Wo die Sonne aufgeht
Der Norden: Der Grenze entlang
Ich sitze hier auf einer weichen Matratze in einem komfortablen Gästehaus in Chiang Rai, frisch geduscht, bereit zum Bummel ins Städtchen. Seit gestern Morgen, als wir in Phayao abgefahren sind, sind wir knapp 400 Kilometer gefahren und haben wir etliche Abenteuer erlebt... Doch alles der Reihe nach.
Gestern Mittag machten wir nach vielen Kilometern durch grüne Reisfeldern im Phu Sang Nationalpark Rast. Die Sonne schien durch hohe Urwaldbäume auf einen gepflegten Rasen entlang einem warmen Flüsschen mit schönem Wasserfall. Ein herrlicher Ort zum Verweilen! Kinder planschten im seichten Wasser, auch Luisa und Ruven gesellten sich dazu und hatten ihre Freude am Spielen mit Wasser, Steinen und Blättern. Im kleinen, einfachen Restaurant assen wir zu Mittag - Somtam (frischer Papayasalat), gebratene Reisnudeln mit Fleisch, Gemüse und Ei, gebratenes geschnetzeltes Huhn mit Thaibasilikum und Reis. Lecker und sehr günstig, es kostete keine 10 Franken für alle.
Danach wand sich die immer schmäler und rauer werdende Strasse in die Berge (für uns Schweizer eher Hügel). Bambus und Bäume hingen über die Strasse, der Strassenrand war links und rechts oft bis zu einem halben Meter zugewachsen. Wald wechselte sich mit Mais-, Bergreis-, Kabis- und Erdbeerfeldern ab. Das Mais war in jeder Vegetationsstufe zu sehen. Säcke mit geernteten Maiskolben lagen an der Strasse bereit zum Abholen, Haufen mit Maisstengelgeschnipsel, das angezündet worden war, mottete vor sich hin. Wir staunten sehr über die steilen Hänge, die hier bebaut werden. Bei uns in der Schweiz würde man hier höchstens Schafe oder Ziegen weiden lassen, in den Bergen vielleicht noch wildheuen. Und wenn man bedenkt, dass das Setzen, Pflegen und Ernten Handarbeit ist, so sind wir voller Respekt für die Bergvölker, die hier oben leben und arbeiten!
Am späten Nachmittag, nachdem wir zwei einfache Holzhütten zum Übernachten bezogen hatten, "wanderten" wir zum Gipfel des Berges Phu Chi Fa hoch (ca. 20 Min.), ein schmaler, lehmiger, zuweilen sehr rutschiger Weg durch hohes Gras. Die Stimmung dort oben war speziell, besonders, einmalig. Die Sonne schickte ihre goldenen Strahlen und streichelte die Bergspitzen, die endlos scheinenden Wälder, die Wolken über uns und die paar Föhren auf dem Berghang mit hellem Licht. Vögel zwitscherten. Sonst hörte man nichts. Viele 100 Meter uns breitete sich Laos aus, in der Weite erkannte man eine Schlaufe des Mekong-Stromes. Ruhe zum Greifen, Aussicht und Schönheit um sich Einlullen zu lassen. Ist so der Himmel?
Früh am nächsten Morgen, um 5.15 Uhr standen wir auf, packten unser Zeugs zusammen und fuhren zum 10 Minuten entfernten Parkplatz, um nochmals zum Gipfel hochzugehen. Die Nacht war zumindest für mich etwas unruhig gewesen. Die Matratze erwies sich als so hart wie ein Brett, die Geräusche um die Hütte ausser dem Hundegebell und frühmorgens Hahnengeschrei zuweilen ungewohnt. Und die Wolldecke (die wir brauchten, da es hier in den Bergen kühl wird), na ja, die trug mit ihrem muffigen Geschmack auch nicht zum Wohlbefinden bei... Jedenfalls war es eine Wohltat, als es Morgen wurde. Und nun gingen, ja fast rannten wir hoch, um ja den Sonnenaufgang nicht zu verpassen. Wolken kamen und gingen, hüllten den Gipfel mal ein, mal lösten sie sich von ihm. Kühl war es! Zwischendurch zauberte die aufgehende Sonne Lichtränder an die Wolken, und man konnte erahnen, wie wunderschön es im Winter sein muss, wenn der Nebel im Tal unten liegen bleibt und sich das ganze Panorama wolkenfrei präsentiert. Wir warteten und hofften, dass sich die Wolken, die uns zuweilen ganz einhüllten, verziehen würden und assen ein paar trockene, salzig-süsse Maisrollen, die die Konsistenz von diesem puffigen Verpackungsmaterial in Paketen hatte. Muss ich noch mehr dazu sagen? (Hier in den Bergen ist die Auswahl an westlichem Essen ausserordentlich klein...).
Um 8 Uhr fuhren wir dann weiter, alles dem Berghang entlang.Wo kommt hier das nächste Café mit feinem Frühstück? Tja, das kam eben nicht (logisch!) und so setzten wir uns im nächsten grösseren Dorf in ein Restaurant an bester Aussichtslage, assen Brühe mit Ei, zwei mit Schweinefleisch und Kräutern gefüllte Omeletten und Reis. Dazu zarter Grüntee, den alle sehr mochten. Es war ein herrliches Frühstück!
Guten Mutes fuhren wir weiter. Den Mut brauchten wir dann auch wirklich, denn die Strasse, die wir wählten (eine vermeintliche Abkürzung, jedoch als "normale" Strasse in der Karte eingezeichnet) erwies sich als Härteprobe für unsere Nerven und die Fähigkeiten unseres Autos (ein grosser, starker (3L-Motor) SUV, etwas höher gesetzt, aber ohne 4x4). Zuerst fanden wir es ja noch ganz spannend, wie man die Löcher und tiefen Rillen in der Strasse überfuhr, ohne aufzubocken. Doch als die Rinnen tiefer und breiter wurden, die Strasse steiler und schmaler, wurden wir schon unruhig. Ruven und ich stiegen aus und gingen vor, um zu schauen, ob das nur ein kurzes Strassenstück ist, das so schlimm ist, aber so wie es bis zur nächsten Kurve aussah, würden wir da nie unbeschädigt runterkommen. Was nun? Wenden - keine Chance. Tobias fuhr mit viel Gefühl und zuweilen durchgedrücktem Gaspedal rückwärts, Ruven und ich abwechslungsweise anfeuernd, vorausschauend und betend. Uns rutschte das Herz fast in die Hose, auch weil die Räder mehrmals durchdrehten und das Auto den Halt zu verlieren schien. Zum Glück kam hinter der Kurve ein Feldweg, wo Tobias dann wenden konnte. Doch wir waren noch nicht oben. Noch einmal brauchte Tobias viel Gefühl und das Auto viel Kraft, um die tiefen Löcher sicher zu umfahren und nach dem Durchdrehen im Kies nochmals anzufahren. Dann endlich stand der SUV sicher wieder auf der festen Strasse. Jetzt wurden mir die Knie endgültig weich. Wir waren enorm erleichtert und dankbar, dass wir hier unbeschadet wieder hochgekommen sind. Und wir beglückwünschten uns zur Wahl eines guten Autos!
Aufbruch: | 21.09.2016 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 15.10.2016 |