Abenteuer Amazonas

Reisezeit: Januar 2020  |  von Beatrice Feldbauer

Selva - Regenwald

noch Wünsche?

noch Wünsche?

Frühstück in der Lodge

Teresa schlägt sich selber. Alles ist da: Eier, Schinken, Käse, Brot, Butter und Confitüre. Ausserdem Kaffee und Orangensaft und frische Früchte.

Davis lädt uns zu einem Dschungelspaziergang ein. Also holen wir die Stiefel von ihren Stangen und sind schon bald bereit für neue Abenteuer. Heute begleitet uns Roman. Mit der Machete macht er den Weg frei. Zwar gibt es bereits einen schmalen Trampelpfad, aber dieser wird immer wieder überwuchert, Roman schlägt mit seiner Machete auf Äste, die im Wege liegen, entfernt Schlingpflanzen, über die wir stolpern könnten und wahrscheinlich suchen auch kleine Schlangen, die sich allenfalls in der Nähe befinden, das Weite, wenn er uns voran, durch den Wald stapft.

ein walking Tree - ein laufender Baum

ein walking Tree - ein laufender Baum

Was hast du gesagt?

Was hast du gesagt?

Immer wieder bleibt Davis stehen, macht uns auf etwas aufmerksam. Auf die gelben runden Früchte, die vom Baum gefallen sind. "Sie sind essbar, wir werden auf dem Rückweg ein paar mitnehmen, die jetzt noch oben an dem Ast hängen. Das gibt einen wunderbaren Fruchtsaft.“

Der Dschungel ist voller unbekannter Pflanzen, Formen, Früchten, Pilzen, Geräuschen. Immer wieder zeigt Davis etwas. Er weiss, was giftig oder essbar ist, kennt die Vögel an ihrem Ruf, zeigt Vogelnester vom Webervogel, dem Oropendula, dessen Ruf wie ein Schluck Wasser ertönt.

"Die Wurzeln jenes Baumes helfen gegen Haarwuchsprobleme." ich muss heimlich lachen. Immer wieder werden die Formen oder Farben für entsprechende Leiden angewendet. Man kann die roten Wurzeln tatsächlich mit Haaren vergleichen, die vom Kopf abstehen. So gibt es hier auch viele Mittel, die für die Potenz helfen. Es gibt aber auch sehr viele aufrecht wachsende Pflanzen...

Die Wurzeln, die gegen Haarprobleme helfen. In Wasser einlegen und die Haare damit regelmässig waschen - hilft bestimmt.

Die Wurzeln, die gegen Haarprobleme helfen. In Wasser einlegen und die Haare damit regelmässig waschen - hilft bestimmt.

In den Bäumen hängen Termitenbauten und am Boden weichen wir riesigen Ameisenkolonien aus. „Wenn ich jetzt hier hineinstochern würde, kämen die Kriegerameisen heraus. Das sind die mit den grossen Zangen am Kopf. Sie verteidigen den Bau und ihre Königin.“ Er macht es nicht, er lässt die Ameisen ihre Arbeit machen. Wir sehen ihnen zu, wie sie kleine Blätter in den Bau schleppen. Der Respekt gegenüber der Natur zeigt sich immer wieder in kleinen Gesten. Davis zeigt, erklärt, aber er mischt sich nicht ein, zerstört nichts.

"Schaut, dort oben sitzt eine Zikade am Stamm, eine grosse." Tatsächlich wir können sie sogar von blossem Auge erkennen. Der Wald muss voll von ihnen sein, ihr Zirpen liegt wie ein Geräuschteppich in der Luft.

In der schwül-feuchten Luft. Die Luftfeuchtigkeit muss gegen 90 % Grad gehen, fast kommt es mir vor, als ob wir durch Wasser waten würden. Viel fehlt nicht mehr. Der Schweiss dringt aus allen Poren. Oder ist es Kondenswasser aus der Luft?

Die Zikade

Die Zikade

Selbst über das Spinnennetz mit den vielen winzigen Spinnenbabys weiss Davis ganz viel zu erzählen. Überleben werden nur einige, die meisten werden von anderen Tieren gefressen. Der Dschungel produziert alles in Hülle und Fülle

Selbst über das Spinnennetz mit den vielen winzigen Spinnenbabys weiss Davis ganz viel zu erzählen. Überleben werden nur einige, die meisten werden von anderen Tieren gefressen. Der Dschungel produziert alles in Hülle und Fülle

Liebst du mich?

