Iceperience - wetterfest oder wetterscheu?

Reisezeit: August 2005  |  von Andrea Becker, Bochum

7.8. Papageientaucher wir kommen...

7.8. Papageientaucher - wir kommen (oder auch nicht): Reykjavik

Am Sonntag starteten wir zu unserer eigentlichen Islandmission, und die hieß Papageientaucher live und in Farbe zu sehen. Deswegen wollten wir am regionalen Flughafen das Shuttleflugzeug um 12.00 Uhr nach Heimaey nehmen. Allerdings gab es nur eine Möglichkeit, zu dem regionalen Flughafen zu kommen. Start: 5.45 Uhr (Zugegebenermaßen hätten wir auch ein Taxi nehmen können - aber wer will schon 100 Euro durch den Auspuff jagen, wenn es eine andere Möglichkeit gibt?)
Um 7.30 Uhr waren wir also am busbahnhofähnlichen Flughafen. Check In erst ab 11.30 Uhr, allerdings machten die freundlichen Damen uns wenig Hoffnung, dass der Flieger tatsächlich auch fliegt. Heimaey lag in dichtem Nebel.

Wir nahmen erst einmal verschiedene Hotelbusse, um in die Stadt zu kommen und die Zwischenzeit (vier Stunden!) zu überbrücken. Das erste, was wir sahen, war die Hallgrímskirkja, das Wahrzeichen Reykjaviks. Überraschenderweise ist die Kirche schon 1937 entworfen worden - auf mich machte sie einen sehr modernen Eindruck. Zum einen ist die Formsprache schnörkellos. Zum anderen sieht das verwendete Material schon ein wenig nach Beton aus.

Wir bummelten weiter in die schöne Innenstadt. Falls man jeweils dachte (ich habe es nicht getan, weil ich schlicht gar keine Vorstellung hatte) das Island provinziell sei (weil klein, weil abgelegen, weil wasauchimmer), Designerläden an jeder Ecke belehren eines besseren. Beim kleinen Schaufensterbummel hatte ich übrigens den Eindruck, dass die Designer auch wirklich kreativ sind, neue Stile entwickeln und neue Materialien verwenden oder Materialien neu mischen. Das Wort Design also ernst zu nehmen ist und nicht nur einfach als Synonym für teuer (teuer war es allerdings auch).

Achtung: Dieses Foto wurde morgens aufgenommen...

Achtung: Dieses Foto wurde morgens aufgenommen...

Der zweite Pitstop am Flughafen nahm uns dann alle Hoffnung: kein schneller Flug nach Heimaey. Wir stornierten unsere Flugbuchung und beschlossen, langsam mit Bus und Fähre nach Heimaey und zu den Papageientauchern zu fahren. Der Bus ging um 17.50 Uhr (glücklicherweise, nur weil Sonntag war) Ergo: Noch einmal warten, noch einmal durch die Stadt bummeln.

Dieses Mal führte unser erster Weg in Richtung Trödelmarkt. Ich hatte die ganz leise Hoffnung, dass dieser Trödelmarkt vielleicht den einen oder anderen Designerfummel für mich versteckt hielte (was ich dann in den nächsten Trekkingwochen damit angestellt hätte, wäre dann noch zu klären gewesen). Schon nach dem ersten Eindruck war klar: Ich hatte kein Übergepäck zu fürchten. Der Trödelmarkt war wie alle. Viel Trödel, den man noch selbst irgendwo auf dem Dachboden hat, einige billige neue Sachen und viel Ramsch. Im letzten Moment habe ich jedoch doch noch eine kleine Sensation entdeckt: Hákarl. Hai. Genauer gesagt: fermentierter Hai. Eine isländische Spezialität. Der Hai wird in Stücke geteilt, die Stücke in einem Fass vergraben und nach ausreichender Lagerzeit (Fermentierung) an der Luft getrocknet. Optisch hat es mich an Scamorza erinnert (geräucherter Mozzarella). Der Geruch und das Wissen haben allerdings einen Fluchtgedanken ausgelöst.

