehen von einigen wenigen Aufs und Nieder, wieder etwas flacher weiter. Santa Cruz war schon fast zum Greifen nahe.
Polizeiposten – das erste Mal wurden unterwegs unsere Pässe kontrolliert
Kinder interessieren sich für unsere Räder
Zwei Zwischenstops gab es aber noch, einer in Abapó, einem kleinen Ort direkt nach am Flussübergang des Rio Grande (auch Rio Guapay genannt)
Brücke über den Rio Grande
und danach noch einmal, kurz vor Zanja Onda, auf einer kleinen Milchfarm. Es war nämlich so, dass es auf dem weiteren Strecke nach Santa Cruz, ca. 70 km, keinen nennenswerten Ort mehr gab, in welchen man eine Übernachtungsmöglichkeit hätte finden können. Wild zelten war auch kaum möglich, da alles entweder eingezäunt war oder kaum zugänglich. So hielten wir kurzer Hand bei einem Grundstück an, welches einladen aussah und wo auf der Eingangspforte auch noch "Bienvenidos" (herzlich willkommen) stand. Wir fragten den Besitzer ob wir auf seinem Land zelten durften und dieser, zuerst etwas verblüfft über unser Anliegen, willigte dann dazu ein. Unter einem Vordach konnten wir unser Zelt aufschlagen und die frische Landluft genießen. Am nächsten Morgen jedoch, es sind halt nicht alle so gute Langschläfer wie wir, war es ab 05:00 Uhr früh (ist doch noch mitten in der Nacht, oder nicht?) mit der Nachtruhe vorbei. Die Kühe wurden gemolken und das Radio der Arbeiter hierzu voll aufgedreht. Ce la vie. So konnten wir, um kurz nach sieben, wohl unsere frühest begonnene Tagesetappe antreten.
Die restlichen Kilometer nach Santa Cruz verliefen, bis auf ein paar leichte Kurven, schnurstracks geradeaus und ziemlich flach. Schnell rollten wir so dahin und erreichten auch bald das Stadtende von Santa Cruz. Kilometerweit hat sich dann aber noch die Einfahrt bis ins Zentrum der Stadt erwiesen. Vor 13 Jahren war ich hier das letzte Mal, doch wiedererkannt habe ich auf dem Weg in die Stadt nichts mehr. Seitdem meinem letzten Besuch ist diese Stadt um fast 1 Millionen Einwohner gewachsen! Wahnsinn. Hatte die Stadt früher mit ca. 500.000 Einwohner mehr den Charakter eines großen Dorfes, so hat sie sich nun zu einer weit ausufernde, mittleren Großstadt gemausert. War glaubt gar nicht sich in Bolivien zu befinden, so viele schicke Autos kurven auf der Strasse herum. Santa Cruz ist zwar die teuerste Stadt Boliviens, doch für das ärmste Land bzw. eines der ärmsten Länder der Erde ein enormer Kontrast.
Kathedrale in Santa Cruz
Frischer Apfelsinensaft. Zubereitung: zuerst kommt die Apfelsine in die Apfelsinenschälmaschine, danach wird sie halbiert und kommt unter die Presse...
...und fertig ist der Apfelsinensaft
Die ersten Tage in Santa Cruz verbrachten wir in einem schicken Hotel, direkt im Zentrum neben der Kathedrale. Dann, wie der Zufall es so will, trifft Mun Suk einen koreanischen katholischen Priester, der uns einlädt, in einem Ausbildungszentrum was sie am Stadtrand von Santa Cruz betreuen, zu nächtigen, da es dort eine Etage mit Zimmern gibt, welche z.Z. gar nicht genutzt werden. Nach einem kurzen Inspektionsbesuch, es musste ja erst einmal geprüft werden ob die Angaben auch stimmen und ich in die vorhandenen Betten auch reinpasse (habe da so meine Schwierigkeiten, bei einem Bettenstandardmaß von 1,90 cm und einer Körpergröße von 1,96 cm). Zum Glück waren die Betten, wie vorher versprochen, am Fußteil offen, ich kann so meine Füße rausstrecken und wir wechselten daher nach vier Tagen im Ort das Domizil.