Liebst du mich?

Heliconias heissen die fantastischen roten Blumen

Heliconias heissen die fantastischen roten Blumen

Plötzlich stehen wir vor einem riesigen Baumstamm. Wie lange wird wohl dieser Baum schon hier stehen. Ganz klein fühlen wir uns, wenn wir neben seinen Brettwurzeln stehen. Hier könnte man Unterschlupf finden, wenn man sich verlaufen hätte. Und hier könnte man auch Hilfe holen. Wenn man mit einem dicken Stecken auf die Wurzeln schlägt, überträgt sich der Schall in die Baumkronen und ist weitum zu hören. „Allerdings müsst ihr dreimal schlagen. Es gibt hier im Dschungel Gnome, kleine Gestalten, die immer wieder versuchen, Menschen in die Irre zu führen. Sie schlagen zweimal an die Wurzeln und wenn dann jemand kommt, ist er verloren.“

Die Selva ist voller Legenden. Selva ist der spanische Name für Wald, Regenwald oder Dschungel. Selva oder Sierra. Sierra sind die Berge. Berge gibt es hier keine. Das Amazonasgebiet ist flach, es ist in einem riesigen Ausmass ein Schwemmland. 140 m hoch liegt Iquitos. Der Fluss fliesst von da noch gut 4000 km bis er auf Meereshöhe in Belem, Brasilien ins Meer fliesst. Er mäandert. Er dreht und wendet sich, fliesst in grossen Bogen, weitet sich bei Regenzeit in zusätzlichen Bögen und wird wieder schmaler bei Trockenzeit. Zurück bleiben dann Lagunen, kleine Seen, stehen gebliebene Flussläufe.

Man sollte immer genau aufpassen, wo man sich festhält

Man sollte immer genau aufpassen, wo man sich festhält

Ein hängendes Ameisennest

Ein hängendes Ameisennest

Davis zeigt uns eine dicke unförmige Frucht. Sie wächst an einem palmenähnlichen Stamm und hat ganz viele Zacken. Schwarz und undefinierbar würde man sie kaum beachten. Roman schlägt sie mit der Machete auf und offeriert uns ihr Inneres. Etwas schlabberig ist es, und man muss es mit dem Finger zuerst etwas lockern. Es ist eine Frucht, die uns in der Konsistenz an Austern erinnert. Und sie schmeckt wunderbar. Wir schlürfen süsse Austern im Regenwald.

Und schon wieder hebt Davis etwas vom Boden auf. Diesmal sind es Nüsse. Er schüttelt sie, hört ob etwas drinnen sei, dann schlägt er sie mit der Machete auf. Es sind Suri, dicke Maden, die aus den harten Schalen kriechen. „Man kann sie essen, sie sind eine Delikatesse!“ Auf der flachen Hand offeriert er sie uns, doch wir wenden uns angeekelt ab. „Nun, dann nehmen wir sie mit, Teresa kann sie fritieren.“

Proteinbombe Suri

Proteinbombe Suri

Eine grosse Motte hängt am Baum

Eine grosse Motte hängt am Baum

Es gibt viel zu sehen. Wir versuchen, alles in uns aufzunehmen, kommen mit zuhören, hinsehen und fotografieren kaum mehr nach. Und ausserdem müssen wir auch immer aufpassen, wo wir hintreten.

Nach gut drei Stunden sind wir zurück beim Ausgangspunkt. Roman hat auf dem Rückweg noch die grosse Frucht mitgenommen, die wir gefunden hatten, und die er hinter einem Wurzelstock versteckt hatte. Teresa wird sie für uns aufschneiden. Auch die kleinen gelben Früchte, die wir ganz am Anfang gesehen haben, holt er vom Baum und nach einer kurzen Fahrt mit dem Boot sind wir zurück in der Lodge, wo Teresa uns das Mittagessen auftischt.

Es gibt Patarashka, Fisch vom Grill, eingewickelt in ein Blatt, gekochte Yuccas und wie immer einen frischen Salat. Und als Zusatz, wir sind grad gemütlich am Essen, bringt Teresa die drei Suri auf einem Tellerchen. Frisch fritiert. Wir lehnen dankend ab, obwohl Teresa versichert, dass das eine Delikatesse sei.