Unsere "Flucht" führte uns grob zurück in Richtung "Haupteinkaufsstraße". Wir bummeln etwas ziellos durch die Straßen, um zwei weitere Schätze zu entdecken. Aus einer Ecke starrte mich ein Papageientaucher an. Er war nur wenige Meter entfernt, bewegte sich nicht und ließ ausgiebige Studien willenlos über sich ergehen. Ich war wirklich überrascht, wie klein diese witzigen Vögel sind: maximal so groß wie ein bundesdeutsches Legebatteriehuhn. Zugegebenermaßen hatte es dieses Exemplar auch nicht besser als die Referenzhühner: Es stand ausgestopft in einem Jagd- und Angelshop (So niedlich, witzig und possierlich diese Vögel sind, sie sind nicht vom Aussterben bedroht und somit auch "Nutztiere". Im August ist die Jagd von Papageientauchern frei gegeben und so man kann sie an der einen oder anderen Speisekarte finden. Geschmacksache. In vergangenen Zeiten war es sicherlich - wenn nicht lebensnotwendig - doch mindestens eine Bereicherung des Speisplans. Von daher finde ich es nachvollziehbar. Ich habe mir aber an anderer Stelle nur erzählen lassen, wie es schmecken soll.).

Nachdem ich meinen Schock über diese ungeplante Begegnung halbwegs überwunden hatte, bummelten wir weiter, direkt zu nächsten Sensation: Wir gerieten in eine Open-Air-Fotoausstellung von Ragnar Axelsson. Wahnsinn. Schwarz/Weiß Fotos von dem alltäglichen, sehr rauen Leben in Island. Besonders beeindruckt hat mich ein Foto von einem Schäfer, der auf seinem Islandpferd in einen reißenden Strom geritten ist, um dort ein Schaf aus den Fluten zu ziehen. Wer die Gelegenheit hat, "Faces of the north" zu sehen, sollte sich das nicht entgehen lassen.

Ein Foto eines Fotos!!!

Ein Foto eines Fotos!!!

Nach der Fotoausstellung war es dann auch an der Zeit, so langsam aber sicher in Richtung Busbahnhof zu gehen - nicht, dass wir nach allem auch noch den Bus nach Polarkshöfn verpassen... Übrigens: Der Busbahnhof ist tatsächlich größer als der Inlandsflughafen.

Die Busfahrt war kurz (ich bin in der ersten Kurve nach dem Busbahnhof eingeschlafen), dafür war die Fährfahrt umso länger. Der Sturm hatte sich nicht wirklich gelegt, die Wellen spritzen uns um die Ohren während wir auf dem Oberdeck der (ohne Untertreibung winzigen) Fähre standen. Das konnte ich genau drei Minuten verkraften. Dann bescherte mir Island etwas, was ich noch nicht kannte: Seekrankheit. Und zwar vom feinsten. Drei Stunden dachte ich: "Gut, dass ich keine Kreuzfahrt gebucht habe!" und "Ich fahre auf keinen Fall mit der Fähre zurück. Niemals!"

Heimaey begrüßte uns mit dichtem Nebel, es regnete und ich war einfach nur froh, festen Boden unter den Füßen zu haben. Die netten Leute von unserer Unterkunft holten uns am Hafen ab (obwohl das Haus nur wenige Meter vom Fährhafen entfernt war) und trösteten mich mit den Worten: "Seekrank? Da bist du nicht die einzige heute!" Immerhin.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Meine erste Nacht in einer Berghütte, meine erste quasi offroad 4 WD Fahrt, meine erste Fischsuppe, meine erstes Camping bei 8 °C sowie die Antwort auf die Frage: Iceperience - wetterfest oder wetterscheu? DAS ist meine persönliche Bilanz meines ersten Islandabenteuers.
Details:
Aufbruch: 05.08.2005
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 21.08.2005
Reiseziele: Island
Der Autor
 
Andrea Becker, Bochum berichtet seit 21 Jahren auf umdiewelt.
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