Centro Filomena heißt das Zentrum, in welchem nebenan auch gleich drei koreanische Pfarrer (zwei waren aber nur vor Ort, denn einer weilte z.Z. in Korea, auf Heimaturlaub) wohnten und im Ausbildungsgebäude selbst noch mal eine koreanische Haushälterin. Mun Suk konnte so endlich wieder ausgiebig koreanisch reden und auch das Essen, wir konnten dort in der hauseigenen Küche kochen, war teilweise wieder ziemlich koreanisch. Für mich war das Ganze ziemlich exotisch. Trifft man doch nicht aller Tage Koreaner in Südamerika und am wenigsten schon mal koreanische Pfarrer die hier missionarisch tätig sind.
Las Lomas - Dünenlandschaft mit See bei Santa Cruz
Wie vor 200 Jahren – Die Mennoniten fahren auch heute noch in Kutschen
Mennonitenkinder auf dem Heimweg von der Schule
Marina will Torero werden
Traditionelle Landhäuser in der Nähe von Santa Cruz
Da es nun für uns einen sicheren Ort gab, wo wir unsere Sachen bedenkenlos zurück lassen konnten, unternahmen wir von dort erst mal eine Tour zu den ehemaligen Jesuitensiedlungen in die Chiquitos Region. Mit dem Expresszug ging es nach San Jose de Chiquitos. Ein wirklicher Schnellzug, der durch die Pampa mit sage und schreibe 30 km/h braust. Auch die Klasseneinteilung war bei dem Zug interessant, denn neben der zweiten und ersten Klasse gab es noch die Pullman-Klasse. Da wir davon ausgingen, dass dies das non plus ultra sein müsste, der Preis zumindest gab dies wieder, da diese Klasse etwa doppelt so teuer war, wie die der ersten Klasse, hatten wir diese tags zuvor in Santa Cruz gebucht. Der einzigste Unterschied zu der ersten Klasse war jedoch, dass die Sitze nicht blank waren und einen Überzug hatten. Um das Ganze mit in einen deutschen Zugklassenmaßstab zu übersetzen: man denke sich 100 Jahre zurück, in die dritte Klasse und das diese Klasse seitdem nicht mehr überholt worden ist. Así es la vida.
Kirche von San Jose
Merkwürdige Armeeübung – Scheindemonstranten werden abgewehrt und man geht wie selbstverständlich von tödlichen Verlusten, auf der Demonstrantenseite natürlich, aus.
Blick von Santa Cruz de la vieja (bei San Jose) hinab ins Tal
Unsere Rundfahrt durch die ehemaligen Jesuitensiedlungen führte uns noch nach San Rafael,
Kirche von San Rafael
In der Kirche von San Rafael
Kirchenrequisiten - in der Kirche von San Rafael
Dorfhäuser in San Rafael
San Ingnacio de Velasco und Concepción. Die von den Jesuiten dort errichteten Kirchen wurden alle um etwa 1998 restauriert und befinden sich daher in einem herrlichen Zustand. Wie wir in Santa Cruz zuvor erfahren hatten, findet dort in den Kirchen alle zwei Jahre ein internationales Barockmusikfestival statt. Leider kamen wir zu spät, denn zwei Wochen zuvor gastierte dieses Festival gerade dort. Schade. Zum Trost hatten wir aber bereits zuvor in San Jose zwei deutsche Weltreisepaare kennen gelernt. Jutta und Frank, welche mit dem Flieger, Bus und Bahn für ein Jahr um die Welt unterwegs sind und Heike und Frank, zwei Leidensgenossen, welche auch mit dem Rad und das bereits seit vier Jahren, um den Globus unterwegs sind. Es hat Spaß gemacht, sich endlich mal wieder auf deutsch mit Gleichgesinnten zu unterhalten.
Wiedertreffen in Santa Cruz mit: Jutta (rechts), Heike (2. von rechts), Frank (links) der andere Frank (von Heike) fehlt leider auf dem Bild, da er schon bereits in die Staaten abgeflogen ist.
Aufbruch: | 24.04.2005 |
Dauer: | 3 Jahre |
Heimkehr: | 14.08.2008 |
Südkorea
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Ecuador
Kolumbien
Kenia