Mehr Erfolg hat sie mit den Samen, die wie Nüsse in der grossen Frucht waren und die sie kurz in der Pfanne geröstet hat. Das könnte gut als Apero-Snack durchgehen. Schmeckt nussig und knusperig.

Patharashka mit Yucca

Patharashka mit Yucca

Nach dem Essen machen wir ausgiebig Siesta. Wir hängen in den Hängematten und lauschen den Klängen des Waldes. Lassen die Erlebnisse des Morgens noch einmal durch Herz und Kopf gehen. Versuchen, all das Gesehene einzuordnen.

„Seit ihr bereit für eine Bootstour?“ Und ob! Bald sind die Gummistiefel wieder montiert, wir sind abfahrbereit. Vögel wollen wir beobachten und Davis macht uns immer wieder auf einzelne Exemplare aufmerksam. In den oberen Ästen sind es die grossen Greifvögel. Cara-Cara heissen sie, aber es gibt auch da verschiedene Arten. Und natürlich verschiedene Geier. Den rotgekopfen und den schwarzen. Doch wir können aus der Entfernung und gegen den Himmel keine so grossen Unterschiede ausmachen. Davis erkennt sie an der Haltung, an der Grösse. „Dort sitzt ein Hawk.“

Wir sind englisch unterwegs, so dass auch Eveline seinen Ausführungen bestens folgen kann. Nur bei den Namen ist es immer so eine Sache. Was ist ein Hawk? Ein Falke, ein Habbicht. Auch ich kann da nicht immer helfen, gibt es doch auch viele lokale Namen, und wir sind alle in der Ornitologie nicht so gut zu Hause. Es ist aber trotzdem interessant, seinen Ausführungen zu folgen.

Wenn ich es nicht selber sehen würde würde ich es gar nicht glauben, aber da guckt tatsächlich eine Maus aus dem Baumloch. Davis hat sie von weitem gesehen, meine Kamera hat sie dann zufällig eingefangen.

Wenn ich es nicht selber sehen würde würde ich es gar nicht glauben, aber da guckt tatsächlich eine Maus aus dem Baumloch. Davis hat sie von weitem gesehen, meine Kamera hat sie dann zufällig eingefangen.

„Da drüben sitzt eine Maus im Baumstamm.“ Nach den Erfahrungen von gestern mit den Fledermäusen und weil mein Objektiv grad ausgefahren ist, halte ich meine Kamera drauf, obwohl ich ausser dem Loch im Stamm gar nichts sehen kann. Und tatsächlich, als ich später die Fotos kontrolliere, guckt da tatsächlich eine Maus aus dem Holz.

In den Bäumen hängen die langen Nester der Webervögel und manchmal sehen wir einen, wie er geschäftig mit ein paar Halmen im Schnabel Richtung Nest fliegt. Aus dem Wald ertönt das Klopfen eines Spechtes und einmal können wir tatsächlich einen sehen, der aus einem Baumloch schlüpft.

Wir sind inzwischen in einen anderen Seitenarm des Flusses eingebogen, die Ufer sind hier näher zusammen. Roman stellt den Motor ab, damit wir die Geräusche der Vögel und des Waldes besser in uns aufnehmen können. Und den Eisvogel beobachten können, der auf einem Ast das Wasser kontrolliert. Jederzeit bereit hinein zu stürzen und einen Fisch zu holen. Leider macht er uns diese Freude nicht. Er ist auch gegen das Licht nur an seiner Form richtig erkennbar. Unverkennbar mit dem spitzen Schnabel.

Amazonas-Eisvogel

Amazonas-Eisvogel

Oben in den Ästen eines laubfreien Baumes hocken zwei Geier und ein Cara-Cara. Überblicken die Szene. Roman startet den Motor, wir wollen weiter. Er reisst an der Schnur, der Motor startet nicht, noch ein Versuch gleiches Ergebnis. Er versucht es immer wieder, der Motor will nicht starten. Vielleicht braucht er eine Pause, dann noch ein Versuch.

Wir sitzen jetzt schon eine ganze Viertelstunde fest. Oben sitzen bereits fünf Geier. Was, wenn wir hier nicht mehr loskommen? Davis hat ein Paddel, aber schafft er es, uns damit zurück zur Lodge zu bringen?

Dann endlich die Erlösung. Der Motor startet, wir tuckern los.

Kurz vor dem Ziel raschelt es am Ufer. Ein Kletteraffe rast wie von der Tarantel gestochen durch die Äste. Anscheinend will er uns sehen, denn er stoppt erst kurz vor unserem Boot. Roman hat den Motor wieder abgestellt, Davis bringt uns mit dem Paddel in sicheren Abstand. Der Affe soll nicht ins Boot springen, er könnte beissen. Er bleibt im Busch und schreit sich die Seele aus dem Leib.

Ich wusste gar nicht, dass diese Affen so schreien können. Es ist wie ein ganz lautes Piepsen. In den Bäumen hinter ihm raschelt es erneut, ein grosser Wollaffe, der eben noch gemütlich an einer Frucht geknabbert hat, nähert sich behäbig. "Das scheint der Anführer seiner Familie zu sein", meint Davis. Jetzt bekommt es der Kleine mit der Angst zu tun. Seine Schreie werden angstvoll und verstummen dann ganz, weil er sich in den Ästen des Busches versteckt. Der Grosse ist inzwischen auch im Busch angekommen und beäugt die Zweige, sucht mit den Armen den vorwitzigen kleinen Kerl. Mit dem langen Schwanz aber hält er sich noch immer am dünnen Zweig des grossen Baumes fest, lässt seine Rettungsleine nicht los.

Dann gibt er auf, klettert zurück auf den Baum und zieht sich zurück, während der Kleine neuen Mut schöpft und aus seinem Versteck hervorkommt. Noch einmal versucht er uns einzuschüchtern, doch dann merkt er, dass es für ihn keine Rückkehr auf den grossen Baum gibt. Die Äste hängen zu hoch. Auch mit Springen erreicht er sie nicht. Schwimmen wäre eine Option, aber er mag wohl keine nassen Füsse. Darum ändern sich seine Schreie erneut und jetzt scheint er zu klagen. Wie soll er zurück zu seiner Familie gelangen.

Er wird einen Weg gefunden haben, wir fahren weiter. Nach einem kurzen Versuch startet auch der Motor wieder.

Wir werden in der Lodge zum Nachtessen erwartet und dann legen wir uns in die Hängematten. Es ist elf Uhr, als mich Pablo weckt. „Wir gehen jetzt alle schlafen, möchtest du hier bleiben?“ Verwirrt schaue ich um mich. Wo bin ich?

Noch immer in der Hängematte, die anderen sind längst im Bungalow verschwunden. Auch für mich ist es jetzt Zeit, ins Bett zu gehen, kurz danach wird der Generator ausgeschalten, kurz danach bin ich wieder eingeschlafen.

Jetzt hab ich doch vor lauter Erzählen von den Wundern der Natur die wichtigsten Tiere des heutigen Tages vergessen. Die vor denen es kaum ein Entkommen gab und die ihre Spuren an unseren Körpern hinterlassen haben.

Ja, der Dschungel war voller Moskitos. Vor allem jetzt in der Regenzeit sind sie sehr aktiv und wir sind um jeden Vogel froh, der sie aus der Luft holt, jeder Fledermaus zutiefst dankbar, dass sie sich von Moskitos ernährt. Sie hätten uns fast aufgefressen.

Eveline ist am besten ausgerüstet. Mit ihrem kleinen Netz, das sie sich über den Kopf stülpt, ist sie am Kopf bestens geschützt. Auch die langen Ärmel und das Tuch helfen, die Biester abzuwehren. Ausserdem hat sie mit einer Büchse Repelente (nicht die ganze, aber fast) eine Abwehrmauer um sich aufgebaut.

Peter schützt sich mit einem Hemd, das mit speziell eingewobenen Fäden gegen Moskitos präpariert ist und ich begnüge mir mit einem grossen Tuch. Trotzdem bleiben die Mückenstiche an meinen Armen wohl noch ein paar Tage erhalten und erinnern an den Besuch im Dschungel. Wie die an all die versteckten Orte an meinem Körper hinkamen, wo ich sie jetzt spüre, möchte ich gar nicht wissen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach vier Jahren kehre ich zurück nach Iquitos, wo ich mit Hilfe von Einheimischen eine Lodge geführt habe. Ich werde Freunde besuchen und freue mich auf neue Begegnungen.
Details:
Aufbruch: 04.01.2020
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 31.01.2020
Reiseziele: Peru
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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